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Als ernstzunehmendes gesundheitliches Risiko bezeichnete der Toxikologe Dr. Josef Schlatter die Acrylamidbelastung von Lebensmitteln. "Auch wenn der Verbraucher mit diesem Risiko möglicherweise seit Jahrzehnten gelebt hat", so Schlatter auf der Informationsveranstaltung des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), müsse man die Gehalte zum Schutz des Verbrauchers schnellstmöglich reduzieren. An der Veranstaltung unter dem Titel "Acrylamid - ernstes Problem oder überschätzte Gefahr", die am 29. August 2002 in Berlin stattfand, nahmen mehr als 200 in- und ausländische Vertreter aus Politik, Behörden, Verbraucherschutzeinrichtungen, Wissenschaft und Industrie teil. Aus den Beiträgen wurde deutlich, dass die Lösung des Problems sicherlich noch einige Zeit beanspruchen wird, dass es aber schon erste erfolgversprechende Ansätze zur Senkung der Gehalte gibt. Pommes Frites und Chips können stark belastet sein Die Daten zur Belastung von Lebensmitteln des deutschen Marktes mit Acrylamid, die die Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorstellte, unterstreichen, dass Pommes Frites (bis 3920 µg/kg) und Chips (bis 3680 µg/kg) zu den am höchsten belasteten Produktgruppen gehören. Acrylamid wurde (zum Teil in deutlich niedrigeren Mengen) aber auch in vorgerösteten Frühstückscerealien, Gebäck und anderen Knabberartikeln sowie weiteren stärkehaltigen und unter hohen Temperaturen hergestellten Lebensmitteln nachgewiesen. Bei den Backwaren wiesen Brot und Brötchen relativ niedrige Werte auf, wobei die höchsten Gehalte in der Brotkruste zu finden waren, während die Krume fast kein Acrylamid aufwies. Eine Ausnahme bildet Knäcke-Brot. Hier waren sowohl sehr hohe als auch niedrige Gehalte in verschiedenen Proben zu finden. Wenig gerösteter Toast enthielt 50 µg/kg, während eine stärkere Röstung den Gehalt auf 100-380 µg/kg ansteigen läßt. Untersuchungen von Kaffee (Pulver und Aufguss) ergaben sehr unterschiedliche Werte (bis 490 µg/kg Kaffeepulver und bis zu 4 µg Acrylamid je Tasse Kaffee). Die Werte schwanken zum Teil erheblich zwischen den Chargen und zwischen Produkten verschiedener Hersteller, z.B. bei Pommes Frites und Chips von Werten unter 60 µg/kg bis zu den genannten Höchstwerten. In Fleisch-, Obst- und Gemüseproben wurde bisher kein Acrylamid gefunden. Einflußfaktoren der Acrylamidbildung Viele offene Fragen gibt es noch immer zur Entstehung von Acrylamid. Der Stoff entsteht bei der Herstellung von stärkehaltigen Lebensmitteln. Auch ein stickstoffhaltiger Reaktionspartners muss vorhanden sein. Temperatur, Erhitzungsdauer, Trockenheitsgrad, die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und bei Kartoffeln auch Sorte und Lagerbedingungen scheinen dabei neben möglichen weiteren Faktoren eine Rolle zu spielen. So gibt es Hinweise, dass bei Temperaturen über 175 Grad Celsius abhängig von der Frittierzeit der Gehalt an Acrylamid in den Kartoffelprodukten zunimmt. Es zeigte sich, dass vor allem in Produkten, bei denen durch die Temperaturbelastung der Wassergehalt weitestgehend reduziert worden ist, besonders hohe Acrylamidgehalte entstehen können. Sobald der Einfluss dieser Faktoren abgesichert ist, können hieraus technische Änderungen für die Herstellungsprozesse industriell gefertigter Produkte abgeleitet werden. Auch im privaten Haushalt kann die risikoreiche Substanz beim Frittieren, Braten, Rösten oder Backen in kritischen Mengen entstehen. Die Bedeutung einzelner Entstehungsfaktoren muss vorrangig abgeklärt werden, um dem Verbraucher die Möglichkeit an die Hand zu geben, in der eigenen Küche hohe Acrylamidgehalte zu vermeiden. Gleiches gilt für Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Gesundheitsgefahren durch Acrylamid Acrylamid ist gut wasserlöslich, wird vom Körper gut aufgenommen und darin schnell und gleichmäßig verteilt. In hohen Dosen wirkt es neurotoxisch. Für diese Wirkung ist ein NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) festgestellt worden, der bei 0,5 mg je kg Körpergewicht und Tag liegt. Die derzeitige durchschnittliche Belastung des Verbrauchers mit Acrylamid über Lebensmittel liegt in Europa mit geschätzten 0,3-0,8 µg/kg KG pro Tag etwa um einen Faktor 1000 unter dem NOAEL für die Neurotoxizität als dem empfindlichsten Parameter. Die Gremien der World Health Organisation (WHO) und andere internationale Gremien haben Acrylamid jedoch als genotoxische und wahrscheinlich für den Menschen karzinogene Substanz eingestuft, für die kein Schwellenwert angegeben werden kann. Das tatsächliche zusätzliche Krebsrisiko der Bevölkerung durch die Aufnahme von Acrylamid über Lebensmittel ist auf Basis der derzeit vorliegenden Daten nicht abzuschätzen. Im Vergleich zu anderen karzinogenen Substanzen in Lebensmitteln, für die, wie im Fall der Aflatoxine, bereits gesetzliche Regelungen getroffen wurden, besteht beim Acrylamid in Lebensmitteln dringender Handlungsbedarf zur Minimierung. Ein Vergleichswert für die Risikoabschätzung ist hier die MOE (Margin of Exposure). Die MOE errechnet sich, indem man die Dosis, die bei Tieren zu Tumoren führt, durch die Aufnahmemenge des Menschen teilt. Je größer die MOE, desto günstiger ist demnach die Risikosituation. Im Fall des Acrylamids liegt die MOE bei 1000. Im Vergleich dazu wird für Aflatoxine und flüchtige Nitrosamine ein Wert von 100.000 erreicht, für Nitrofurane liegt die MOE bei 1.000.000. Beim Acrylamid ist hier die Situation um einen Faktor 100 ungünstiger als bei den Aflatoxinen oder um einen Faktor 1000 gegenüber den Nitrofuranen. Die Belastung des Menschen erfolgt neben der Aufnahme über die Nahrung auch durch Produkte aus Polyacrylamid, die noch Spuren des Monomeren enthalten können. Dazu zählen: Verpackungsmaterialien aus Polyacrylamid, kosmetische Mittel,die bis zu 2 % Polyacrylamid enthalten können,Papier und Pappe, bei denen Polyacrylamid als Bindemittel benutzt wird, Polyacrylamid als Bestandteil von Farben und Pigmenten,Polyacrylamid, das als Flockungsmittel in der Trinkwasser- und Abwasserbehandlung eingesetzt wird. Die wichtigste Quelle der Belastung des Menschen aus Polymeren auf der Basis von Acrylamid sind kosmetische Mittel. So beträgt die geschätzte dermale Exposition bei kosmetischen Mitteln, die auf der Haut verbleiben, laut einem europäischen Bericht täglich 65 µg, bei anderen kosmetischen Mitteln sind es ca. 2,5 µg täglich. Über das Trinkwasser nimmt der Verbraucher, wenn er täglich zwei Liter Wasser trinkt, unter ungünstigsten Umständen maximal ca. 0, 25 µg auf. Am Arbeitsplatz sind Belastungsquellen die Kunststoffherstellung, die Verwendung von Dichtmassen, Dichtmörteln, Vergussmaterialien und Fugenkitten auf der Basis von Acrylamid. Ein Problem mit Dichtmassen beim Tunnelbau in Schweden im Jahre 1997 führte zu Untersuchungen von Arbeitern, die gegenüber Acrylamid in hoher Dosis exponiert waren. Bei Vergleichsuntersuchungen stellte sich heraus, dass nicht nur die belasteten Arbeiter, sondern auch die Kontrollgruppe Acrylamidaddukte im Blut aufwies. Bei der Suche nach den Quellen für diese Hintergrundbelastung stieß eine schwedische Forschergruppe auf den bisher nicht bekannten Belastungspfad Lebensmittel. Mehr Informationen und Empfehlungen für die Verbraucher Bessere Informationen für die Bürger forderten die Verbraucherschützer. "Der Verbraucher", so die Vertreterin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Michel-Drees, könne nicht warten, bis das Acrylamid-Problem gelöst sei. Er habe schon heute einen Anspruch auf umfassende Information. Michel-Drees appellierte an die Hersteller, ihrer diesbezüglichen Verantwortung stärker als bisher nachzukommen und die Belastung der Lebensmittel mit Acrylamid für den Verbraucher transparent zu gestalten. Bevor es neue Erkenntnisse und Verfahren gibt, besteht weiterhin die Empfehlung, Pommes Frites, Kartoffelchips, Kräcker, Knäckebrot nur selten oder gar nicht zu verzehren und stärkereiche Lebensmittel im Haushalt möglichst nicht zu stark braten, frittieren, rösten und toasten, um die Aufnahme von Acrylamid einzuschränken. Ein ausführlicher Bericht über die Informationsveranstaltung des BgVV ist unter www.bgvv.de (Menupunkt Veranstaltungen) zu finden. Dort kann auch ein Großteil der Präsentationen sowie die vorgestellten Daten aus Deutschland eingesehen werden. Dr. Cornelia Voß, Wissenschaftsladen Bonn e.V.
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