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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 16.03.2020
Gegen Überfischung: Schont die Alten!
Entnahmefenster schützen Fischbestände ohne Fischereieinbußen
Maßnahmen gegen Überfischung schonen mit dem "Mindestmaß" bislang die jungen Fische. Ein Forscherteam um Professor Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin empfiehlt jedoch, neben dem Nachwuchs auch die besonders großen, älteren Exemplare am Leben zu lassen. Diese Art der Bewirtschaftung erzielt gute Kompromisse zwischen den Ansprüchen von Berufs- und Angelfischerei und der natürlichen Vermehrungsfähigkeit der Fischbestände.

Ziel des klassischen Fischereimanagements ist es, die befischten Bestände langfristig zu erhalten und gleichzeitig einen hohen Ertrag zu erzielen. Jeder Wildfisch soll mindestens einmal laichen, bevor er auf dem Teller landet. Berufsfischerei und Angelfischerei dürfen daher keine Tiere unterhalb einer gesetzlich festgelegten Mindestgröße - dem Mindestmaß - fangen. Große Exemplare können intensiv gefischt werden. Die Annahme ist, dass diese Tiere ihren Beitrag für den Erhalt der nächsten Generation bereits geleistet haben und der Zuwachs mit dem Alter abnimmt.

Der Fisch muss durchs Fenster passen
Der Fischereiprofessor Robert Arlinghaus vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchte mit Fischereibiologen von der Universität Florida und der Universität Vancouver die optimalen Fangbestimmungen für eine große Bandbreite an Fischarten wie Hecht, Zander oder Dorsch, und ob eine Schonung der besonders großen Fische sinnvoll sein kann. Denn die Fruchtbarkeit nimmt mit der Fischgröße zu: Große Fische investieren in den Nachwuchs, nicht mehr in das eigene Wachstum. Die Forschenden verglichen die Wirkung klassischer Mindestmaße mit einer selteneren Bewirtschaftungsmethode: dem Entnahmefenster. Beim Entnahmefenster werden nur mittelgroße Fische gefischt - bildlich gesprochen nur Fische, die genau quer durchs "Fenster" passen. Alle Tiere, die über den Rahmen reichen oder zu klein sind, sollen im Wasser bleiben und sich weiter fortpflanzen.

Keine Fischereieinbußen trotz Schutz der großen Laichfische
Die Forschenden fanden heraus: Soll lediglich der Kilogrammertrag, den eine genutzte Wildfischpopulation erbringen soll, maximiert werden, ist ein Mindestmaß die passende Regelung. Allerdings zählen meist auch andere Bewirtschaftungs- und Bestandserhaltungsziele. Dazu gehören beispielsweise ein naturnaher Laichfischbestand, eine angemessen hohe Fangaussicht je Fischereitag oder eine bestimmte Größe der Fische im Fang. "Leider hält sich hartnäckig die Meinung, dass der Schutz großer Laichfische in einem genutzten Fischbestand für die Fischerei kontraproduktiv ist und Ertragspotenzial kostet. Das ist nach unserer Studie überholt. Der Schutz der großen Tiere stabilisiert die Bestandsdynamik ohne relevante Einbußen bei den Erträgen nach sich zu ziehen und steigert die Durchschnittsgröße im Fang. Entnahmefenster sind vor allem dann dem klassischen Mindestmaß überlegen, wenn intensiv genutzte Bestände, wie die Hechtbestände in den Küstengewässern rund um Rügen, von Berufs- und Angelfischerei gemeinsam befischt werden und auch der große Fisch für Naturschutz und Fischerei von Bedeutung ist", bringt Robert Arlinghaus die Ergebnisse auf den Punkt.

Die Altersvielfalt macht auch ökologisch Sinn
Schaut man auf die Ökologie, wird klar, warum die großen Laichfische in einer Population nicht fehlen sollten: Ein einzelnes großes Weibchen kann die Eizahl vieler kleiner Fische kompensieren. Außerdem vermehren sich verschieden große und alte Fische zu unterschiedlichen Zeiten und häufig auch an unterschiedlichen Orten. Wenn Umweltereignisse die Brut eines Zeitraums vernichten, kann eine altersgemischte Population trotzdem eine Nachkommenschaft sicherstellen und so zu stabileren Populationen beitragen. Zudem haben Alt und Jung unterschiedliche Standplätze, Zugrouten und Speisepläne, und junge Fische lernen von den erfahrenen Leittieren. Auch die Partnerwahl ist bei vielen Arten längenabhängig.

"Erzeugt man durch scharfe Befischung einen Wildfischbestand, in dem überwiegend gerade geschlechtsreif gewordene Tiere vertreten sind, wirkt sich dies auf vielen Ebenen negativ aus: auf die Reproduktionsleistung des Bestandes, auf das Nahrungsnetz und das Ökosystem - und auch auf die Qualität der Fischerei," so das Fazit von Robert Arlinghaus.

Lesen Sie den Artikel Open Access in der Fachzeitschrift Fish and Fisheries

Über das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):
"Forschen für die Zukunft unserer Gewässer" ist der Leitspruch des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Das IGB ist das bundesweit größte und eines der international führenden Forschungszentren für Binnengewässer. Es verbindet Grundlagen- und Vorsorgeforschung, bildet den wissenschaftlichen Nachwuchs aus und berät Politik und Gesellschaft in Fragen des nachhaltigen Gewässermanagements. Forschungsschwerpunkte sind u. a. die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten und die Auswirkungen des Klimawandels, die Renaturierung von Ökosystemen, der Erhalt der aquatischen Biodiversität sowie Technologien für eine nachhaltige Aquakultur. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit den Universitäten und Forschungsinstitutionen der Region Berlin-Brandenburg und weltweit. Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e. V., einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft. https://www.igb-berlin.de


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