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Presse-Stelle:  Dr. Franz Alt Journalist, D-76530 Baden-Baden
Rubrik:Politik & Gesellschaft    Datum: 27.04.2010
Globale Emissionsbegrenzung, gleiche Pro-Kopf-Emissionsrechte und "Peak and Trade"-Emissionshandel für die "2°max-Klimastrategie"
Ein am heutigen Dienstag veröffentlichter Bericht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK-Report Nr. 116) benennt Konstruktionsfehler im bestehenden Weltklimaschutzsystem.
Die Autoren analysieren die Interessenlage der verschiedenen Ländergruppen und zeigen auf, wie die internationale Klimaschutz-Strategie im Sinne der Kopenhagen-Vereinbarung strukturell weiterentwickelt werden kann, um die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

"Um neuen Schwung in die Verhandlungen über ein globales Klimaschutzabkommen zu bringen, bedarf es einer wirkungsvollen und gerechten Strategie", sagt Lutz Wicke. Diese müsste die Interessen aller Länder gleichermaßen berücksichtigen. Gemeinsam mit Hans Joachim Schellnhuber und Daniel Klingenfeld vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) legt der Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der Wirtschaftshochschule ESCP Europe nun die "2°max-Klimastrategie" vor. Aufbauend auf dem "Budgetansatz" des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (WBGU) zeigen die Autoren, wie das Ziel der Kopenhagen-Vereinbarung ("Copenhagen Accord") erreicht werden kann, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Zunächst gelte es, Konstruktionsmängel des Kioto-Protokolls zu überwinden, heißt es in dem Bericht. So reichten Selbstverpflichtungen der Länder, ihre Emissionen von Treibhausgasen zu senken, nicht aus, ambitionierten Klimaschutz umzusetzen. "Das Schema Klimabasar - jeder gibt so wenig, wie er kann - hat die Verhandlungen in eine Sackgasse geführt", sagt Schellnhuber. Um das Zwei-Grad-Limit realistisch einhalten zu können, müssten die weltweiten Emissionen vor 2020 sinken und bis 2050 auf die Hälfte des Wertes von 1990 reduziert werden. Die bisher zur Kopenhagen-Vereinbarung eingereichten Selbstverpflichtungen der Länder bedeuteten dagegen einen Anstieg der globalen Mitteltemperatur um mehr als drei Grad Celsius in diesem Jahrhundert, sagt Schellnhuber (siehe: Kopenhagen-Vereinbarung verfehlt 2°C-Klimaziel).

Die Autoren fordern eine weltweite, mit dem Zwei-Grad-Limit vereinbare Emissionsbegrenzung. Auf diese Weise berücksichtigt die 2°max-Klimastrategie auch die Interessen Chinas und der USA, keine nationalen Emissionsbeschränkungen zu akzeptieren. Die Emissionsbegrenzung soll nicht national, sondern global definiert und über ein "Peak and Trade"-Emissionshandelssystem umgesetzt werden.

Die erste, keineswegs zu enge weltweit verbindliche Höchstemissionsgrenze - der "Peak" - von beispielsweise 35 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) im Jahr 2015 müsste zu Erreichung des vereinbarten maximal plus 2°-Klimazieles in den folgenden Jahren stufenweise reduziert werden. Gleichmäßig auf die Weltbevölkerung von 6,9 Milliarden Menschen im Basisjahr 2010 verteilt, ergäben sich Emissionsrechte von zunächst rund fünf Tonnen CO2 pro Kopf.

"Das Verteilungsprinzip 'one human, one emissions right', wie es auch dem Budgetansatz des WBGU zugrunde liegt, ist Voraussetzung dafür, die Entwicklungsländer fair und aktiv einzubinden", sagt Wicke. Für diese Länder ergäbe sich daraus der große ökonomische Anreiz, bei nachhaltiger klimafreundlicher Entwicklung dauerhaft nicht benötigte Überschussemissionsrechte verkaufen zu können. Ein einheitlicher Preis für Brennstoffzertifikate würde weltweit starke Anreize für klimafreundliches Investieren und Konsumieren, für Energiesparen und Effizienzsteigerungen und für den Ausbau erneuerbarer Energien setzen.







Executive Summary

Wollen Deutschland und die Europäische Union ihr Klimaziel nicht verloren geben, dann bedarf es der schnellen Entwicklung und Durchsetzung einer wirksameren und gerechteren Klimaschutzstrategie. Denn die Fortsetzung der derzeitigen, wenig strukturierten und effektiven Strategie birgt große Langfristrisiken für Mensch und Natur in sich. Die bisher gemachten Klimaschutz-Zusagen auf internationaler Ebene nach Kopenhagen führen - im günstigen Falle - zu einer globalen Erwärmung von schätzungsweise 3,5° Celsius bis 2100 und damit zu einem Durchbrechen der weltweit anerkannten Leitplanke für die globale Mitteltemperatur, welche um nicht mehr als 2° Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen sollte.

Außerdem müssen gravierende Konstruktionsfehler im bestehenden Weltklimaschutzsystem durch strukturelle Weiterentwicklungen im Sinne der wichtigsten Vereinbarungen im "Copenhagen Accord" beseitigt werden. Hierfür sollte die EU ihre eigenen Vorstellungen von einer nicht nur engagierten, sondern auch erfolgreichen Klimapolitik überdenken und in einem verbesserten Ansatz die teilweise deutlich abweichende Interessenlage des letztlich mächtigeren "Restes der Welt" in ausreichendem Maße berücksichtigen.

Eine solche neue 2°max-Klimastrategie baut - mit vielen gemeinsamen Elementen - auf dem "Budgetansatz" des WBGU (2009: Verteilung des klimaverträglichen globalen Emissions- Restbudgets auf Nationalstaaten nach elementaren Gerechtigkeitsprinzipien) auf und ergänzt diesen in seinen Umsetzungskomponenten. Sie enthält folgende Kernelemente:
  • Fixierte, mit dem 2°max-Klimaziel vereinbare weltweite (also zumindest übergangsweise nicht national definierte und umzusetzende) Emissionsbegrenzungen, die mit einer globalen CO2- Höchstmenge ("Peak") initialisiert und danach stufenweise abgesenkt werden.
  • Verteilungsprinzip "one human-one emissions right": Von Beginn an gleiche Emissionsrechte für jeden einzelnen Menschen zwecks fairer und aktiver Einbindung der Entwicklungsländer. Für diese ergäbe sich daraus der große ökonomische Anreiz, bei nachhaltiger klimafreundlicher Entwicklung dauerhaft nicht benötigte Überschussemissionsrechte verkaufen zu können.
  • Ein globaler Preis für CO2 durch die Einführung von Brennstoffzertifikaten im Rahmen eines umfassenden globalen "Peak and Trade"-Emissionshandelssystems: Die Erdatmosphäre darf nicht länger als kostenlose Schadstoffdeponie missbraucht werden.
  • Schaffung gleicher Emissions-Wettbewerbsbedingungen über diese weltweit einheitlichen Preissignale. Dadurch in allen Ländern starke Anreize für klimafreundliches Investieren und Konsumieren, für Energiesparen, für Effizienzsteigerungen und für den Ausbau erneuerbarer Energien.
  • Ins neue Klimaschutz-System integrierte soziale Unterstützungs- und Ausgleichsmechanismen zur nachhaltigen Entwicklung und zur Armutsbekämpfung in den Ländern des Südens sowie Maßnahmen gegen eine ökonomische Überforderung der Industrieländer und der Weltwirtschaft.  Gewinnung der Zustimmung aller Staaten(-gruppen) durch größtmögliche Berücksichtigung ihrer ökonomischen und soziokulturellen Interessen.
  • Gezielte und effiziente Einführungs-Förderung von klimafreundlichen Technologien sowie klimafreundliche Normen und Rahmensetzungen.
    Wann, wenn nicht nach dem Fehlschlag von Kopenhagen wäre die Europäische Union aufgefordert, zur Realisierung ihrer eigenen Klimaziele alles daran zu setzen, dass ein wirksames Weltklimaschutzsystem entsteht? Um neuen Schwung in die internationalen Verhandlungen zu bringen bedarf es aber überzeugender neuer Konzepte.
    Quelle: Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) 2010



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