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Wollte man den Industriestandort Deutschland auf dem heutigen Produktionsniveau tatsächlich emissionsfrei gestalten, dann müsste man die derzeit installierte Leistung erneuerbaren Energien in etwa verzehnfachen! Allein die Umstellung unserer Chemieindustrie auf "grüne" Verfahren bedeutete - so hat es die vom VCI in Auftrag gegebene "Roadmap" errechnet - einen zusätzlichen Strombedarf von 685 TWh. Die Umstellung auf "grünen" Stahl würde ebenfalls etwa mit 130 TWh zusätzlichem Strom zu Buche schlagen (Allein das Thyssengrupp Stahlwerk in Duisburg benötigte einen Windpark mit 35.000 Windrädern!). In derselben Größenordnung würde sich das Ersetzen von Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen bewegen, die angepeilten 15 Millionen E-Autos - ohnehin bereits in der Produktion ein ökologisches Desaster - würden laut Bundesministerium für Umwelt (2015) nochmal mit mindestens 30 TWh im Jahr zusätzlich verbrauchen (was sich lediglich auf die Fahrleistung bezieht, nicht aber auf die äußerst energieintensive Produktion!) Wie will die Ampel ihre Ziele erreichen? Den Ausbau der erneuerbaren Energien will man unter anderem dadurch beschleunigen, dass man 2 % der Landfläche Deutschlands für Windparks ausschreibt. Abgesehen davon, dass das keineswegs wenig ist - vor allem, wenn man die Nutzungskonkurrenz von Flächen aufgrund von Renaturierungen, einer flächenextensiveren Landwirtschaft, etc. bedenkt -, wird hier unterschlagen, dass es nicht einfach um Flächen, sondern um geeignete Standorte geht! Um ein Windrad effizient genug zu betreiben, bedarf es eines Standorts, der mir eine bestimmte Durchschnittswindgeschwindigkeit garantiert (in der Regel werden 6 m/s zugrunde gelegt). Und diese Standorte sind äußerst knapp. Den Koalitionären scheint das bewusst zu sein. Deshalb sprechen sie im Koalitionsvertrag auch von der Nutzung "weniger windhöffiger Regionen". Es fragt sich allerdings, welchen EROEI, welche Energierücklaufzeit also, man damit noch erreicht. Die Errichtung von Windrädern bedeutet zunächst einen immensen Input an Energie und Ressourcen. Für ein heutiges Standardwindrad von 3,5 MW Leistung benötigt man immerhin 150 Tonnen Stahl, einen 2000 Tonnen schweren Stahlbetonsockel, "seltene Erden" wie etwa Neodym für den Generator ... Wir haben es also zunächst mit einem "materiellen Rebound" zu tun, einer Vermehrung materieller Bestandsgrößen und einem dadurch bedingten Ressourcen- und Energieverbrauch mit entsprechenden Emissionen. Auch die Offshore-Potenziale vor unseren Küsten sind leider beschränkt. Über eine bestimmte Meerestiefe hinaus (ca. 30 m) kann nicht ohne großen zusätzlichen Aufwand gebaut werden, und durch allzu dichte Bebauung handelt man sich schnell das Problem der "Verschattung" ein ... Wie verzweifelt man mittlerweile auf das Problem der Knappheit geeigneter Standorte reagiert, zeigt das Beispiel Baden-Württemberg, wo seit mehr als zehn Jahren ein grüner Ministerpräsident regiert. Das ursprünglich formulierte Ziel, 10 % der Stromversorgung aus einheimischer Windenergie zu bestreiten, wurde weit verfehlt - obgleich es hier keine Abstandsgebote wie in Bayern gibt. Nach zehn Jahren landete man nicht einmal bei der Hälfte. Die Konsequenz, die man im neuen Koalitionsvertrag daraus zog, war, die Staatsforste für Windparks freizugeben - Abholzung also im Schwarzwald und der Schwäbischen Alb! Das ist wahrscheinlich klimapolitisch ein Desaster, weil man sich der dringend nötigen CO2-Senken beraubt. Das Ausmaß der Abholzungen bemisst sich ja keineswegs am Flächengrundriss von Windrädern. Es sind darüber hinaus Zufahrtswege zu berücksichtigen. Abholzungsschneisen in zusammenhängenden Waldgebieten führen überdies zur Degradierung der nicht abgeholzten Flächen und massiven Beeinträchtigung dieser Ökosysteme ... Die zweite Strategie lautet: Photovoltaik-Module auf alle neuen Dächer, zunächst verpflichtend für Gewerbebauten. Das ist energiepolitisch leider völlig unsinnig. Photovoltaik ist diejenige erneuerbare Energieform, die den größten Material- und Energieinput benötigt. Aufgrund der geringeren Anzahl von Sonnenstunden im Jahr, vor allem in Norddeutschland, wird Photovoltaik nur eine untergeordnete Rolle in der Energieversorgung spielen. Es ist zweifelhaft, ob Photovoltaik im Norden Deutschlands überhaupt eine positive Energiebilanz haben kann. Nicht möglichst alle Dächer sollte man mit Modulen bestücken, sondern lediglich die Flächen an entsprechend günstigen Standorten, die eine genügend hohe Effizienz versprechen. Abgesehen davon darf die Frage erlaubt sein, ob man eigentlich ehrlicherweise nicht den Energieinput der Neubauten selbst in die Bilanz einbeziehen müsste ... Erneuerbare Energien sind volatil, nicht stetig abrufbar, und brauchen daher - neben "intelligenten Netzten" etc. -, um grundlastfähig zu sein, massive Speicherkapazitäten, die natürlich ehrlicherweise in die Energiebilanz einzubeziehen wären. Das heißt, es ist nicht nur die einzelne Anlage, sondern auch ihre Netzanbindung mitsamt den erforderlichen Speichern zu berücksichtigen, um den zunächst erforderlichen Energieinput zu berechnen. Welche Speicherkapazitäten mit welchen Wirkungsgraden uns überhaupt zur Verfügung stehen - davon findet sich nichts im Koalitionsvertrag. Eine höchst fahrlässige Leerstelle. Dass die schöne neue Welt der erneuerbaren Energien nicht so recht funktionieren dürfte, scheint auch den Koalitionären letztlich klar zu sein - und sie bauen entsprechend vor: Der für die Dekarbonisierung dringend erforderliche grüne Wasserstoff kann natürlich nicht in Deutschland selbst erzeugt werden. Deshalb bedürfe es "internationaler Klima- und Rohstoffpartnerschaften". Man darf ruhig übersetzen: Es ist der altbekannte Imperialismus, nun eben mit dem Präfix "Öko" versehen. Unser Industrialisierungsniveau war bisher nur aufgrund massiver Ausplünderung von Ressourcen weltweit, vor allem des globalen Südens, möglich, und das wird auch so bleiben. Mit unserer E-Mobilität graben wir Menschen in Chile und Bolivien das Grundwasser ab, unser Bedarf an mineralischen Rohstoffen vergiftet Flüsse, und der Zugriff auf Ressourcen an Sonnenenergie in Regionen wie Nordafrika wird uns in geopolitisch äußerst gefährliche Konkurrenzsituationen hineinführen. Darüber hinaus kommt es zum Offenbarungseid: Unverzichtbar sind neue Gaskraftwerke! Wohlgemerkt: Es ist nicht etwa von einer größeren Auslastung der bestehenden Gaskraftwerke die Rede (was als Brückentechnologie wegen der größeren Flexibilität und damit besseren Kompatibilität mit erneuerbaren Energien noch vertretbar wäre), sondern von der Errichtung neuer! Einen Sinn ergibt das ja nur, wenn man davon ausgeht, dass wir mindestens die nächsten 25 Jahre noch Gas verbrennen müssen, wenn sich die Anlagen amortisieren sollen. Zu bedenken ist vor allem: Betrachtet man nicht nur den laufenden Betrieb eines Gaskraftwerkes, sondern den gesamten Prozess von der Förderung über den Transport mit den entsprechenden Freisetzungen von Methan, dann ist fraglich, ob ein Gaskraftwerk tatsächlich eine bessere Treibhausgasbilanz hat als ein Steinkohlekraftwerk. Im Übrigen ist diese Position nicht den ach so uneinsichtigen Koalitionspartnern FDP und SPD zu verdanken, nein: Von der Notwendigkeit neuer Gaskraftwerke konnte man bereits im Wahlprogramm der Bündnisgrünen selbst lesen. In ihrem Wahlprogramm wollten die Bündnisgrünen immerhin den Ausstieg aus der Kohleverstromung verbindlich auf das Jahr 2030 festlegen. Nun ist nur noch davon die Rede, dass man ihn "idealerweise" vorziehen will. Da dies vom Stand des Ausbaus der Erneuerbaren abhängig gemacht wird, der den aufgeführten Grenzen unterliegt, muss man eher darum bangen, ob der bis jetzt ausgehandelte Kompromiss hält. Robert Habeck will uns aber weismachen, die Bündnisgrünen wären hier in den Verhandlungen besonders pfiffig gewesen. Anstatt am festen Ausstiegstermin festzuhalten, habe man eben in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt, dass der CO2-Preis € 60,- pro Tonne nicht unterschreiten darf, was laut Habeck die Kohle dann automatisch vom Energiemarkt verdränge. Genau das träfe aber nur unter der Voraussetzung zu, dass die Alternativen im Übermaß vorhanden sind! Es führt kein Weg daran vorbei: Das Entscheidende muss außerparlamentarisch passieren. Mit entsprechendem Druck einer radikalisierten Klimabewegung können wir Kohle- und Gasausstieg schaffen und endlich zu der einzig ehrlichen und erfolgversprechenden Nachhaltigkeitsstrategie übergehen: dem gezielten solidarischen Rückbau unserer Industriegesellschaft und beherzten Schritten industrieller Abrüstung.
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