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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 21.03.2011
Die Wasserhüter von Quito
Oliver Hölcke berichtet zum Weltwassertag von den "Guardianes del Agua" aus Ecuador
















Sauberes Wasser ist eine Grundvoraussetzung für die Gesundheit der Menschen und für den Erhalt der Ökosysteme auf der Erde. Das weiß doch jedes Kind, könnte man meinen, doch in Ecuador ist Umwelterziehung in den Schulen fast noch ein Fremdwort. Der Treuhandfond FONAG (Fondo para la Protección del Agua) hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, gerade mit Kindern und Jugendlichen in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, zusammen zu arbeiten, um ihnen praxisnah und auf einprägsame Art und Weise die Bedeutung von sauberen Wasser zu vermitteln.

"Wir müssen auch mal ein kleines Schockerlebnis erzeugen", schmunzelt Alejandro Christ, deutscher Koordinator der "Guardianes del Agua" (Hüter des Wassers) des Umwelterziehungsprogramms von FONAG. Er steht am Geländer des Auffangbeckens des Wasserkraftwerks von Guangopolo, einem Vorort von Quito und schaut auf eine dreckige Ansammlung von Plastikflaschen, Styroporplatten und anderen Abfällen, die schäumend auf der Wasseroberfläche hin- und her gewirbelt wird. Neben und hinter ihm staunen die rund 35 Schulkinder der Jorge Icaza-Schule aus Quito, über den Dreck, der innerhalb von wenigen Stunden hier vom Rio San Pedro angeschwemmt worden ist. Die 10 bis 12-jährigen halten sich die Nase zu oder kräuseln die Nasenspitze. Es stinkt fürchterlich und der Anblick ist ekelerregend. Dabei bleibt ihnen der schlimmere Teil erspart, denn sie stehen hier am zweiten Filter. Weiter oben, am gröberen ersten Filter bleiben auch schon mal halbe Wohnungseinrichtungen oder ganze Tierkadaver hängen.

"Die Kinder sind jetzt in einem Alter, in dem sie schon analysieren und anfangen sich ihre eigene kritische Meinung zu bilden" sagt Alejandro Christ, der für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dieses institutionalisierte Umweltbildungsprogramm mit Schwerpunkt Wasser seit zwei Jahren leitet. Ziel ist es, die Einstellung der Stadtkinder gegenüber der Umwelt zu verbessern, und ihnen die Bedeutung der Ökosysteme klar zu machen, insbesondere des Páramos, aus dessen Böden in den Provinzen Pichincha und Napo, dem Einzugsgebiet von Quito, fast 60% des Wassers kommt, das in der Zweieinhalb-Millionen-Metropole konsumiert wird.

FONAG ist ein von privaten und öffentlichen Trägern sowie Nichtregierungsorganisationen gegründeter Treuhandfond, der auf 80 Jahre angelegt ist und monatlich mit 1,75% (Zielgröße: 7%) der Einnahmen des städtischen Wasserunternehmens gespeist wird. Durch diesen Mechanismus können zusätzliche Finanzierungsmittel, zum Beispiel von internationalen Umweltschutzorganisationen akquiriert werden,welche die Nachhaltigkeit des Programms gewährleisten.

Seit das Programm im Oktober 2005 gestartet wurde, haben bereits mehr als 30.000 Schulkinder daran teilgenommen, im Schuljahr 2010/2011 sind es rund 5.500. FONAG beschäftigt eine Person, die nur mit der Wirkungskontrolle beschäftigt ist, d.h. am Anfang des Schuljahres werden die Schüler nach ihrem Vorwissen und Umwelt-Einstellungen befragt und das wird mit ihren Kenntnissen und Einstellungen nach Absolvierung des Programms verglichen.
Der Ausflugstag zum Río San Pedro ist nur ein Teil des umfassenden Umweltbildungsprogramms von FONAG. Die "Mobile Umwelterziehung" auf der anderen Seite ist ein kontinuierlicher Lernprozess. Bei dieser Variante fahren die Umwelterzieher des FONAG, darunter Ökologinnen und Soziologen, mit einem ihrer drei Umweltmobile - umgerüstete und mit Anschauungs- und Lernmaterialien vollgepackte Pickups - zu den Schulen. Den Schülern und Schülerinnen aus ländlichen Gemeinden wird dabei fundiertes Umweltwissen und praktische Handlungsalternativen vermittelt. Jede der derzeit 36 teilnehmenden Schulen wird neun Mal im Jahr besucht, um Themenworkshops zu veranstalten. Hier erfahren die Schulkinder auf unterhaltsame und spielerische Art mehr über die Funktionen und Bedrohungen der Ökosysteme, traditionelles Umweltwissen und den ökologischen Landbau.

Nach dem kleinen Schreckerlebnis am Auffangbecken des Wasserkraftwerks geht es mit den Schülern nun einige Kilometer weiter flussaufwärts, näher zum Ursprung des Rio San Pedro. Hier in Amaguaña scheint die Luft noch reiner, das Wasser noch sauber zu sein. Die Kinder springen aus dem Bus mitten hinein in den mit Wiesen, Hinweisschildern und Pfaden liebevoll angelegten Park, durch den das Wildwasser des Rio San Pedro rauscht. Hier kommt der Vorher-Nachher-Effekt voll zum Tragen, der einen nachhaltigen Eindruck bei den Schülern hinterlässt. Die Kinder sehen den gleichen Fluss, der weiter unten so gut wie biologisch tot ist, hier frisch und sauber. Dazu kommt, dass sich keiner vorstellen kann, dass sich auf diesem Gelände vor wenigen Jahren noch die örtliche Müllhalde befand. Jugendliche aus dem Ort hatten sich damals organisiert und innerhalb von zwei Jahren den "Cachaco"-Park aufgebaut. Mittlerweile ist er als Naherholungsgebiet und als saubere Quelle für die Haushalte der umliegenden Bewohner nicht mehr wegzudenken.

Im Cachaco leben neben Beutelratten auch eine endemische Eidechsenart, Schlangen, Taranteln und vor allen Dingen ein Vielzahl an Vogelarten, wie der Südliche Gelbgimpel oder der bunte Rotmantelspecht. Eine der besonderen Fischarten, die in den Gewässern des Parks zu finden sind, ist der Andenwels "Preñadilla", der zu den bedrohten Tierarten gehört und dessen Vorkommen ein Zeichen für die Sauberkeit des Wasser ist.

Die Kinder stürmen jeder mit einer Lupe in der Hand los und entdecken mit ständig wachsender Begeisterung kleine Insekten, Larven oder Froscheier auch in dem mit Quellwasser gefüllten Naturbecken, in dem schon der letzte Inka-Herrscher Atahualpa aber auch der Unabhängigkeitskämpfer Simon Bolivar gebadet haben sollen. Nicht nur diese Geschichte begeistert die Kinder, die Umwelterzieher zaubern nun kleine Handpuppen heraus, die aus der Sicht der im Park vorkommenden Tiere die Notwendigkeit einer sauberen Umwelt erklären. Marina Salazar ist eine von den acht festangestellten Umwelterziehern von FONAG. Die 30-jährige meint "der direkte Kontakt, der Austausch und die Spiele mit den Kindern sind mir sehr wichtig, weil ich dann auch sofort mitbekomme, ob die Kinder die Botschaft verstanden haben oder ob ich noch ein wenig nachhaken muss."

Nach einem kleinen Imbiss geht es weiter in den Park hinein zu einer Baumschule, in der den Kindern die verschiedenen einheimischen, aber auch eingeführten Baum- und Pflanzenarten erklärt werden. In einer anderen Station spielen sie dann Müll-Roulette, wo die Gruppe gemeinsam Chip-Punkte für richtig beantwortete Fragen einsammelt und am Ende des Ausflugstages in einen Pflänzling einer einheimischen Baumart eintauschen kann. Den pflanzen sie dann gemeinsam in ihrer Schule ein.

Bevor es wieder in ihre Schule zurück geht, schließen die Jungen und Mädchen noch einen Pakt mit den Umwelterziehern und lassen sich zu Wasserhütern taufen. "Während ich die Zähne putze schließ ich jetzt immer den Wasserhahn", verspricht die 10-jährige Sidney. "Ich werde jetzt nie mehr Öl ins Spülbecken schütten" fügt der 11-jährige Miguel hinzu und zeigt stolz auf das kleine Schildchen, das an seiner Brust hängt: "Soy un Guardian del Agua" ("Ich bin ein Wasserhüter").
Text und Fotos: Oliver Hölcke

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