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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen u. Trinken    Datum: 11.07.2001
Convenience-Produkte - Kunstwerke für den Magen
von Norbert Suchanek

Das Design ist alles. Die natürliche Qualität der Inhaltsstoffe spielt praktisch kaum eine Rolle. Wichtig ist lediglich, daß sie dem Hersteller möglichst wenig Kosten verursachen: Die Rede ist von der neuen bunten Welt der Convenience-Produkte, auch Designer-Food oder Fertigessen genannt.

Was ist ein Convenience-Produkt?


Millionen von Bundesbürger essen fast tagtäglich Convenience-Produkte. Doch wie eine aktuelle Verbraucherstudie nun ergab, wissen 10 Prozent der Befragten gar nicht was Convenience-Produkte sind. Es gibt keine genaue Definition dafür. Aber die Nahrungsmittelbranche versteht darunter Produkte, die Arbeitserleichterung und Zeitersparnis und Bequemlichkeit versprechen. Konkret reicht die Convenience-Produktpalette der Lebensmittelindustrie vom vorgeschnittenen, tiefgekühlten Fleisch über den abgepackten, verzehrgerechten Fruchtjoghurt bis hin zu Tiefkühlpizza und "Hähnchenbrustfilet Thai Chin". Der Verbrauch dieser Fertigprodukte steigt übrigens Jahr für Jahr an. Bereits 1994 griff eine Mehrheit der Bundesbürger (66 Prozent) zumindest gelegentlich zu Fertiggerichten als Mittagsmahlzeit. Immerhin 34 Prozent verzichteten damals noch auf Convenienceprodukte. In diesem Jahr werden 81 Prozent der Bevölkerung mittags Convenience-Produkte zu sich nehmen, schätzen die Marktforscher. Wie Untersuchungen der Convenience-Food-Forschung weiter zeigen: Vor allem Männer mit hohem Einkommen unter 49 Jahren sowie Ein- und Zwei-Personenhaushalte schätzen das "bequeme" Designer-Food aus der "Hexenküche" der Foodingenieure.

Selbst wenn außen auf ihrer Verpackung oft Floskeln wie "von Muttern gemacht" oder "nach Großmutters Art" drauf stehen, stecken weder Großmütter noch traditionellen Köche hinter diesen Kreationen der modernen Nahrungsmittelindustrie sondern Foodingenieure, deren Geschmacks-, Nahrungsmittel- und Moralvorstellungen nach wenigstens 10 Semestern auf harten Uni-Bänken und fünf Jahre langer Folter durch Mensa-Essen* offensichtlich gründlich verdorben sind. Nur so ist es zu verstehen, daß sie die Menschheit mit "Designer-Food" beglücken, das in Wirklichkeit "Non-Food" ist, um in der Fachsprache zu bleiben. Die Industriekreation Fruchtjoghurt beispielsweise enthält keine frischen Früchte sondern Abfälle, Pressrückstände der Fruchtsaftherstellung. Angereichert mit Zucker, Zitronensäure, Farb- und Aromastoffen, Calciumphosphat und einem Algen-Dickungsmittel verwandeln sich die strohigen, geschmacklosen Abfälle dann in den "Reagenzgläsern" der Foodingenieure zu knackigen Fruchtstückchen. Natürlich würde kein Mensch - auch kein Aldi-Liebhaber - ein Produkt zum Essen kaufen, auf dem "Hergestellt aus Abfällen" steht. Deshalb kreierten die kaum weniger cleveren Marketingkollegen der Foodingenieure die Bezeichnung "Fruchtzubereitung" und täuschen damit - mit dem Segen unseres tollen Lebensmittelgesetzes - den Kunden. Dank dieses erlaubten "Verbraucherbetrugs" verdient sich die Nahrungsmittelindustrie auch in Deutschland eine goldene Nase. Jährlich kaufen - und verzehren - die Bundesbürger heutzutage rund 950.000 Tonnen industriellen Fruchtjoghurt und geben dafür über 3,6 Milliarden Mark aus.

Kaviarersatz aus Schlachtblut

Was bei einem simplen Joghurt anfängt hört bei Tiefkühlpizza oder bei ungarischem Gulasch in Alufolie längst noch nicht auf. Würstchen aus Klärschlamm, Energy-Drinks aus Abfallmolke, Kaviarersatz aus Schlachtblut, Muscheln aus aufgepeppten Schweinefleischabfällen: Lug, Trug und Verschleierung heißt das Prinzip der modernen Nahrungsmittelindustrie, die in den USA inzwischen auch "Fake-Food-Industrie" genannt wird.
Fake-Food steht für gefälschte Nahrung. Und der Durchschnittsverbraucher läßt sich offensichtlich gern täuschen. Denn er greift immer häufiger zu den vorgefertigten, angeblich Zeit sparenden Nahrungsmitteln aus dem "Chemie- und Physiklabor". Die Branche schätzt das Marktvolumen für Convenience-Produkte auf heute rund 40 Milliarden Mark mit einer satten Wachstumsrate. Dies lassen sich Nestlé, Unilever, Dr. Oetker und Co. auch was kosten. Im vergangenen Jahr gaben sie 212 Millionen Mark für Werbung für ihre Fertiggerichte von Trockensuppe bis Tiefkühlpizza aus. Bis 2005 hofft die Convenience-Industrie den Absatz ihrer "Kunstwerke für den Magen" in Deutschland auf etwa 60 Milliarden Mark jährlich zu steigern.

Allergie durch künstliche Geschmacksstoffe

Ohne chemisch und teilweise auch gentechnisch hergestellte Geschmacksstoffe geht es aber nicht. Das scheinen zumindest die konventionellen Hersteller des Designer-Food zu glauben. So bescheren sie der chemischen Industrie Umsätze in Milliardenhöhe. Weltmarktführer von künstlichen Geschmacksstoffen ist das zum Bayer-Konzern gehörende Unternehmen Haarmann und Reimer. Nach Informationen der Coordination gegen Bayer-Gefahren können die industriellen Kunden von Haarman und Reimer zwischen mehr als 7000 Geschmacksorten wählen - ein Schlaraffenland für jeden Foodingenieur. Der Verbraucher indes badet diese künstliche Vielfalt mit Allergien und im schlimmsten Fall mit Krebs aus. "Vanillin, die chemisch nachgebaute Vanille von Haarmann und Reimer, gilt unter Fachleuten als eines der Hauptallergene", so die Kritiker des Bayer-Konzerns.
Damit der Verbraucher auch ja die Katze im Sack kauft, unterliegen Aromastoffe nicht der genauen Kennzeichnungspflicht. Es muß lediglich das Wort "Aroma" auf der Packung stehen. Nicht mal eine Unterscheidung zwischen "natürlichen" und "naturidentischen" Aromastoffen ist erforderlich. Und selbst wenn in der Zutatenliste "natürliches Aroma" zu lesen ist, darf unnatürlich mit Hilfe der Gentechnik hergestelltes Aroma drin sein. Unser Lebensmittelgesetz macht's möglich, denn es ist alles andere als verbraucherfreundlich, sondern Industriefreundlich und dient eher der Verbrauchertäuschung denn der Verbraucheraufklärung. Selbst in Fake-Food-Stammland USA ist das Lebensmittelgesetz strenger. Dort muß "natürliches" Aroma tatsächlich von der jeweiligen Frucht stammen. Aber in Deutschland ist der konventionelle Kunde schon lange nicht mehr der König, sondern der Dumme. Dies hat sich auch nach zweieinhalb Jahren Rot-Grüner Regierung und nach Kreierung eines neuen Bundesverbraucherministeriums (noch?) nicht geändert.
Wer dennoch nicht auf Fertignahrung verzichten will, findet eine wachsende Auswahl in Bio-Qualität im Naturkosthandel. Im Gegensatz zur konventionellen Industrie zeigt die auf kontrolliert biologisch hergestellte Rohstoffe zählende Naturkostbranche, daß sich Convenience-Produkte auch ohne "kleinem Chemiebaukasten" zu einem bezahlbaren Preis herstellen lassen.<


Lesetip: "Biokost oder Hightech-Food? Moderne Lebensmittel und gesunde Ernährung" Zu beziehen bei allen Verbraucher-Zentralen für 14 Mark oder bei: Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen e.V., Mintropstr. 27, D-40215 Düsseldorf, Tel: 0211-38090, Fax 0211-3809172<

Weitere Informationen zu Aromastoffen:
Coordination gegen Bayer-Gefahren, Postfach 150418, D-40081 Düsseldorf, Fax 0211-33 39 40<


* Anmerkung: Der Autor hat selbst Erfahrung mit Uni-Mensen in Würzburg, Darmstadt, München. Sie ist kaum besser als seine grausame kulinarische Erfahrung in den Kantinen verschiedener bayerischer Bundeswehrstandorte. Die Ökologisierung dieser öffentlichen Kantinen wäre doch ein ideales Arbeitsfeld für das Bundesverbraucherministerium: Auch Studenten und Soldaten haben ein Recht auf gutes, schmackhaftes Essen aus kontrolliert biologischen Nahrungsmitteln. Außerdem schafft man so einen Absatzmarkt und neue Kunden für den inzwischen auch bundespolitisch gewollten Öko-Landbau. Oder macht Rot-Grün wiedermal bloß leere Sprüche?


Das Convenience-Zitat:

"Alle Welt redet von Herkunft, Futter, Mast und Produktsicherheit, wir reden von einem betriebssicheren Lebensmittel", sagt Johannes Heinen und meint es ernst. Er ist Geschäftsführer der Goosens GmbH, die vor allem Hühnchen in allen Variationen und so tolle Convenienceprodukte wie "Speedy Chicken" im Angebot hat. Frage der Redaktion: Was ist eigentlich ein "betriebssicheres Lebensmittel"?



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