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Presse-Stelle:  Bündnis 90/ Die Grünen Bundesvorstand, D-10115 Berlin
Rubrik:Bildung    Datum: 04.12.2001
Die Pisa-Studie kann ein heilsamer Schock sein
Reinhard Loske, bildungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, und Niombo Lomba, Mitglied im Bundesvorstand erklären:

Die Tatsache, dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich nur
noch als Mittelmaß gelten können, sollte uns alle aufrütteln. Wir
brauchen jetzt eine ernsthafte Debatte über die Ursachen der Misere
und darüber, wie unsere Schulen wieder besser werden können. Auf
dieser Grundlage sind dann innerhalb von ein bis zwei Jahren klare
Ziele zu formulieren und schrittweise umzusetzen - qualitative
(Lehrerausbildung, Lernformen und -inhalte), quantitative
(Bildungsinvestitionen, Stellenanzahl und Leistungsbesoldung) und
zeitliche Ziele (angestrebter Zeitpunkt der Zielerreichung).

Die Kultusministerkonferenz muss endlich ihre gesamtstaatliche
Verantwortung erkennen und wahrnehmen. Der Bund muss in dieser
Diskussion eine aktive Rolle einnehmen und hat, etwa bei der
Einführung einer leistungsbezogenen Lehrerbesoldung, auch
gesetzgeberische Kompetenz.

Von allergrößter Bedeutung ist nun, dass die Diskussion über die
Zukunft unserer Schulen keine Expertendiskussion zwischen
Bildungsplanern und Bildungspolitikern bleibt, sondern in die
Familien, Schulen und Betriebe hinein getragen wird. Den Kampf
zwischen dreigliedrigem Schulsystem und Gesamtschule wieder aufleben
zu lassen, trägt ebenso wenig zu einer Lösung bei wie die flotten
Sprüche eines Guido Westerwelle.

Sofern es jetzt schon möglich ist, Schlüsse aus der Pisa-Studie zu
ziehen, legt sie aus unserer Sicht Folgendes nahe:

Soziale Unterschiede werden in Deutschlands Schulsystem bislang eher
vertieft als abgebaut. Kinder aus Elternhäusern, in denen Bildung
keine Wertschätzung genießt und Neugier nicht gefördert wird, bleiben
auf der Strecke. Vor allem die Kinder von Migranten, in deren
Elternhäusern kein oder schlechtes Deutsch gesprochen wird, sind die
Verlierer. Wenn auch klar ist, dass die Schule Defizite in den
Familien nur zum Teil ausgleichen kann, so drängen sich doch folgende
Konsequenzen auf: Den Kindergärten muss in Zukunft ein noch größerer
Stellenwert zukommen. Sie sind eben nicht nur reine Verwahranstalten,
sondern sollen auch pädagogische Einrichtungen sein, die die
kindliche Phantasie anregen und Begabungen fördern. Ganztagsschulen
sind nicht nur aus pädagogischen und familienpolitischen Gründen
sinnvoll, sondern auch als Instrument zum gezielten Abbau von
herkunftsbedingten Nachteilen. Wo immer möglich, sollten sie
eingeführt werden. Ein hinreichendes Angebot an qualifizierten
Sprachkursen für Migranten ist auch ein Beitrag zur Sicherstellung
von Chancengleichheit in der Schule: Wo Eltern und Kinder die gleiche
Sprache sprechen können, wird auch mehr über das in der Schule
Vermittelte diskutiert.

Ein Kernproblem an unseren Schulen liegt heute in einem überkommenen
Unterrichtsverständnis: Die Vorstellung, dass möglichst homogene
Schülergruppen in der gleichen Zeit das Gleiche lernen, prägt die
vorherrschenden Unterrichtskonzeptionen. Damit werden weder
Leistungsstarke noch Leistungsschwache gefördert. Das Bildungssystem
hat aber die Aufgabe, die Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern
und die Unterschiedlichkeit der Menschen zu einem zentralen Ansatz
von Pädagogik und Didaktik zu machen.

In der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften müssen die Fähigkeiten
zur Diagnose und zum Umgang mit unterschiedlichen Leistungsniveaus
einen höheren Stellenwert erhalten. Die Qualität von Schulen und die
Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden sich verbessern, wenn
es gelingt, eine Kultur von Evaluation, Qualitätssicherung und
-management einzuführen. Die Orientierung an abgearbeiteten
Rahmenplänen und Lehrstoffen reicht nicht aus, um sicherzustellen,
dass Jugendliche über die notwendige Kompetenz verfügen, die sie zur
Bewältigung ihres Lebens brauchen. Wir wollen, dass Schulen auch zu
Labors werden, in denen Projekte, Experimente und die Öffnung zur
Gesellschaft hin (zu Betrieben, Vereinen, Bürgerinitiativen.) breiten
Raum einnehmen.

Wir halten es für sinnvoll, auch in der Lehrerbesoldung Leistungen
besonders zu honorieren, so wie dies jetzt mit der Dienstrechtsreform
auch an den Hochschulen geschehen wird. Eine entsprechende Initiative
werden wir in der nächsten Legislaturperiode ergreifen.

Nicht alle Bildungsprobleme können mit mehr Geld gelöst werden.
Strukturreformen, Experimentierfreude und ein allgemeiner
Einstellungswandel in Sachen Bildung sind mindestens ebenso wichtig.
Dennoch wird in Zukunft mehr Geld notwendig sein, um unser
Bildungssystem zu verbessern. Die Politik muss jetzt Prioritäten
setzen: Statt das Autofahren und niedergehende Industriezweige zu
subventionieren, muss sie in die Zukunft unserer Kinder investieren.


Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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