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Presse-Stelle:  Institut für Ökologie Redaktion ö-punkte, D-23858 Feldhorst
Rubrik:Energie    Datum: 03.09.2000
Ökostrom von unten
Umweltgerechte Energie mit hohen Beteiligungsrechten verbinden! Motto und Internet: move.to/oekostrom
Die Auseinandersetzung um die Stromversorgung findet nach der Liberalisierung des Strommarktes im Markt statt. Werbekampagnen, Versprechungen, mehr oder minder glaubwürdige Zertifikate sowie viele Verwirrungen um Preise prägen das Geschehen. Das ist typisch für alles: Was sich im Markt organisiert, unterwirft sich den dortigen Gesetzen. Umweltschutz, Mitbestimmungsrechte und Dezentralität gelten dort aber wenig oder nichts. Profit, Rationalisierung und Machtsicherung durch Zugriff auf Ressourcen und Marktanteile stehen im Vordergrund. Scheinbar sind alle diesem Trend des "Wachse oder weiche" unterworfen. Da bleibt keine Zeit für ökologische Glaubwürdigkeitsdebatten oder Mitbestimmungsrechte - höchstens da, wo sich mit solchen Begriffen eine KundInnenschicht ansprechen läßt. Die ist aber klein und zudem oft nicht gewillt, genau hinzugucken, so daß die großen Energieversorgungsunternehmen mit Lockangeboten im Öko-Touch viele KundInnen gewinnen können, die danach drängen, etwas Gutes zu tun.

Das Projekt "Ökostrom von unten" versucht etwas anderes: Raus aus der Marktlogik, rein in mitbestimmungsorientierte Formen der Stromversorgung. Die Menschen, sonst nur als im Markt umworbene KundInnen betrachtet, sollen selbst zu den Handelnden werden. Es soll "ihr" Strom sein, gewonnen in "ihren" Anlagen, verteilt über "ihr" Netz hin zu ihren Häusern, die individuell oder in VerbraucherInnen-Gemeinschaften den Strom beziehen. Diese Aktion soll aus den Städten und Regionen selbst entwickelt werden. EnergieberaterInnen, Bürgerinitiativen und InteressentInnen an regenerativer Energie, BetreiberInnen von Wind-, Wasser-, Solar- oder Biomasseanlagen, interessierte Stadtwerke usw. können zusammen eine Gruppe bilden, die als Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaft sowohl die notwendige Öffentlichkeitsarbeit, die Umstellung öffentlicher Gebäude, Beratungsdienste und den Aufbau neue Energieanlagen vorantreiben. Als Partner kommen dabei die bundesweiten, glaubwürdigen Ökostromanbieter in Frage, aber auch z.B. Stadtwerke mit glaubwürdigen Ökostromangeboten. Wichtig ist, daß sie ihre Entscheidungsbefugnisse und Handlungsmöglichkeiten an die AkteurInnen der Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaften abtreten. Ziel ist, daß Entscheidungen über Umstellungen, neue Energieanlagen usw. von einer breiten örtlichen Unterstützung getragen werden, daß Energieanlagen im Besitz der BürgerInnen sind. Zur Zeit werden sie mehr und mehr Spekulationsobjekte - und schüren Ablehnung. Das Optimum wäre erreicht, wenn selbst die Stromnetze und -verteiler den BürgerInnen gehören würden, wie es in der Schwarzwaldgemeinde Schönau vor einigen Jahren verwirklicht wurde.

Die Initiative zu "Ökostrom von unten" kann von verschiedenen AkteurInnen ausgehen - aus Initiativen oder Umweltverbänden ebenso wie von Seiten der Gemeinde, der Stadtwerke oder von Einzelpersonen. Das folgende Kapitel beschreibt einige Einzelschritte und mögliche Aktionsfelder. Informationen zur gesamten Aktion sind unter move.to/oekostrom zu erhalten.

Schritt für Schritt: Ökostrom von unten umsetzen
Städte und Regionen stehen im Mittelpunkt des Geschehens. Hier können und sollten die Runden (interessierte Einzelpersonen, Energieinitiativen, Anti-Atom-Gruppen, AnlagenbetreiberInnen usw.) entstehen, von denen die Impulse ausgehen - für die Umstellung von Wohnungen, Häusern, öffentlichen Gebäuden, Betrieben usw. sowie für die Gewinnung der Energie aus neuen Wind-, Wasser-, Solar- und Biomasseanlagen.

Regionale Runden aufbauen: "Ökostrom von unten" ist ein Prozeß von unten, der möglichst viele Menschen, auf jeden Fall aber alle Beteiligten und Interessierten zu den Mitbestimmenden machen will. ErzeugerInnen von Ökostrom, von der Windanlage bis zum Solarstrommodul auf dem Hausdach, gehören genauso dazu wie alle StromkundInnen und letztlich alle Interessierten von der Anti-Atom-Kämpferin über die Solarbastlerin bis zum biomasseproduzierenden Landwirt.

"Atomstromfreie Zone(n)" finden: Ein oder auch einige Orte werden ausgewählt, die als öffentliche Anlaufstellen dienen und so auch Werbung machen. Umwelt- oder Kulturzentren, Kinos, ausgewählte Cafes oder Kneipen, Gemeindehäuser oder andere können passend sein. Diese Orte werden gekennzeichnet und in der Öffentlichkeitsarbeit benannt. Ziel ist, daß viele Menschen die "atomstromfreie Zone" bei einem Besuch dort wahrnehmen oder auch gezielt dort hingehen - und das es dort dann Informationen gibt zur Umstellung von Haushalten und Betrieben, zur Beteiligung an regenerativen Energieanlagen in der Region usw.

Veranstaltungen durchführen: In der "atomstromfreien Zone" oder andersorts kann bei Veranstaltungen über Ökostrom informiert werden. Dabei sollte das Thema nicht zu eingeengt betrachtet werden. Informationen zu Ökostromtarifen und -quellen sind ebenso wichtig wie Infoveranstaltungen zu Atomfilz, Machtstrukturen im Energiebereich usw.

Regionale Seminare und Austauschtreffen: Zwischen benachbarten Regionen und Städten kann ein Kontakt entstehen. Gegenseitige Hilfe und Erfahrungsaustausch, Selbstorganisationsprozesse und gemeinsame Aktivitäten wie Vortragsreihen, Ausstellungen, Veröffentlichungen usw. sind denkbar.

Infozeitungen, Ausstellungen usw.: Sinnvoll wäre, zu Beginn des Projektes in einer Region und auch später immer wieder mal Informationsmaterialien breit zu streuen. Dazu können eigene Infozeitungen erstellt oder eine Kooperation mit bestehenden Medien begonnen werden, z.B. einer Umwelt- oder Kulturzeitung, Unizeitung usw. Auch Ausstellungen, die zu verschiedenen Orten wandern, sind eine gute Chance der Öffentlichkeitsarbeit.

Direkte Aktionen: Ohne die jahrzehntelange Arbeit der Anti-Atom-Initiativen wäre regenerative Energie nie zu einem Thema geworden. Das bleibt auch weiter so. Wer behauptet, jetzt komme es nur noch auf den Bau neuer Anlagen oder die Umstellung auf Ökostrom an, hat wenig politischen Weitblick. Direkte Aktionen z.B. gegen Atomenergie, die machtausübenden Stromkonzerne oder neue und alte Großkraftwerke mit ihrer verschwenderischen Energieumwandlung erzeugen die gesellschaftliche Diskussion, den Willen zur Veränderung. Ohne sie findet verändernde Politik nicht statt!



Hilfe zur Selbsthilfe: Das bundesweite Projekt "Ökostrom von unten"
Die regionalen Strom-ErzeugerInnen-VerbraucherInnen-Gemeinschaften (Strom-EVGs, d.h. Runden von StromkundInnen, -erzeugerInnen und alle anderen Interessierten aus einer Region/Stadt, die gemeinsam über Öffentlichkeitsarbeit, neue Anlagen usw. entscheiden) sind der Kern der Idee "Ökostrom von unten". Sie können und sollten sich überall bilden - parallel zu den ersten Schritten. Es sind offene Runden ohne Hierarchien. Alle Beteiligten sind gleichberechtigt. Ziel ist es, immer mehr Menschen in die
Entscheidungsprozesse einzubinden. Doch die regionalen Runden sind nicht auf sich allein gestellt. Eine wichtige Hilfe sind die Ökostromanbieter, die die neuen KundInnen versorgen, aber auch selbst den regionalen AkteurInnen bei der Öffentlichkeitsarbeit, bei Veranstaltungen und bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung neuer Energieanlagen helfen. Darüber hinaus unterstützt die Projektgruppe "Ökostrom von unten" die Regionen:

Internetseite mit aktuellen Infos: Unter move. to/oekostrom sind ständig aktuelle Infos einzusehen zu den Ökostromangeboten, den Firmen, den verschiedenen Modellen von Ökostrom sowie den beteiligten Regionen mit ihren Projekten.

Texte und Bilder für Öffentlichkeitsarbeit: Wer in der eigenen Stadt oder Region Öffentlichkeitsarbeit machen will, kann dafür Texte und Bilder bekommen. So ist es einfach, eigene Materialien zu erstellen.

Ö-Punkte und Reader: Die Herbstausgabe der Zeitung "Ö-Punkte" mit Schwerpunkt "Ökostrom von unten" kann, solange der Vorrat reicht, für die konkrete Arbeit nachbestellt werden. Für alle, die bei "Ökostrom von unten" mitwirken wollen, gibt es die Ö-Punkte für 1 DM/Heft (ab 10 Hefte) plus Porto. Außerdem soll ein Reader entstehen, wo die verschiedenen Fragen und Möglichkeiten umfangreicher erläutert werden. Wir hoffen, ihn noch dieses Jahr herausbringen zu können. Er wird 12 DM kosten und bei der MAUS (MaterialAuswahl UmweltSchutz), Postfach 1818, 36228 Bad Hersfeld zu bestellen sein.

Vorträge und Seminare: Die Projektgruppe "Ökostrom von unten" und auch einige Ökostromanbieter bieten ReferentInnen an für Veranstaltungen. Zudem stehen sie für Seminare zur Verfügung.

Direkte Beratung und Hilfen: Wer Fragen hat, kann bei den Ökostromanbietern oder bei der Projektgruppe anrufen. Oder mailen.

Hilfe bei Neuanlagenbau: Wer Wind-, Wasser-, Solar- oder Biomasseanlagen neu bauen will, kann von den Ökostromanbietern Hilfe erhalten - fachliche Tipps, Planungshilfe bis zu finanziellen Förderungen.

Ökostrom von unten
c/o Projektwerkstatt
Ludwigstr. 11
35447 Reiskirchen-Saasen
06401/90328-3, Fax -5
oekostrom-von-unten@web.de
http://move.to/oekostrom



Kommentar
Beim Strom kommt es auf die Farbe an (oder nicht?)
Manchmal streiten sich Parteien über die Frage, ob ein Kanzlerkandidat einen Bart tragen sollte. Ziemlich oft wird die Qualität eines beworbenen Produktes durch nackte Haut unterstrichen. Tankstellen werden mit wilden Tieren verglichen usw. - Werbung hat meist mit Inhalt wenig gemeinsam. So ist es auch beim liberalisierten Strommarkt. Eine der wichtigsten Fragen ist: Welche Farbe hat Strom? Das hat sicher auch eine Portion Komik, aber vor allem ist es Realsatire. In dieser Welt des turbobeschleunigten Kapitalismus geht es nur um Konsum und die dahinterstehende Profitgier, die mit immer neuen, immer dümmlicheren Phrasen neue Bedürfnisse und Verlangen zu schaffen versucht. Nun also der Strom. Und wie so oft sind die, die eigentlich Alternativen anbieten wollen, irgendwie ähnlich in ihrem Vorgehen. Auch Ökostrom wird mit vielen Phrasen, neu gebastelten Zertifikaten und natürlich mit der Werbeformel, daß der Umstieg den Ausstieg aus der Atomenergie bringen soll, nach KundInnen gefischt. Was überall fehlt, ist daß die Umworbenen (nämlich die KundInnen) wirklich ernst genommen würden. Dann nämlich würden sie die Dinge einfach selbst entscheiden. Statt einer Welt, in der die Menschen nur noch die Rolle derer haben, die ihr Geld ausgeben sollen, würden wir in einer leben, in der die Menschen einfach die Dinge, die sie brauchen und haben wollen, selbst organisieren. Überall. Unter anderem beim Strom: Wo er herkommt, wie er weitergeleitet wird, ob bzw. was er kostet - all das würden die Menschen entscheiden. Die bräuchten dann auch keine Apparate, die sie überzeugen, warum sie gelben, grünen oder sonst was für einen Strom nehmen sollen. Sie würden den Strom verbrauchen, dessen Erzeugung sie bestimmen. Und der auch nur erzeugt wird, weil sie ihn brauchen.
Direkte Ökonomie ist die Zukunft. "Ökostrom von unten" ist die Umsetzung im kleinen Bereich der Stromversorgung. Aber kleine Schritte sind wichtig und richtig, wenn die Richtung stimmt. Statt sich noch länger mit den lächerlichen Werbephrasen derer, die KundInnen vor allem als Geldquelle sehen, zufriedenzugeben, sollten möglichst viele die wichtigen Dinge selbst in die Hand nehmen. Niemand braucht Energieversorgungsriesen, Großkraftwerke, Aufsichtsräte und Magistrate. Es geht auch alles selbst und wird helfen, daß wieder mehr für ein besseres Leben gewerkelt, geforscht und diskutiert wird - und weniger für Macht und Profit!



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