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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 09.06.2009
Der Fluch des Palmöls
Nein zu Palmdiesel aus Amazonien
Der Anbau von Ölpalmen für den Export von Palmöl ist der Fluch Südostasiens: Weite Regenwaldgebiete in Malaysia und Indonesien sind dadurch bereits unwiederbringlich vernichtet worden, um Nahrungs- und Waschmittelkonzerne wie Unilever oder Nestlé mit dem billigen "Universal-Rohstoff" zu versorgen. Umweltschutzorganisationen wie Rettet den Regenwald oder Watch Indonesia warnen schon seit Jahren vor den für Einheimische und Artenvielfalt katastrophalen Palmölboom, von dem Industrie und Regierungen nicht abstand nehmen wollen.

Im Gegenteil: Dank des neuen zusätzlichen Absatzmarktes zur Herstellung von Biodiesel und Pflanzenöl als Treibstoff für Fahrzeuge und Stromkraftwerke wird der Palmölrausch noch weiter angeheizt, während die Industriebosse gleichzeitig versuchen, mit Greenwash-Kampagnen, wie dem Runden Tisch für nachhaltigen Ölpalmanbau (RPSO), dem "Todes-Öl" ein Grünes Mäntelchen umzuhängen. Und jetzt droht selbst dem Amazonasgebiet der Fluch des Palmöls. Schlimmer noch: Agro-Business und Brasiliens Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva haben Pläne, die Indonesiens Ölpalmexpansion weit in den Schatten stellen.

Noch stammt derzeit etwa 90 Prozent des brasilianischen Biodiesels aus Soja, so die Schätzung des Sekretariats zur Agrarenergieproduktion. Doch die Zukunft gehöre nach Meinung der brasilianischen Agentur für Landwirtschaftliche Forschung, Embrapa, der exotischen, aus Afrika stammenden Ölpalme (Elaeis guineensis), denn sie lasse sich besser im feuchttropischen Amazonien anbauen als Soja und verspräche deutlich höhere Energie-Ernteerträge: 5.000 bis 6.000 Liter Biodiesel je Hektar gegenüber nur 800 Liter aus Sojabohnen. Das brasilianische Amazonasgebiet, so die Embrapa besitze das weltweit größte Palmdieselpotential mit schätzungsweise 70 Millionen Hektar potentielle Anbaufläche, zehnmal mal mehr als die gesamten heutigen Ölpalmplantagen Indonesiens. Brasilien könnte jährlich 350 Millionen Kubikmeter Erdöl durch Palmdiesel aus Amazonien ersetzen und 7 Millionen Familien eine Existenz als Palmölproduzent verschaffen. Die in Brasilien Dendê genannte Ölpalme sei ideal für eine "Nachhaltige Entwicklung" Amazoniens.

Bei diesen Zahlenspielen wird beflissentlich die indigene und traditionelle Bevölkerung Amazoniens ignoriert. Das größte Regenwaldgebiet der Erde war noch nie ein "Niemandsland ohne Menschen", das man sich einfach nehmen und wie auch immer "entwickeln" kann. Obwohl die gesamte Amazonasregion wie auch die anderen Ökosysteme- und Kulturlandschaften Brasiliens von indigenen Völkern bewohnt sind, hat die brasilianische Regierung bisher nur einen geringen Anteil als Indianerreservate anerkannt. Der große Rest ist für den Abschuss, sprich der kommerziellen Entwicklung freigegeben.

Derzeit gibt es laut Embrapa bereits in fast allen Amazonasstaaten erste Dendê-Plantagen: in Amazonas, Acre, Amapá, Rondônia, Roraima, Tocantins und vor allem in Pará. Brasiliens Gesamtplantagenfläche von Elaeis guineensis beträgt derzeit über 70.000 Hektar. Der größte Teil davon befindet sich im südostamazonischen Pará in den Distrikten Moju, Acará und Tailândia, Sitz des Agrarriesen Agropalma der zur Bankengruppe Alfa gehört. Die Gruppe Agropalma ist seit Jahren Lateinamerikas größter Palmölproduzent mit 33.000 Hektar eigenen Ölpalmplantagen und zusätzlich 186 unter Vertrag stehenden Bauern mit jeweils etwa 6 bis 12 Hektar Anbaufläche. Das Unternehmen ist gerade dabei die Plantagen um 11.000 Hektar auszuweiten.

Ein Dorn im Auge des Palmölriesen ist seit langem das brasilianische Waldschutzgesetz, der so genannten Código Florestal von 1965. Er legt fest, dass Landbesitzer in Amazonien lediglich 20 Prozent ihres Regenwaldbesitzes legal abholzen dürfen. Der Rest, 80 Prozent, muss als Waldreservat, Reserva Legal genannt, erhalten bleiben. Wird mehr, also illegal abgeholzt, so muss theoretisch eine Strafe bezahlt und mit einheimischen Baumarten wiederaufgeforstet werden.

Agropalmas Direktor Marcello Amaral Brito bezeichnet das Waldschutzgesetz schon lange als ein Investitionshindernis. "Kennen Sie jemanden, der ein Apartment mit fünf Zimmern kauft, aber nur eines Nutzen darf?" Das sei mehr oder weniger die Situation hier in Amazonien, so Direktor Brito 2006 im Journal "O Eco". Gestützt von Bundeslandwirtschaftsminister Reinhold Stephanes passierte im vergangenen Jahr die von der Agrarlobby lang ersehnte Änderung des Código Florestal die Landwirtschaftskommission in Brasilia. Dem erklärten Ziel der brasilianischen Regierung, Amazonien zum Weltgrößten Palmdiesel- und Bioenergieproduzenten zu entwickeln, steht nun kaum noch etwas im Wege. Denn die Änderung setzt nun selbst exotische, für die industrielle Anwendung entwickelte Baumarten wie Ölpalmen aus Afrika oder Eukalyptus aus Australien den einheimischen Arten gleich. Bis zu 30 Prozent der illegal abgeholzten Flächen dürften nach dem neuen Código Florestal unter dem Namen "Wiederaufforstung" für Ölpalm- und Eukalyptusplantagen verwendet werden: Palmöl zur Biodieselproduktion; Eukalyptusholz zur Herstellung von Holzkohle für Amazoniens energiehungrige Stahlindustrie oder künftig auch zur Produktion von Ethanol aus Zellulose. Mit dem neuen Código Florestal, so sein Initiator Senator Flexa Ribeiro aus Pará, "kehrten außerdem die Landbesitzer, die ihren Wald illegal abholzen ließen, zurück in die Legalität und hätten wieder ein Anrecht auf Agrarkredite und staatliche Hilfe."

Agropalma, einer der Hauptprofiteure des neuen Waldschutzgesetztes, hat nicht zufällig seinen Sitz in dem Bezirk Amazoniens mit den seit Jahren größten illegalen Abholzungen, Tailândia in Pará. 70 Prozent der Region ist bereits abgeholzt. Im vergangenen Jahr kündigte Parás Gouverneurin Ana Júlia Carepa an, Tailândia bei der Wiederaufforstung zu helfen - mit Ölpalmen zur Biodieselproduktion!

Das grüne Gold "Palmdiesel" soll künftig aber auch aus dem Herzen Amazoniens fließen. So investiert gerade der malaysische Palmölgigant Felda Palm Industries Dutzende von Millionen Dollar im Herzen Amazoniens. Rund 500 Kilometer von Manaus entfernt, im Distrikt Tefé investiert gerade der malaysische Palmölgigant Felda Palm Industries in die Anlage von insgesamt 100.000 Hektar Ölpalmplantagen. Partner des von der Banco da Amazônica (Basa) cofinanzierten Projekts ist das brasilianische Palmölunternehmen Braspalma. Die erste Plantage mit 20.000 Hektar soll bereits 2009 stehen.

Offiziellen Verlautbarungen der Regierung des Bundesstaates Amazonas zufolge, werde für das brasilianisch-malaysische Palmölprojekt kein Regenwald abgeholzt. Das für die Plantagen vorgesehene Gebiet sei nämlich bereits in den 1980er Jahren kahlgeschlagen worden. Denn schon die damalige Militärdiktatur träumte von einem Ölpalmenmeer in Amazonien. Das von ihr angestrengte und 1984 mit Weltbankgeldern finanzierte Palmölprojekt von Tefé, ausgeführt von der landeseigenen Vorgängerfirma von Braspalma, der Empresa Amazonense de Dendê (Emade), schaffte es damals allerdings gerade mal 1410 Hektar zu pflanzen und wurde neun Jahre später eingestellt.

Norbert Suchanek, Rio de Janeiro




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