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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen u. Trinken    Datum: 20.11.2003
Kein Gen-Brot für die Welt!
Wieso wollen deutsche Politiker die Welt mit Gen-Food füttern? Von Norbert Suchanek
Das sind die Fakten: Über 800 Millionen hungern. Täglich sterben 25.000 Menschen an Hunger. Die meisten hungernden Menschen gibt es in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. Doch auch etwa elf Millionen Menschen hungern in den reichen Industriestaaten. Trotz großer Überschüsse an industriell hergestellter Nahrung in den Industrieländern und trotz des Vordringens der Agroindustrie in die Länder der "Dritten Welt" ist der Hunger nicht aus der Welt.

Nun will diese auf Mechanisierung und Entmenschlichung der Landwirtschaft setzende Agroindustrie, die Millionen von Menschen in Asien, Lateinamerika und Afrika um Land, Arbeit und Existenz gebracht und damit erst zu Hungernden gemacht hat, den Hunger mit Hilfe genetisch manipulierter Lebewesen beseitigen. Die aus der Agrochemie hervorgegangenen Gen-Saatgutkonzerne nehmen rücksichtslos die mitverschuldete Tragödie des weltweiten Hungers als Argument für die schnellstmögliche Verbreitung von Gen-Food. Doch das, was der auf Monokulturen setzenden Agroindustrie mit Chemie und hohem Erdöleinsatz nicht gelungen ist, wird genauso wenig mit der sogenannten Grünen Gentechnik gelingen. Ganz einfach, weil schon der Ansatz falsch ist.

Auch die kirchlichen Hilfswerke "Brot für die Welt" und Misereor haben der Argumentation, die Gentechnologie diene zur Sicherung der Welternährung, vor kurzem klar eine Absage erteilt. Der Hunger vieler Menschen werde nur zum Vorwand genommen wird, um die Risikotechnologie in Europa zu fördern, kritisieren sie. Hunger sei nicht die Folge geringer Produktivität, sondern von ungerechter Verteilung von Reichtum, von Kriegen oder Misswirtschaft, betonen die Hilfsorganisationen der Kirche. Sie widersprechen damit auch deutlich den angeblich christlichen Parteien CDU und CSU, die in Deutschland die glühendsten Kreuzritter für den Einsatz der eher unchristlichen, Grünen Gentechnik sind. Die große Mehrheit der Europäer und auch die große Mehrheit der CDU/CSU-Anhänger will von Gen-Food auf dem Teller nichts wissen. Und dennoch lässt sich die CDU/CSU-Fraktion vor den Karren der Gen-Konzerne spannen, um mit deren scheinheiligen Hungerargumentation die Förderung der Gentechnologie in der Landwirtschaft einzufordern. "Die CDU/CSU-Fraktion geht in ihrem Antrag davon aus, dass sich mit mehr Produktivität der europäischen Landwirtschaft durch Gentechnik die Ernährungsprobleme in den armen Ländern des Südens lösen lassen", kritisieren Misereor und Brot für die Welt. Dabei seien gerade die Überschüsse der industriellen Landwirtschaften, die zu Dumping-Preisen auf dem Weltmarkt verkauft werden, eine wesentliche Ursache des Hungers in der restlichen Welt. Ebenso lehnt die Deutsche Welthungerhilfe es ab, den Bauch der Hungernden in den Ländern des Ostens und Südens mit Gen-Food zu füllen, was allerdings immer wieder von der Hilfsorganisation der US-Regierung, US-Aid, versucht wird.
Aber es sind nur nicht US-Aid oder CDU und CSU, die Gentechnik begeistert sind. Auch FDP und SPD lassen sich allzu gern für die Belange der Gen-Industrie einspannen.

Dabei gibt es längst wissenschaftliche Studien, die die Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit der Grünen Gentechnik und ihre Nutzlosigkeit im Kampf gegen den Hunger beweisen. So präsentierte die Umweltorganisation Greenpeace parallel zum vergangenen Welternährungsgipfel die Studie "Record Harvest - Record Hunger", in der die Autoren am Beispiel von Argentinien belegen, dass genmanipulierte Nutzpflanzen den Hunger nicht lindern. So ist das südliche Nachbarland Brasiliens seit der Zulassung von Genpflanzen 1996 nach den USA zum zweitgrößten Gensoja-Produzenten weltweit aufgestiegen, wovon das meiste als Tierfutter endet. Die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung Argentiniens indes habe sich, so die Studie, im selben Zeitraum dramatisch verschlechtert.

Ein an Deutlichkeit nicht zu überbietendes Plädoyer für eine gentechnikfreie, biologische Landwirtschaft in der Welt ist die Studie "The Case For A GM-Free Sustainable World", verfasst von einem unabhängigen Forscherteam, dem Independent Science Panel (indsp). "Unsere umfassende Überprüfung der Erkenntnisse hat uns darin bestärkt", schreibt das indsp, "dass genmanipulierte Pflanzen (GM-Pflanzen) weder benötigt noch erwünscht sind, dass sie es versäumt haben, die Versprechungen zu erfüllen, und im Gegensatz dazu, eskalierende Probleme in der Landwirtschaft aufwerfen. Es besteht keine realistische Chance, dass Gentechnik und konventioneller Anbau in der Landwirtschaft koexistieren können." Dies habe schon allein das hohe Ausmaß und die Ausdehnung der transgenen Kontamination der Umwelt bewiesen, die bisher schon in den Gen-Anbauländern und selbst in einem Land wie Mexiko, wo seit 1998 ein offizielles Gen-Moratorium herrscht, aufgetreten sei.

Für das Forscherteam sind GM-Pflanzen schlichtweg inakzeptabel, da sie keineswegs sicher seien. "Sie wurden ohne die notwendigen Sicherheits-Richtlinien und Sicherheits-Abschätzungen eingeführt, und zwar durch ein zutiefst fehlerhaftes Regulations-System, das auf dem Prinzip der ‘wesentlichen Gleichwertigkeit’ basiert", kritisieren die Forscher. Die Regeln zielten stärker auf eine beschleunigte Zulassung als auf eine seriöse Sicherheits- Abschätzung.


Das indsp widerlegt insbesondere die Behauptung, dass nur mit Gen-Food die Welt ernährt werden könnte. Nicht die Grüne Gentechnik, sondern eine nachhaltige, vielfältige und biologische Landwirtschaft habe das größte Potential den Hunger in der Welt zu beseitigen. Dies gelte besonders für das noch in vielen Ländern des Südens vorhandene Wissen indigener Bevölkerungen, die unabhängig von irgendwelchen Bio-Anbauverbänden bis heute eine traditionell biologische Landwirtschaft pflegen. "Nicht-zertifizierte organische Landwirtschaft, von Millionen indigener Menschen, Bauern und kleinen Familiengetrieben praktiziert, tragen signifikant zur regionalen Sicherheit von Nahrungsmitteln bei: in Lateinamerika zeichnen sie für mehr als 50% des produzierten Mais, der Bohnen, Maniok und Kartoffeln verantwortlich; in Afrika, für die meisten Getreide, Wurzel- und Knollengewächse; in Asien für den meisten Reis", schreibt das Forscherteam.
Der indsp-Bericht führt Fallstudien aus Indien, Brasilien, Iran, Thailand und Uganda auf, die zeigen wie das traditionelle Wissen, Innovation und agro-ökologische Ansätze nachweisbare Vorteile erbracht haben: gestiegene Produktivität, bessere Gesundheit der Umwelt und Fruchtbarkeit des Boden, verbesserte Biodiversität, ökonomische Vorteile, Lebensmittelsicherheit, verstärkte soziale Bindungen innerhalb von Gemeinschaften, und Wiederbelebung von Praktiken der traditionellen, zukunftsfähigen Landwirtschaft." Diese agro-ökologische Landwirtschaft und nicht die Grüne Gentechnik gilt es zu fördern, wollen wir den Hunger in der Welt wirklich beseitigen.

Doch stattdessen wollen uns in Deutschland die Abgeordneten der CDU/CSU weismachen, "dass der Verzicht auf die Grüne Gentechnik im globalen Kontext potenziell großen Schaden anrichten kann." An vorderster Stelle der Gen-Food-Begeisterten Parlamentarier steht der agrarpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Albert Deß, der ohne auf die Bedenken der christlichen Hilfsorganisationen einzugehen, skrupellos das Hunger-Credo der Gen-Industrie im Bundestag nachbetet: "Ein Mittel zur Hungerbekämpfung stellt ohne Zweifel der Einsatz der grünen Gentechnik zur Produktivitätssteigerung in den Entwicklungsländern dar." Und für die glühende Gen-Food-Befürworterin, die CDU-Europaabgeordnete Hedwig Keppelhoff-Wiecher, ist sogar es "eine moralische Verpflichtung" die wachsende Weltbevölkerung mit Gen-Food abzuspeisen und weil dies die Bevölkerung endlich kapieren solle, fordert sie "verstärkte Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit nicht zuletzt der Unternehmen, um ein Umdenken bei der grünen Gentechnik zu bewirken."

Die entscheidende Frage, die sich heute stellt, lautet längst nicht mehr, will und braucht die Menschheit die Grüne Gentechnik oder nicht. Diese Frage ist klar von Wissenschaftlern und Bevölkerungen beantwortet. Die meisten Menschen wollen kein Gen-Food und brauchen es auch nicht. Die entscheidende Frage lautet, warum setzen sich Politiker von CDU, CSU, SPD und FDP über den Willen der Bevölkerung hinweg für die Gen-Manipulation in der Landwirtschaft ein? Warum lassen sie sich von den Gen-Konzernen wie in einem "Kreuzzug" für Gen-Food einspannen, obwohl zahlreiche kritische Wissenschaftler immer wieder auf die Gefährlichkeit dieser Technologie hinweisen und obwohl auch renommierte, kirchliche Organisationen wie Brot für die Welt und Misereor nichts von Genfood als universelles Welthungerbeseitigungsinstrument halten. Warum nur machen sich männliche wie weibliche Politiker zum Handlanger internationaler Gentech-Konzerne und einer kleinen Gentechnik begeisterten Minderheit?


Info:
Die Studie "The Case For A GM-Free Sustainable World" wurde vergangenen Juni vom Institute of Science in Society zusammen mit dem Third World Network veröffentlicht und ist im Original nachzulesen im Internet unter www.indsp.org sowie übersetzt unter www.bukoagrar.de.

"208 Rezepte gegen den Hunger", zusammengestellt von Greenpeace, unter www.greenpeace.de, Email: ulrike.brendel@greenpeace.de



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