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Viele alte und genügsame Pflanzensorten erfüllen die Zulassungsvoraussetzungen des EU-Saatgutrechts nicht. Daher wurden in den drei EU-Erhaltungsrichtlinien von 2008 bis 2010 Ausnahmeregelungen für Erhaltungs- und Amateursorten festgelegt und mit der Erhaltungsverordnung in deutsches Recht umgesetzt. Im kürzlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgeschlossenen Verfahren im Fall Kokopelli hatte Generalanwältin Kokott festgestellt, "dass die Beschränkung biologischer Vielfalt in der europäischen Landwirtschaft zumindest auch auf Regelun€gen des Unionsrechts beruht" und für weitreichende Änderungen des EU-Saatgutrechts plädiert. Das Urteil des EuGH bestätigte jedoch die bestehende Gesetz€ gebung. Immerhin verwies es auf die anstehende Überprüfung der Erhaltungsverordnungen bis Ende 2013. Zur Erklärung des Urteils hat die Kampagne für Saatgut-Souveränität "11 Fragen und Antworten" (Quelle im Anhang) sowie eine juristische Analyse des Urteils erstellt (dito). "Obwohl es das erklärte Ziel der Richtlinien ist, zur Erhaltung von landwirtschaftlicher Vielfalt beizutragen, werden darin erhebliche Hürden für alte Sorten und Amateursorten aufgestellt: Mengenbeschränkungen, Dokumentationspflichten und Gebühren", kritisiert Andreas Riekeberg (Kampagne für Saatgut-Souveränität). Diese Anforderungen stellen sowohl die Richtlinien selber wie auch die Verordnung des deutschen Agrar€ ministeriums, die am 21.7.2009 beschlossen wurde und am 25.7.2009 in Kraft trat. "Angeblich sind sich alle einig, die Vielfalt erhalten und fördern zu wollen - in der Praxis aber werden idealistische Saatgut-Erhalter/innen, wenn sie Saatgut vermarkten wollen, mit der Zulassungspflicht in eine rechtliche Grauzone gedrängt." "Alte Sorten und Landsorten bilden einen großen Schatz biologischer Vielfalt auf Äckern und in Gärten. Gerade angesichts des Klimawandels und der Verknappung von Erdöl werden sie in Zukunft eine größere Rolle spielen", erläutert Anne Schweigler und verdeutlicht so die mit der Saatgutfrage verbundene Frage nach dem favorisierten Landwirtschaftsmodell. "Die neuen Sorten der Saatgut-Industrie, die mittlerweile zu einem Zweig der Agrarchemie Industrie geworden ist, haben einen hohen Energiebedarf, sind sehr uniform und kaum anpassungsfähig an sich wandelnde Bedingungen. Uniformität und Stabilität sind auch bedeutende Kriterien der EU-Saatgut-Gesetzgebung. Industrie-Züchtung und rechtliche Rahmenbedingungen gehen Hand in Hand - aber in die falsche Richtung." Ab Herbst 2012 wird der Vorschlag der EU-Kommission für die anstehende Reform der EU-Saatgutgesetz€gebung erwartet. Die Kampagne für Saatgut-Souveränität fordert: "Vielfältige, bäuerliche Landwirtschaft sollte auf allen Ebenen gefördert, nicht eingeschränkt und reglementiert werden. Dazu gehört die Förderung von entsprechend vielfältigem Saatgut, das nicht notwendigerweise absolut homogen und stabil sein muss. Außerdem sollte die Zulassung von energie- und chemieintensiven Sorten der Saatgut-Industrie eingeschränkt werden. Die Prioritäten der Sortenzüchtung sind neu zu definieren." Hintergrund: EU-Erhaltungssorten-Richtlinen Für Saatgut von Gemüsesorten und von landwirtschaftlichen Sorten gibt es zwei Wege der Zulassung: als Erhaltungssorten (wenn die Sorte von genetischer Erosion bedroht ist) oder als Amateursorte für den Anbau unter besonderen Bedingungen. Für Erhaltungssorten muss eine "Ursprungsregion" definiert werden, und das Saatgut für diese Sorte darf nur in dieser Region erhalten und in Verkehr gebracht werden. Es darf nur eine Höchstmenge von einer Sorte in Verkehr gebracht werden, bei Gemüse so viel wie für einen Anbau auf 10 bis 40 ha benötigt wird, bei Ackerfrüchten für 100 ha, bzw. 0,3% oder 0,5% der Gesamtanbaufläche, wobei alle Erhaltungssorten zusammen nicht mehr als 10% Marktanteil am Saatgut einer Acherfrucht haben dürfen. Die geplante Erzeugung von Saatgut muss vorher amtlichen Stellen angezeigt werden. Wollen mehrere Erhalter eine bestimmte Sorte erhalten, wird ihnen jeweils eine Maximalmenge zugewiesen. Die Saatguterzeugung von diesen Erhaltungssorten muss von amtlichen Stellen hinsichtlich Orten und Mengen überwacht werden, daraus leitet sich eine Berichtspflicht der Saatgut-Erzeuger ab. Bei Amateursorten für den "Anbau unter besonderen Bedingungen" entfällt zwar die Definition einer Ursprungsregion und der Flächen-Höchstmenge, dafür gibt es maximale Packungsgrößen, z.B. dürfen höchstens 5 Gramm in einer Packung Paprika-Saatgut sein. Saatguterzeuger müssen genau berichten, wie viel Gramm Saatgut von welcher Sorte sie erzeugt haben. Der Zeit-Aufwand für die Erfüllung rechtlicher Auflagen von Erhaltungs- oder Amateursorten, die gemäß RL 2009/145/EG zugelassen sind, wird vom Gesetzgeber auf 5,5 bis 11 Stunden pro Sorte und Anbausaison geschätzt, dazu kommen die Gebühren. Doch wenn das Ziel wirklich die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist, darf es nicht sein, dass man mehr Zeit und Geld für den bürokratischen Zulassungs-Aufwand einer Pflanzensorte benötigt als für die Pflege und Verbreitung dieser Sorte. Anhänge: - 11 Fragen und Antworten zum EU-Saatgutrecht anlässlich des EuGH-Urteils vom 12. Juli 2012 www.saatgutkampagne.org/PDF/FAQ_EuGH_Urteil.pdf - Juristische Einschätzung des EuGH-Urteils vom 12. Juli 2012 in der Sache C-59/11 www.saatgutkampagne.org/PDF/Einschaetzung_EuGH_Urteil.pdf Erhaltungssorten-Saatgutrecht: - Deutsche Erhaltungssorten-Verordnung zur Umsetzung von 2008/63/EG und 2009/145/EG: www.gesetze-im-internet.de/erhaltungsv/index.html - EU-Richtlinie für Erhaltungssorten Gemüse: eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32009L0145:EN:NOT - EU-Richtlinie über die Vermarktung von Gemüsesorten eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2002:193:0033:0059:DE:PDF - Überblick über alle EU-Erhaltungssorten-Richtlinien: ec.europa.eu/food/plant/propagation/conservation_varieties/index_en.htm - Gebührenverzeichnis für Erhaltungssorten: Seite 12-13 der Verordnung über Verfahren vor dem Bundessortenamt (BSAVfV) www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bsavfv/gesamt.pdf
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