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Presse-Stelle:  Dr. Franz Alt Journalist, D-76530 Baden-Baden
Rubrik:Politik & Gesellschaft    Datum: 05.02.2008
"Trauen Sie sich, Frau Ypsilanti!"
Der frühere Fernsehmoderator Franz Alt fordert die hessische SPD-Spitzenkandidatin in einem offenen Brief auf, sich im Landtag zur Wahl zu stellen und eine rot-grüne Minderheitsregierung auf Zeit zu bilden.
© spd-hessen.de
"Liebe Andrea Ypsilanti,


der Wahlausgang zeigt klar: Hessen will und Hessen braucht einen Neuanfang. Und das geht jetzt nur mit Ihnen.

Stellen Sie sich also Anfang April a l l e n frei gewählten Abgeordneten des Landtags zur Wahl. Ihre Chance ist groß - wahrscheinlich größer als sie es jemals werden könnte. Auch in Hessen ist die Zeit reif für die Einsicht von Abgeordneten, dass sie primär ihrem Gewissen und nicht in erster Linie ihrer Partei verantwortlich sind.

Ihre Chance scheint mir so groß wie Adenauers Chance 1949 - er wurde mit einer Stimme Mehrheit gewählt und regierte 14 Jahre. Ihre Chance ist auch so groß wie Willy Brandts Chance beim konstruktiven Misstrauensvotum 1972. Er ging gestärkt daraus hervor.

Ihre Chance ist vor allem deshalb so groß, weil es bei Ihnen nicht um ein Misstrauensvotum geht, sondern um ein Vertrauensvotum. Und das Vertrauen ist auf Ihrer Seite - weit über die SPD und die Grünen hinaus.

Politikerinnen und Politiker mit Mut wissen, dass ihr Geschäft mehr ist als platte Mathematik und mehr als Bedenkenträgerei oder Angst vor der eigenen Partei. Erfolgreiche Politik ist eher mit höherer Mathematik vergleichbar.

In Skandinavien beweisen mutige und konfliktfreudige Politiker seit Jahren, dass auch Minderheitsregierungen regierungsfähig sind. Die Stärke einer rot-grünen Minderheitsregierung wäre Ihre programmatische Glaubwürdigkeit, Frau Ypsilanti, mit der Sie im Wesentlichen die Wahl gewonnen haben.


Das 'skandinavische Modell' ist auch bei Umfragen in Deutschland recht populär. Weit populärer zumindest als die alte klassische Politmauschelei der ewig bedenkenträgerischen Männer in allen Parteien. Dass pragmatische Frauen ohne Feindbilddenken in der Politik erfolgreicher sein können als ideologisierte Männer, zeigt auch Angela Merkels Politikstil. Was Frau Brundtland als norwegischer Ministerpräsidentin mit einer tolerierten Minderheitsregierung möglich war, kann auch Ihnen gelingen.

Der Mut, den Sie beim Erstellen Ihres Programms bewiesen haben, hat Ihren Wählern am 27. Januar Flügel verliehen. Ein 'Wahlwunder' basiert immer auf Vertrauen. Und dieses Vertrauen kann Sie auch Anfang April bei der Wahl im Landtag tragen. Eine andere rationale Interpretation lässt das Wahlergebnis nicht zu.

Ich traue Ihnen den Mut zu, aus dieser Erkenntnis neue Politik ohne alte Feindbilder zu gestalten. Eine neue politische Kultur ist jetzt tatsächlich möglich - durch einen Neuanfang mit Ihnen und eine sich anschließende Neuwahl in ein oder zwei Jahren. Diese Neuwahl können Sie aus der Position der Ministerpräsidentin eher gewinnen als nach einem längeren die Wähler abstoßenden Politchaos.

Ich wünsche Ihnen jetzt den Mut zu diesem Risiko. Das Fünf-Parteien-System bietet neue Gestaltungschancen, die schon Reinhard Höppner in den Neunzigern in Sachsen-Anhalt genutzt hat. Er führte eine rot-grüne Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheiten suchen musste, sie aber auch gefunden hat.

Den Anfang eines neuen Politikstils haben Sie bereits überzeugend praktiziert, wozu ich Ihnen weiterhin Erfolg wünsche.

Ihr Franz Alt"
Quelle:
Erstveröffentlichung in "DIE ZEIT" online



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