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Presse-Stelle:  Deutsche Umwelthilfe e.V., D-78315 Radolfzell
Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 02.05.2011
Mangelhaftes Recycling von FCKW aus Kühlgeräten belastet die Atmosphäre
Deutsche Hersteller sparen an ordnungsgemäßer Entsorgung von Altgeräten - Zuständige Landesumweltbehörden schauen weg und verzichten auf wirksame Kontrollen - Missachtung von Recyclingstandards bei Bosch-Siemens, Miele, Electrolux & Co führt zu unnötigen Emissionen von jährlich mehreren Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten - DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch spricht von "vorsätzlicher Täuschung" durch Kühlgeräte-Branchenverband ZVEI und fordert obligatorische Stoffstrombilanzen beim Kühlgeräte-Recycling

Berlin, 2. Mai 2011: Die Atmosphäre könnte erheblich von Emissionen entlastet werden, die den Klimawandel anheizen und die Ozonschicht zerstören, wenn Kühlgerätehersteller in Deutschland die gesetzlichen Vorgaben zur umweltgerechten Entsorgung von Altkühlschränken nachkämen. Doch stattdessen unterlaufen nach Recherchen und Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) marktbeherrschende Kühlgerätehersteller seit Jahren die Einhaltung der Recyclingstandards zur ordnungsgemäßen Rückgewinnung und Vernichtung von extrem treibhauswirksamen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) aus Altkühlgeräten - und die zuständigen Behörden schauen weg. Die Entlastung der Atmosphäre, die allein durch die Einhaltung des Standes der Technik erreicht werden könnte, entspricht jährlich mehreren Millionen Tonnen CO2. FCKW sind außerdem hauptverantwortlich für die Zerstörung der Ozonschicht in der Atmosphäre.

"Klimaschutz ist eine Jahrhundertherausforderung und das Ozonloch über der Arktis in diesem Jahr größer denn je. Wir halten es für einen Skandal, dass die Kühlgerätehersteller es dessen ungeachtet zulassen, dass FCKW aus ausrangierten Kühlschränken und Kühltruhen nicht nach dem Stand der Technik zurückgewonnen und umweltgerecht vernichtet werden, wie dies beispielsweise in Österreich, Luxemburg, der Schweiz und den skandinavischen Staaten praktiziert wird", kritisiert DUH-Bun¬desgeschäftsführer Jürgen Resch. Mit ihrer Verweigerung einer Entsorgung nach dem in anderen EU-Mitgliedstaaten seit Jahren erreichten Stand der Technik seien die Unternehmen Bosch Siemens Haushaltsgeräte, Electrolux, Miele, Bauknecht, Liebherr und andere Kühlgerätehersteller jedes Jahr für vermeidbare Klimagasemissionen in Höhe von fast sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten allein in Deutschland verantwortlich. Diese Emissionen tauchten noch dazu in keiner Treibhausgas-Bilanz auf.

Zwar sind FCKW als Kälte- und Isoliermittel in Kühlgeräten bereits seit den 1990iger Jahren verboten. Doch enthalten derzeit noch mehr als drei von vier der ausrangierten Haushaltskühlgeräte FCKW. Diese Gase sind bis über 10.000 Mal klimaschädlicher als CO2. Das Klimapotenzial eines einzigen FCKW-haltigen Kühlgerätes entspricht deshalb im Durchschnitt rund 2,8 Tonnen CO2-Äquivalenten, was sich bei jährlich drei Millionen FCKW-haltigen Haushaltskühlgeräten in Deutschland auf eine Atmosphärenbelastung von 8,4 Millionen Tonnen CO2 summiert.
Um das Klima und die Ozonschicht schädigende FCKW-Emissionen aus alten Kühlgeräten zu vermeiden, schreiben einschlägige Standards eine Rückgewinnung von mindestens 90 Prozent der FCKW vor. Die 90 Prozent-Erfassung und anschließende Entsorgung ist in Europa Stand der Technik, er wird in Deutschland jedoch nicht annähernd erreicht. Laut Berechnungen der DUH auf Basis von Informationen der Landesumweltministerien und statistischen Landesämter über die jährliche Menge der zurückgewonnenen FCKW-Kühlmittel wurden in den vergangenen Jahren in deutschen Kühlgeräterecyclinganlagen nur durchschnittlich 40 bis 60 Prozent der FCKW zurückgewonnen und ordnungsgemäß entsorgt.

Die DUH hat mit Informationsbegehren bei den Umweltministerien der Länder im vergangenen Jahr erneut versucht, Daten zur Anzahl behandelter Haushaltkühlgeräte und zu den Mengen der daraus entnommenen FCKW zu erheben. Der Befund war ernüchternd. Denn nachdem noch 2009 alle sechzehn Bundesländer die Daten geliefert hatten, auf deren Basis die DUH errechnen konnte, dass zu wenig des in den Altgeräten enthaltenen FCKW tatsächlich vernichtet worden war, erklärten zwei Drittel der Bundesländer bei der Wiederholung der Befragung im Jahr 2010 überraschend, diese Umweltdaten nicht mehr zu besitzen. Nur noch fünf Länderministerien (Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen) erheben danach die Daten, die für die Kontrolle eines ordnungsgemäßen Recyclings unabdingbar sind (wobei Bremen und Hamburg auf ihrem Territorium über keine Kühlgeräte-Recyclinganlagen verfügen). Mehrere Bundesländer wollten nur die Anzahl der Recyclinganlagen benennen; andere wiederum nur, wie viel FCKW zurückgewonnen wurde, aber nicht aus wie vielen Kühlgeräten.

"Das offensichtliche Desinteresse der obersten Umweltbehörden der Länder offenbart eine Haltung nach dem Motto: Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß. Die neue Taktik, einfach keine Zahlen mehr zu erheben, zeigt wie unverblümt die Mehrheit der Behörden mit den industriellen Klimaschädigern der Kühlgeräteindustrie zusammenarbeitet. Nach dreimaliger Aufdeckung der im europäischen Vergleich beschämenden Recyclingquoten durch die DUH verweigern die meisten Landesbehörden nun die Herausgabe dieser Umweltinformationen oder verlangen dreist hohe Gebühren", erklärt Resch. Das bayerische Umweltministerium wählte die Vorwärtsverteidigung, indem es für den Fall einer Bereitstellung von Daten der DUH eine Gebührenrechnung von bis zu 2.500 Euro androhte. "Unverblümter wie von Umweltminister Söder wurde selten das Recht von Bürgerinnen und Bürger auf Umweltinformationen torpediert."

Im Rahmen ihrer gesetzlich geregelten Produktverantwortung sind Kühlgerätehersteller für die ordnungsgemäße Entsorgung ausgemusterter Produkte aus ihrer Herstellung verantwortlich. In Österreich und Luxemburg, wo die Entsorgung von mehr als 90 Prozent der FCKW aus ausrangierten Kühlgeräten nachgewiesen wird, bringen die Hersteller (nach Abzügen von Rohstofferlösen) pro entsorgtem Gerät rund sechs Euro auf. In Deutschland sind die Kühlgerätehersteller nicht bereit, sich den Dienst an der Umwelt mehr als ein bis zwei Euro pro Gerät kosten zu lassen. "Das Billigrecycling in Deutschland ist eine unmittelbare Konsequenz aus der Weigerung der Hersteller, eine ordnungsgemäße Entsorgung zu finanzieren. Im Ergebnis sparen sie auf Kosten der Umwelt jährlich 16-20 Millionen Euro", rechnet Resch vor.

Auf Basis der Auskünfte der Länderumweltministerien ergibt sich nach den DUH-Recherchen in den vergangenen Jahren eine vermeidbare Belastung der Atmosphäre von 5,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Die Geschäftsführer und Unternehmensleiter der Hersteller sind nach Überzeugung der DUH persönlich verantwortlich für das, was in ihren Unternehmen beziehungsweise in der Verantwortlichkeit ihrer Unternehmen geschieht - und damit auch für die vermeidbaren FCKW-Emissionen.

Entsprechend der auf Basis von Brancheninformationen geschätzten Marktanteile bei den Kühlgeräten gingen somit rund
 1,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf das Konto von Dr. Kurt-Ludwig Gutberlet, Geschäftsführer des Marktführers BSH Bosch und Siemens Haushaltgeräte GmbH (ca. 25 Prozent Marktanteil),
 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf das von Klaus Wührl, Geschäftsführer der Electrolux Hausgeräte Vertriebs GmbH (ca. 20 Prozent)
 0,75 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf das Konto von Werner Devinck, Geschäftsführer der Bauknecht Hausgeräte GmbH (knapp 15 Prozent),
 0,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf das Konto von Dr. Markus Miele und Dr. Reinhard Zinkann, Geschäftsführer der Miele & Cie. KG (ca. 10 Prozent) und
 0,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf das Konto von Isolde und Willi Liebherr, Unternehmensleiter der Liebherr-International Deutschland GmbH (ca. 7 Prozent).

Bereits die Einladung zur heutigen Pressekonferenz der DUH führte beim Branchenverband ZVEI zu hektischer Betriebsamkeit. Als Beleg für die korrekte Recycling-Leistung wird auf eine brancheneigene Überprüfung von fünf deutschen Kühlgeräte-Recyclinganlagen verwiesen. Nach Überzeugung der DUH handelt es sich bei der ihr vorliegenden Industrie-Studie um eine Mogelpackung. Angebliche Fortschritte bei der Kühlgeräteverwertung seien damit nicht belegt. Die Untersuchungen seien nicht transparent und nicht nachvollziehbar und die erzielten Ergebnisse nicht korrekt interpretiert. Von der DUH mehrfach angeregte Analysen und Plausibilitätsprüfungen wurden nicht durchgeführt.
"Die Studie des ZVEI ist ein plumper Versuch der Kühlgerätehersteller, von den seit Jahren bestehenden Defiziten beim Kühlgeräterecycling abzulenken", kritisiert Resch. Die Verwertung von Kühlgeräten in Deutschland erfülle nicht den gesetzlich geforderten Stand der Technik mit entsprechend hoher FCKW-Rückgewinnung.

Nach Ansicht der DUH belegen die Untersuchungen sogar die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben bei der FCKW-Rückgewinnung aus Altkühlgeräten. Erhoben wurden beide einschlägigen Komponenten der FCKW-Rückgewinnung: a) FCKW aus dem Kältekreislauf und b) Rückgewinnung aus der Isolierung, die aus Polyurethan (PUR)-Schaum besteht. Keine der fünf untersuchten Anlagen erreichte in der Summe den Zielwert von mind. 90 Prozent FCKW-Rückgewinnung. Die beste Anlage kam zwar bezogen auf den Kältekreislauf auf eine Rückgewinnung von mehr als 90 Prozent, verfehlte jedoch das Ziel wegen schlechterer Werte bei den Isolierstoffen. Die schlechteste Anlage erreichte bezüglich der Kältemittel nur 65 Prozent. Unter der realistischen Annahme, dass die in deutschen Altkühlgeräten durchschnittlich eingesetzte PUR-Schaum-Menge sich nicht wesentlich von den in Österreich, Schweden oder der Schweiz aktuell festgestellten Mengen unterscheidet, erreichte keine der untersuchten Anlagen die Zielmarke von 90 Prozent FCKW aus der Isolierung; die schlechteste kam auf nur 52 Prozent.

Die ernüchternden Resultate ergaben sich, obwohl nur in einer der untersuchten Anlagen "definitive Undichtigkeiten" festgestellt wurden. "Festzuhalten bleibt, dass in den untersuchten, ausdrücklich als `gute deutsche Kühlgeräterecyclinganlagen` qualifizierten Testanlagen unter optimalen Bedingungen der europaweite Stand der Technik nicht eingehalten wird. Das nennen wir ein Armutszeugnis", kommentiert die Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH, Maria Elander. Die Frage sei, in welchen Größenordnungen sich die FCKW-Rückgewinnungsquoten in den über zwanzig nicht untersuchten Kühlgeräterecyclinganlagen in Deutschland bewegten, wenn schon die Ausgewählten den Stand der Technik verfehlten. Die ZVEI-Untersuchungen zeigten auch, dass das Kriterium "Dichtigkeit" einer Anlage keineswegs ein hochwertiges Kühlgeräterecycling sicherstelle.

Abhilfe kann nach Überzeugung der DUH nur die Einführung obligatorischer Stoffstrombilanzen bei der Entsorgung von Haushaltkühlgeräten und die parallele gesetzliche Festlegung von FCKW-Mindestrückgewinnungsquoten schaffen. Sie müssten sich am Stand der Technik von 90 Prozent orientieren, die in anderen EU-Mitgliedstaaten seit Jahren eingehalten werden.

Für Rückfragen:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Mobil: 0160 5337376,
E-Mail: elander@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, 0171 5660577,
Email: rosenkranz@duh.de



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