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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen u. Trinken    Datum: 09.12.2003
"Go Wild"
Krebsgefahr durch Zuchtlachs - Wildlachs ist gesünder von Norbert Suchanek
Hunderttausende von Menschen könnten an Krebs erkranken, weil sie zuviel Zuchtlachs essen. Dies zeigt eine jüngst veröffentlichte Untersuchung der Environmental Working Group, die in Zuchtlachs aus verschiedenen Ländern extrem hohe Werte an den gesundheitsschädlichen, Polychlorierten Biphenylen (PCBs) gefunden hat. Die US-amerikanische Umweltschutzgruppe rät den Konsument deshalb statt Zuchtlachs, besser Wildlachs zu essen, da dieser sogar noch weniger belastet ist als andere Meeresfische oder Rindfleisch.

PCBs gehören zum sogenannten Dreckigen Dutzend gefährlicher Chemikalien. Sie sind zwar inzwischen verboten, aber belasten noch auf Jahre unsere Umwelt und können sich in den Lebewesen anreichern. Dass dies besonders im Zuchtlachs der Fall ist, liegt in erster Linie am eingesetzten Mastfutter, das vor allem aus zu Pellets gepresstem Fischmehl und Fischöl besteht. Doch aufgrund der allgemeinen Verschmutzung der Meere sind Fischmehl und Fischöl mit PCBs, Dioxinen und Furanen verseucht. Dabei sind, Zahlen der EU zufolge, Erzeugnisse aus europäischen Gewässern achtmal stärker mit diesen Giftstoffen kontaminiert als solche aus südpazifischen Gewässern. Bereits in einem Entwurf einer Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik für den Ausschuss für Fischerei zur Aquakultur in der Europäischen Union war im vergangenen Jahr zu erfahren: "Die Abhängigkeit der Lachszucht von Fischmehl und Fischöl bedeutet, dass Zuchtlachs viermal stärker belastet ist als Wildlachs." Was noch eine vorsichtige Annahme war, wie nun die Ergebnisse aus den USA zeigen. Die Environmental Working Group fand in Zuchtlachsproben aus verschiedenen Ländern durchschnittlich 16 mal mehr gefährliche, Dioxin-ähnliche PCBs als in Wildlachs, vier mal mehr als in Rindfleisch und 3,4 mal mehr als in anderen Meerestieren.

Mehr Omega-3-Fettsäuren im Wildlachs

Dass Wildlachs im Vergleich zu Zuchtlachs und anderen kommerziellen Meeresfischen noch relativ gering mit PCBs belastet ist, liegt in erster Linie an seiner Lebensweise. Zum einen besteht seine Nahrung vor allem aus Krustentieren wie Garnelen und Krebslaich. Fischmehl und Fischöl hingegen stammen von anderen Meereslebewesen wie Sardinen, Sandaale, Sprotten oder Stintdorsche, die in riesigen Mengen von der besonders unökologischen Gammelfischerei gefangen werden. Zum anderen ist der in engen Käfigen gemästete Zuchtlachs im Vergleich zu seinem frei schwimmenden und vor allem Muskelmasse aufbauenden Verwandten regelrecht verfettet. Zahlen der US-Landwirtschaftsbehörde zufolge enthält Zuchtlachs 52 Prozent mehr Fett als Wildlachs. Da sich PCBs vor allem im Fettgewebe anreichern, ist klar, dass fettärmere Fische auch weniger von diesen Giftstoffen enthalten. Der hohe Fettgehalt des Zuchtlachs birgt aber noch einen weiteren gesundheitlichen Nachteil: Denn die Fettzusammensetzung ist anders als beim Wildlachs und enthält 35 Prozent weniger von den gesunden Omega-3-Fettsäuren, die ja zur Zeit bei Gesundheitsbewussten in aller Munde sind.

Zuchtlachs plündert Meere aus

Aber nicht nur der Gesundheit, auch der Meeresökologie mundet der Zuchtlachs nicht. Neben der bereits wissenschaftlich klar nachgewiesenen Meeresverschmutzung durch die Zuchtlachsindustrie – durch Exkremente der Zuchtlachse, überzähliges Futter und chemische Zusätze wie Antibiotika - in den Fjorden Nordeuropas und Nordamerikas und Südchiles führen diese Aquakulturen letztlich zur restlichen Ausplünderung der Meere. Denn um eine Tonne Zuchtlachs zu produzieren, müssen etwa drei Tonnen Fischmehl aus der sogenannten Gammelfischerei zugefüttert werden. Dabei verwenden die Gammelfischer feinmaschige Netze, in denen vor allem kleine und junge Fische landen. "Selbst Jungtiere von Speisefischen wie Kabeljau, Hering oder Scholle werden mitgefangen", kritisiert das Fisch-Informations-Zentrum(FIZ)der deutschen Fischwirtschaft, für das es wissenschaftlich unumstritten ist, dass das Ökosystem Meer durch diese Industriefischerei gestört und geschädigt wird. Schon seit den 1970er Jahren sind deutsche Fischereischiffe auch nicht mehr an dieser Gammelfischerei beteiligt, die heute jährlich etwa 30 Millionen Tonnen Fisch aus den Meeren raubt. Diesen "dreckigen" Job erledigen heute in erster Linie die Schiffe aus Peru, Chile und Dänemark. Zur Rettung der Meere fordert die deutsche Fischwirtschaft weltweite Management- und Kontrollmaßnahmen, wie sie bereits für den Fang von Seefischen zur menschlichen Ernährung gelten, auch für die Gammel- oder Industriefischerei.

Zuchtlachs bedroht Wildlachs und Jobs

Dass "billig" nicht immer nur "geil" ist, erfährt derzeit die traditionelle Lachsfischerei in Nordeuropa und besonders in Nordamerika am eigenen Leib. Viele Lachsfischer mußten bereits aufgeben, andere stehen kurz vor dem Aus: Schuld ist die Zuchtlachsindustrie. Denn das Massenangebot des billigen Zuchtlachses hat die Preise für Lachsprodukte allgemein tief in den Keller gedrückt. Fischer, die mit dem Fang von Wildlachs ihren Lebensunterhalt bestreiten, können heute kaum mehr davon leben. Schließlich ist in den vergangenen zehn Jahren - wie Einzelhandel, Banken oder Chemiekonzernen - ebenso die Fischindustrie ein Opfer der "Fusionitis" und der "Feindlichen Übernahmen" geworden, so dass nur noch wenige multinationale Unternehmen den Fischmarkt beherrschen und die Preise diktieren. Dass durch die Billig-Preistreiberei tausende von Jobs in der Wildlachsfischerei auf dem Spiel stehen, kümmert die "Großen Fische" im Fischgeschäft freilich wenig. Wenn sich die Zuchtlachsindustrie nicht sehr bald grundlegend ändert oder verboten wird, dann werden die Netze der Wildlachsfischer sowieso auf Dauer leer bleiben. Denn aus den nach oben offenen Fischkäfigen entfliehen seit Jahren Tausende von hochgezüchteten Atlantik-Zuchtlachsen und bedrohen - sei es als unnatürliche Paarungspartner oder als Nahrungskonkurrenten und als Krankheitsüberträger - die einheimischen Lachsarten im Pazifik wie im Atlantik. Forscher befürchten, dass damit das gesamte Ökosystem besonders in der Pazifikregion Nordamerikas aus den Fugen geraten kann. Sind doch die verschiedenen Wildlachsarten wichtige Nährstofflieferanten für zahlreiche Tierarten wie Bären und Wölfe und ebenso für die Wälder.

Gen-Lachse warten schon im Labor

Dass sich die Zuchtlachsindustrie von alleine bessert, scheint allerdings kaum zu erwarten zu sein. Schließlich arbeitet sie bereits seit einigen Jahren mit Hochdruck an der Entwicklung genetisch veränderter Lachse. An vorderster Front ist hier die US-amerikanische Firma A/F Protein mit ihrem Tochterunternehmen Aqua Bounty zu nennen, die bereits "Serienreife" Gen-Lachse im Angebot haben. Bisher tummeln sich diese Gen-Fische allerdings nur in den Versuchszuchtbecken. Doch vielleicht schon im nächsten Jahr dürfen die ersten Gen-Lachse, aber auch "Frankenstein-Forellen" und Gen-Buntbarsche, die fünf mal schneller wachsen als ihre natürlichen Verwandten, mit Erlaubnis der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde in Massenproduktion gehen.

Mehrere Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, Friends of the Earth in Schottland oder auch die kanadische David Suzuki Foundation warnen seit Jahren vor der gefährlichen Zuchtlachsindustrie. Aktuell setzt sich der in Hamburg ansässige Arbeitskreis nördliche Urwälder (AKU) - www.naturschatz.org - zusammen mit kanadischen Ureinwohnern gegen eine neue Lachsfarm an Kanadas Westküste bei Ocean Falls ein. Sie bedrohe die Existenz der beiden dort heimischen und stark vom Wildlachs abhängigen Indianerstämme Nuxalk und Heiltsuk. Die Vertreter der Indianerstämme betonen, dass die Zuchtlachsfarm ohne ihre Erlaubnis auf dem Territorium der Nuxalk und Heiltsuk errichtet wird. Konkret handele es sich nicht um eine übliche Lachs-Zuchtanlage, sondern um eine Aufzuchtstation für Junglachse. Mit diesen Junglachsen können reguläre Zuchtfarmen beliefert werden. Und die Kritiker vermuten, dass diese Aufzuchtstation nur den "Brückenkopf" darstellen wird, um in der Region zahlreiche weitere Zuchtstationen zu errichten. "Wir haben der Zuchtfisch-Industrie den Krieg erklärt", zitiert der Arbeitskreis Ed Newman, einen Stammesvertreter der Heiltsuk-Nation. "Sie werden eine Menge von uns ins Gefängnis werden, aber das macht uns nichts. Wir müssen einfach unsere Art zu leben schützen."

Dass man der Zuchtlachsindustrie nicht hilflos ausgeliefert ist, zeigt auch der US-amerikanische Bundesstaat Alaska. Dort sind Zuchtlachsfarmen seit Jahren ausdrücklich verboten, um die einheimischen Wildlachspopulationen und die davon abhängige Fischerei zu schützen. Da sich der ein oder andere aus dem benachbarten British Columbia (Kanada) entflohene Zuchtlachs aber dadurch nicht abschrecken lässt, Alaskas Gewässer zu "betreten", fordern Nordamerikas Umweltschützer und Ureinwohner auch ein Lachsfarmverbot in Kanada und entlang der gesamten Pazifikküste. In Washington und Kalifornien ist zwar bislang die Züchtung von Lachsen noch erlaubt. Die beiden den US-Bundesstaaten haben sich aber wenigstens schon mal für ein Produktionsverbot von Gen-Lachsen durchgerungen.

Alternative Bio-Lachs?

Seit einigen Jahren engagiert sich der deutsche Bio-Anbauverband Naturland auch im Fischgeschäft und bietet als Alternative zum Zuchtlachs den Bio-Lachs an. Dieser stammt nicht aus Wildfängen, sondern ist ein Zuchtlachs, der allerdings unter ökologischeren Bedingungen gemästet wird als seine konventionellen "Brüder". Antibiotika und Chemiecocktails sind beim Naturland-Bio-Lachs tabu. Und aufgrund der vorgeschriebenen, geringeren Besatzdichte haben die Bio-Zuchtlachse mehr Platz, als in den konventionellen Aquakulturen. Für die ansonsten frei-schwimmenden Lachse kann aber auch ein Bio-Käfig kaum als "artgerecht" bezeichnet werden. Problematisch ist ebenso das Futter der Bio-Lachse, da Lachse Raubfische, also Fleischfresser sind benötigen sie tierische Kost. Diese Fleischfresser alternativ nun auf "Vegetarier" umzupolen, ist erstens kaum möglich und zweitens auch nicht gerade im Sinne einer ökologischen und der Art angepassten Tierhaltung - schließlich ist das umgekehrte Experiment, nämlich pflanzenfressende Kühe mittels Tiermehl in Fleischfresser umzuwandeln auch nur auf Kosten der tierischen wie menschlichen Gesundheit gegangen - Stichwort BSE. Im Falle der Bio-Lachse geht Naturland einen Mittelweg, von dem die Zukunft zeigen wird, ob er golden ist. Die Naturlandregeln schreiben vor: "Der Anteil tierischer Futterbestandteile ist soweit wie möglich zu reduzieren bzw. durch pflanzliche Produkte zu ersetzen. Futtermittel dürfen nicht aus konventionell erzeugten Landtieren (Säugetiere, Vögel) gewonnen sein." Das eingesetzte Fischmehl und -öl kann aus nachhaltig zertifizierter Fischerei, aus den Überresten der Speisefischverarbeitung und aus Beifängen der Fischerei auf Speisefische stammen. Bis Ende 2003 darf außerdem 50 Prozent des Fischmehls und Fischöls zur "Qualitätssicherung" aus konventioneller Herkunft zum Mästen des Bio-Lachs eingesetzt werden.

Keine Frage: Der Bio-Lachs ist umweltfreundlicher als der Zuchtlachs. Dennoch wird der Begriff "Bio" in diesem Fall von Naturland ganz schön strapaziert, was übrigens genauso auf die Naturland-Bio-Zuchtgarnelen aus den Tropen zutrifft. Der ostbayerische Bio-Bauer und Teichwirt Toni Hess fürchtet deshalb, daß durch die ökologisch zweifelhaften Bio-Lachse und Bio-Garnelen die gesamte ökologische Landwirtschaft an Glaubwürdigkeit verlieren könnte. Ähnlich sieht es mit den bei deutschen beliebten Forellen aus, die wie die Lachse Raubfische sind, zu den Salmoniden zählen und tierische Proteine brauchen. Lange Zeit setzte die konventionelle Fischwirtschaft neben Fischmehl auch Blutmehl von Schweinen als Forellenfutter ein. Aus Angst vor BSE ist dies seit Dezember 2000 verboten, so dass nur noch Fischmehl und Fischöl gefüttert werden dürfen. Daß das Futter von Zucht-Forellen und Zucht-Lachsen mit pflanzlichen Rohstoffen gestreckt werden kann, ist übrigens erst dank neuer, industrieller Herstellungsverfahren möglich. Denn die pflanzlichen Kohlenhydrate werden erst nach dem sogenannten Extrudieren, dem Aufschließen unter Hitze und Druck, für die Salmoniden gut verdaulich.

Süßwasserfische aus dem Bio-Teich

Statt auf Raubfische setzt andere ökologische Teichwirte auf die unproblematischen, weil natürlich auch Pflanzen fressenden Karpfen. "Sie sind für eine ökologische Betriebsweise hervorragend geeignet, da sie sich aufgrund ihrer Ernährungsweise problemlos in ein System flächengebundener Produktion einfügen", schreibt Toni Hess in der Fachzeitschrift BioNachrichten. In ausreichend großen Teichen ernähren sich die Karpfen von Plankton und Bodentieren. Nur ökologisch erzeugtes Getreide darf zugefüttert werden. Karpfen bevorzugt auch der größte ökologische Anbauverband Deutschlands, Bioland.

Ende 2002 kam der erste Bioland-Karpfen auf den Markt. Die Öko-Zertifizierung von gezüchteten Raubfischen oder Salmoniden, wie Lachs oder Forellen sieht Bioland gleichfalls kritisch. "Für Lachs und Forelle brauchen wir tierisches Futter, um sie Bioland-zertifizieren zu können, und so lange es noch keine ökozertifizierte Seefischerei gibt, steht für diese Tierarten kein ökologisches Futtermittel zur Verfügung; und so lange wird es keinen Bioland-Lachs und auch keine Bioland-Forellen geben", so die Geschäftsführerin Carola Ketelhodt von Bioland in Schleswig-Holstein.

Nichtsdestotrotz scheint die Bundesministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft, Renate Künast, eher auf die problematische Züchtung der Salmoniden im Bio-Bereich zu setzen. Anfang 2003 zeichnete Renate Künast nämlich gerade die Bergische Fischzuchtanstalt Rameil mit dem Förderpreis des Ökologischen Landbaus aus, "weil sie Pionierarbeit zur Weiterentwicklung der EG-Öko-Verordnung im Bereich ökologische Salmonidenzucht leistet." Seit dem Jahr 2000 züchtet der Betrieb nach Richtlinien des Naturland-Verbandes zertifizierte Öko-Forellen und vermarktet sie über die eigens entwickelte Marke "Teichgut". Laut Pressemitteilung aus dem Hause Künast, erfolge die Fütterung der Forellen mit einem selbst entwickelten Futter, das zu einer Hälfte aus pflanzlichen Rohstoffen ökologischer Herkunft besteht. Die andere Hälfte werde aus Fischmehl hergestellt, das ausschließlich der Speisefisch-Verarbeitung entstammt.

Schon einige Jahre länger als in Rameil engagiert sich in Bayern die Fischzucht Wasserwiesen bei Rosenheim in der biologischen Aufzucht von Süßwasserfischen. Den ersten deutschen Öko-Karpfen züchtete Wasserwiesen nämlich bereits 1994 nach Naturland-Richtlinien. In Wasserwiesen werden seitdem auch andere Speisefische wie Schleie, Waller, Hecht und Graskarpfen nach biologischen Gesichtspunkten gezüchtet.


Weitere Infos:

- Environmental Working Group - www.ewg.org/reports/farmedPCBs/
- David Suzuki Foundation - www.davidsuzuki.org/Oceans/
- Coastal Alliance for Aquaculture Reform - www.farmedanddangerous.org/
- Sustainable Fisheries Society - www.sfsfishfirst.org



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