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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Gesundheit    Datum: 06.10.2003
Braucht man's oder braucht man's nicht?
Nahrungsergänzungsmittel - ein kontroverses Thema Von Norbert Suchanek
Multivitamintabletten, Algenpräparate, Karotinkapseln und Co. - der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt und wird ständig angeheizt. "Jeder ist selbst verantwortlich! Geben Sie sich täglich die Chance auf eine bessere Nährstoffversorgung, mehr Energie, mehr Lebensfreude und mehr Wellness. Sichern Sie sich Ihren biologischen Zellvorsprung - jetzt!" So wird beispielsweise im Internet für Nahrungsergänzungsmittel geworben. Viele wollen daran verdienen. Die Pharmakonzerne mit ihren Vitaminen aus der Retorte genauso wie die Naturkostbranche. Doch braucht man die Kapseln und Pülverchen oder die mit den Segnungen der Chemiebranche aufgepeppten Industrielebensmittel wirklich? Oder sind sie nicht eher eine Last sowohl für den Geldbeutel wie für die Gesundheit? Die Meinungen gehen weit auseinander.

Schon bei der Definition darüber, was Nahrungsergänzungsmittel sind, gibt es Unstimmigkeiten. Denn der Begriff "Nahrungsergänzungsmittel" ist nicht gesetzlich definiert oder gar geschützt. Auch fehlen einheitlichen Kriterien der Dosierung und Zusammensetzung. Im Prinzip können die Firmen so ziemlich alles als Nahrungsergänzungsmittel anbieten, was sich irgendwie einnehmen und vermarkten lässt. "Jeder, der eine Gewerbeerlaubnis hat, kann Nahrungsergänzungsmittel herstellen. Qualitäts- oder Wirksamkeitsnachweise werden nicht verlangt", kritisiert die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK). Eine mögliche Definition für Nahrungsergänzungsmittel gibt beispielsweise das Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg. "Bei Nahrungsergänzungsmitteln oder Nahrungsergänzungen handelt es sich um Produkte, die die Nahrung mit genau definierten Stoffen anreichern sollen, z. B. Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Pflanzen und Kräuterextrakte und Enzyme. Typische Angebote für Nahrungsergänzungsmittel sind Tabletten, Kapseln, Tropfen, Kaubonbons, Ampullen." Dabei ist das Ministerium genauso wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) der Meinung, dass man alle diese Produkte im Grunde nicht braucht. "Als wissenschaftlich erwiesen gilt, dass bei einer ausgewogenen Ernährung eine zusätzliche Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln in der Regel nicht erforderlich ist", schreibt das Ministerium. Trotzdem werde den Verbrauchern suggeriert, dass die heutige Ernährung ergänzungsbedürftig sei, kritisiert das Ministerium die Branche: "Obwohl die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Lebensmittel noch nie so groß war wie heute, werden beim Bürger Ängste geschürt, dass auf Grund veränderter Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen Defizite bei der täglichen Nahrungsaufnahme vorhanden wären, die ausgeglichen werden müssten." So sieht es ebenso Bundesverbraucherministerin Renate Künast. "Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung."

Immer wieder taucht die Behauptung auf, dass unsere Böden immer weniger Nährstoffe enthalten und daher die Qualität der Nahrungsmittel abnimmt. So heißt es im aktuellen Eco-World-Magazin: "Obst und Gemüse enthalten heute erheblich weniger Nährstoffe als vor 30 Jahren." Doch diese "Panikmache" ist nicht nur nach Ansicht des Vereins für Konsumentinformation "eine Falschmeldung, die von Geschäftemachern propagiert wird, die ihre Vitamin- und Mineralstoffpillen absetzen wollen." Nach Ansicht der in Österreich ansässigen Verbraucherorganisation gebe es keine wissenschaftlichen Hinweise, dass der Nährstoffgehalt der Böden tatsächlich abnehme. Nährstoffmangel komme meist von falscher oder unzureichender Kost. Wobei das Hauptproblem aber nicht der Vitaminmangel, sondern die Überversorgung mit Fett und Zucker sei. Diese Meinung vertreten auch die deutschen Verbraucherzentralen.

Jüngste Meldungen der medizinischen Fachpresse warnen sogar vor der Einnahme mancher Nahrungsergänzungsmittel, da diese gefährlich seien und zu unerwünschten Nebenwirkungen führen könne. Vergangenen Mai berichtete das Deutsche Ärzteblatt von einer Studie aus den USA, wo schätzungsweise schon 29 000 verschiedene Nährungsergänzungsprodukte auf dem Markt sind. Ergebnis der Studie mit Daten aus 11 Giftzentralen in den USA: Bei 1 466 Personen, die solche Präparate eingenommen hatten, waren in 784 Fällen Beschwerden aufgetreten. "Bei 489 dieser Fälle führten die Wissenschaftler die Symptome auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zurück", schreibt das Ärzteblatt. Diese teilweise ernsthaften Nebenwirkungen reichten von Leberversagen bis zu Blutungen und auch Todesfälle seien vorgekommen.

Allen diesen Risiken und kritischen Meinungen zum Trotz greifen die Menschen in den Industriestaaten aber in zunehmender Weise zu diesen Produkten. Jeder dritte Deutsche konsumiere, so eine Studie der DAK, Nahrungsergänzungsmittel und gibt dafür inzwischen durchschnittlich 300 Euro pro Jahr aus. "Laut Brandenburger Ernährungs- und Krebsstudie kaufen diese Präparate hauptsächlich die Menschen, die sich sowieso gesund ernähren und sie also am allerwenigsten brauchen", schreibt de DAK weiter. Dabei greifen Frauen häufiger zu Nahrungsergänzungsmitteln als Männer. Die Konsumenten dieser Produkte erhoffen sich die verschiedensten Wirkungen. In erster Linie stehen hier die Begriffe "Schönheit", "Jugend", "Fitness", "Gesundheit", "Abnehmen", "Anti-aging". Manche Verbraucher versuchen außerdem durch Nahrungsergänzungsmittel ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil sie sich vor allem mit im vergleich zu Bio-Produkten minderwertigen Nahrungsmitteln aus der industriellen Landwirtschaft und aus den "Giftküchen" der Lebensmittelkonzerne ernähren. Schließlich sollen einige Nahrungsergänzungsmittel, nach Meinung der Anbieter, gegen immer häufiger auftretende Krankheiten wie Krebs, Rheuma oder Allergien helfen. Doch laut Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) dürfen Nahrungsergänzungsmittel genauso wie andere Lebensmittel ausdrücklich nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen für sich werben. Nur Arzneimittel, die in klinischen Studien auf Wirkung, Nebenwirkung und Unbedenklichkeit geprüft sind, dürfen in dieser Weise für sich werben. Aber genau diese Prüfungen müssen Nahrungsergänzungsmittel nicht durchlaufen, weshalb auch Pharmakonzerne manchmal ihre neuen, kaum geprüften Erfindungen als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt werfen, um die teueren Arzneimittel-Prüfungen zu umgehen.

Bio-Nahrungsergänzungsmittel der Naturkostbranche

Es wäre sicherlich unfair Nahrungsergänzungsmittelhersteller der Naturkostbranche mit der Pharmaindustrie in einen Topf zu werfen. Beide Produzentengruppen werben zwar um dieselben Kunden und oft mit ähnlichen Werbesprüchen und Argumenten. Die teilweise aus Bio-Anbau stammenden Produkte der Naturkostbranche sind freilich andere. Der Markt dieser sogenannten Bio-Nahrungsergänzungsmittel ist allerdings gleichfalls groß, fängt bei Algenpulver an und hört bei getrocknetem Papaya-Kraut noch lange nicht auf. Eines haben sie gemeinsam: Sie sind keine isolierten Wirkstoffe, wie sie die Pharmaindustrie anbietet.

"Es ist ein großer Unterschied ob man synthetische und isolierte Vitamine & Nährstoffe zu sich nimmt oder natürliche, unbehandelte, ganzheitliche 'konzentrierte' Lebensmittel als Nahrungsergänzung wählt. Unser intelligenter Körper kann natürliche Nährstoffe im organischen Verbund wesentlich besser aufnehmen und verwerten als künstlich hergestellte Laborpräparate, die teilweise den Körper auch belasten können wie z.B. durch Übersäuerung bei Ascorbinsäure-Präparaten", argumentiert beispielsweise ein Anbieter von im Naturkostladen häufig zu findenden Spirulina-Produkten. Die getrocknet in Pulverform angebotene Mikroalge "Spirulina platensis" gilt als sehr reich an Vitaminen und sogenannten Vitalstoffen. Wie in einem Bericht der Zeitschrift Naturheilpraxis nachzulesen, solle die Alge eine "stark harmonisierende Wirkung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden" des Menschen haben. Schon nach kurzzeitigem Verzehr von Spirulina platensis Mikroalgen-Pulver zeige sich ein deutlich positiver Einfluß auf den gesamten menschlichen Organismus und das Immunsystem.

Generell soll das Algenpulver wie die verschiedenen, anderen Bio-Nahrungsergänzungsmittel in erster Linie dem Körper wichtige Vitalstoffe zuführen, die in der "normalen" Ernährung nicht mehr ausreichend vorhanden seinen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, scheint aber noch eine Glaubensfrage zu sein. In ganz bestimmten Fällen könnte die Einnahme mancher Pillen und Präparate allerdings durchaus geboten sein, meint die DGE und rät: "Lediglich für Risikogruppen mit erhöhtem Bedarf, wie Schwangere, Hochleistungssportler, Raucher oder Personen mit starkem Alkoholkonsum sowie Senioren, die sich einseitig oder unzureichend ernähren, kann eine Nahrungsergänzung sinnvoll sein. Diese Personengruppen sollten jedoch nicht ohne ärztliche Anweisung zu Präparaten greifen."


Lesetip:

Nahrungsergänzungsmittel - Sinnvoll oder überflüssig?
Eine Broschüre der Verbraucher für unbelastete Nahrung e.V. - VuN, Bundesgeschäftsstelle Kiel mit Labor
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