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Rubrik:Politik & Gesellschaft    Datum: 13.09.2012
Neue Studie beweist, dass die Überschüsse an Emissions-Gutschriften gemäß Kyoto-Protokoll künftige Klimaabkommen bedrohen
Brüssel - Eine neue Studie weist nach, dass die gegenwärtigen Richtlinien des Kyoto-Protokolls reichen Ländern ermöglichen, mit ihrem 'business-as-usual' fortzufahren und weiterhin Treibhausgase zu emittieren, während sie gleichzeitig bis 2020 mehr als 17 Milliarden Tonnen überschüssiger Emissionsreduktionsgutschriften ansammeln. Dieser astronomische Überschuss stellt die Realisierbarkeit aller künftigen Klimaabkommen infrage. Bei den UNFCC-Verhandlungen in Bangkok präsentierten die Gruppe der G-77 und China einen Vorschlag, der zu einer wirksamen Reduzierung dieses Überschusses führen würde. Der Vorschlag setzt die EU erneut unter Druck, ihr Schweigen zu diesem Thema zu brechen und eine eindeutige Haltung zugunsten eines 2-Grad-Ziels einzunehmen.

Zugeteilte Emissionsrechte (Assigned Amount Units, AAUs) sind handelbare Emissionsrechte, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingeführt wurden. Eine AAU ermöglicht einem Land, eine Tonne CO2 -Äquivalent zu emittieren. Die Richtlinien des Kyoto-Protokolls gestatten den Ländern, alle nicht genutzten Emissionszertifikate in den nächsten Verpflichtungszeitraum zu übertragen.

Eine neue, unabhängige Studie von Thomson Reuters Point Carbon, die heute veröffentlicht wurde, kommt zu der Einschätzung, dass sich die Überschüsse aus dem ersten Verpflichtungszeitraum von Kyoto (2008-2012) auf 13,1 Milliarden Tonnen CO2 belaufen. Die Länder mit den größten Überschüssen sind Russland (5,8), die Ukraine (2,6) und Polen (0,8), gefolgt von Rumänien (0,7), Großbritannien (0,5) und Deutschland (0,5). Der Überschuss liegt mehr als drei Größenordnungen über dem geschätzten Bedarf von 11,5 Millionen Tonnen (Mt).

Die Studie macht deutlich, dass die Länder selbst ohne die Überschüsse aus dem ersten Verpflichtungszeitraum voraussichtlich bis 2020 einen Überschuss von 3,6 Milliarden Tonnen CO2 ansammeln werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Industrieländer nur sehr geringe Emissionsreduktionszusagen für 2020 gemacht haben. In Kombination mit laschen Richtlinien im Hinblick auf die Nutzung von Klimakompensationsprogrammen können sie 3,6 Milliarden Tonnen CO2 mehr emittieren als sie Schätzungen für ein 'Business-as-usual'-Szenario zufolge bis 2020 emittiert hätten.

Auf diese Weise könnte sich der Gesamtüberschuss von 2008-2020 auf 16,2 Milliarden Tonnen summieren. Sollten sich Australien und Neuseeland entschließen, nicht am zweiten Verpflichtungszeitraum von Kyoto teilzunehmen, könnte der Überschuss insgesamt eine Größenordnung von 17,2 Milliarden Tonnen erreichen. Das ist mehr als die EU voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren emittieren wird.

"Trotz dieser enormen Größenordnung hätte der Überschuss aus dem ersten Verpflichtungszeitraum aufgrund der bedeutenden Überschüsse, die für den zweiten Verpflichtungszeitraum erwartet werden, nur geringen oder gar keinen Nutzen für die Mehrheit der Besitzer von Emissionszertifikaten. Anders ausgedrückt, Länder mit großen Überschüssen werden vermutlich keine Käufer finden", erklärt Andreas Arvanitakis, der Direktor der Beratungsdienste von Thomson Reuters Point Carbon und Koautor der Studie.

Darüber hinaus verdeutlicht die Studie, dass die Aufrechterhaltung des AAU-Überschusses auch langfristig beträchtliche Auswirkungen haben könnte.

"Die Chancen für ein ambitioniertes globales Klimaabkommen stehen derzeit aufgrund des fehlenden Engagements äußerst schlecht", so der Kommentar von Anja Kollmuss, Kohlenstoffmarkt-Expertin bei CDM Watch. "Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass reiche Länder ärmere Staaten davon überzeugen werden, sich auf essenzielle Emissionsreduktionen zu verpflichten, wenn ihre eigenen Zusagen so dürftig und die Schlupflöcher so gigantisch sind. Wenn die Industrieländer nicht sofort handeln und sich auf tatsächliche Emissionsreduktionen verpflichten, gehen unsere Chancen, den gefährlichen Klimawandel zu stoppen, wohl gegen Null."

Die Studie zeigt außerdem auf, dass die gegenwärtigen Klimaverpflichtungen der EU sehr unambitioniert sind. Selbst wenn die EU ihre Zielvorgabe für 2020 auf eine Reduktion um 25 % im Vergleich zu den Emissionen von 1990 erhöhen würde, gäbe es noch immer einen Überschuss von 800 Millionen Tonnen CO2, die Überschüsse aus dem ersten Verpflichtungszeitraum nicht mitgerechnet.

CDM Watch ist der Meinung, dass auf den Klimaverhandlungen im November in Doha (COP17) eine Lösung gefunden werden muss. Andernfalls werden die existierenden Richtlinien, die eine vollständige Übertragung ermöglichen, standardmäßig angewendet. Bei den Verhandlungen in Bangkok, die letzte Woche zu Ende gingen, präsentierten die G-77 und China einen vielversprechenden Vorschlag für eine Reduzierung des gigantischen Überschusses. Nur wenn die Emissionsreduktionszusage eines Landes für den neuen Verpflichtungszeitraum gemäß Kyoto-Protokoll unter seinem Emissionsniveau von 2012 liegt, wäre es ihm gestattet, seinen Überschuss für die Einhaltung der neuen Verpflichtungen einzusetzen. Ein Handel mit diesem Überschuss wäre dann nicht erlaubt.

Aufgrund der Dringlichkeit des Themas unterstützen die meisten Länder den Vorschlag der G-77. Trotz ihrer Forderung nach sinnvollen Aktivitäten zur Emissionsreduktion hat die EU zum G-77 Vorschlag nicht Stellung genommen, da es wegen einiger EU-Mitgliedstaaten, die über bedeutende Überschüsse verfügen, die sie gern verkaufen würden, interne Differenzen gibt.

"Vor allem wegen Polen ist die EU nicht in der Lage, sich zu diesem Thema zu äußern. Wenn die EU ihre führende Rolle im Hinblick auf den gefährlichen Klimawandel behalten will, muss sie aufhören, sich hinter Polen zu verstecken, und eine starke Position einnehmen", sagt Eva Filzmoser, die Direktorin von CDM Watch.

Es ist wichtig anzumerken, dass der neue Vorschlag offensichtlich allen Anforderungen gerecht wird, die die EU zur Vorbedingung für ihre Beteiligung an einem zweiten Verpflichtungszeitraum gemäß Kyoto-Protokoll gemacht hat.

Bei seiner nächsten Tagung im Oktober 2012 muss sich der Umweltministerrat auf eine EU-interne Lösung verständigen. Eine solche Lösung könnte eine Verringerung der EU-ETS-Obergrenze um mindestens 1,4 Milliarden EU allowances (EUAs) beinhalten. Dadurch würden die potenziellen Widersprüche zwischen der EU-ETS-Gesetzgebung und der Begrenzung der Überschuss-Übertragung gelöst. Auch der EU-ETS-Kohlenstoffpreis würde verbessert, der gegenwärtig so niedrig ist, dass dadurch die Möglichkeit eingeschränkt wird, kosteneffizient zu einer europäischen Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß überzugehen und die Treibhausgase bis 2050 um 80 % zu reduzieren, wie von der EU-Klimagesetzgebung beschlossen.

"Dieser gigantische Überschuss an Emissionszertifikaten astronomische Überschuss stellt die Realisierbarkeit und Wirksamkeit aller künftigen Klimaabkommen infrage", sagt Tomas Wyns, der Direktor von CCAP-Europe. "Die EU befindet sich in der einzigartigen Lage, das Problem ihrer internen EU-ETS-Überschüsse und der Kyoto-Überschüsse gleichzeitig zu lösen, indem sie ihr Reduktionsziel für 2020 erhöht."


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