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Rubrik:Politik & Gesellschaft    Datum: 08.03.2011
Frauenpower im Regenwald
Zum Weltfrauentag am 8. März 2011 berichtet Oliver-André Hölcke aus Ecuador























Ecuador ist bunt und facettenreich wie ein Abenteuerroman.
Das südamerikanische Andenland gehört zu den 17 megadiversen Ländern, die zusammen fast 70% der Arten auf unserem Planeten beherbergen.
Zudem leben in Ecuador eine Vielzahl von unterschiedlichen ethnischen Gruppen, die sich teilweise untereinander gar nicht kennen. Bei einem von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisierten Treffen von Frauengruppen aus acht verschiedenen Kulturkreisen, ging es um Ernährungssicherung, Stärkung der eigenen Identität, aber auch um Abbau von Vorurteilen.

Die Sonne brennt auf das Aja (ökologischer Hausgarten) von Beatriz Nantip. Die 61jährige Kleinbäuerinnen gehört der indigenen Volksgruppe der Shuar an und lebt mit ihrer Familie tief im Süden Ecuadors an den östlichen Ausläufern der Andenkordillere in Bomboiza. Beatriz Nantip führt durch ihren Aja gerade eine vor Anstrengung und Hitze schwitzende Besuchergruppe, die sich über ihre Landwirtschaft und Produkte informieren will. Nach ausdrücklicher Bitte von Nantip laufen alle barfuß durchs Gestrüpp und über knochentrockenen, lehmigen Sandboden. Nicht nur, daß man ungewollte Samen an den Schuhsohlen mit auf das Grundstück bringen könnte, nein, auch die negative Energie, die an den Sohlen haftet, soll draussen bleiben. Alle Besucher verstehen die Bitte und ziehen ihre Schuhe aus.

Rosia Arrogo, die Präsidentin der Afro-Ecuadorianischen Frauenorganistation "29 de septiembre" hat mit ihren drei Kolleginnen eine Anreise aus der Küstenprovinz Esmeraldas (Nordecuador) von fast zwei Tagen hinter sich. Sie ist die Hitze scheinbar gewohnt und macht sich eifrig Notizen über das was ihr und den anderen Teilnehmerinnen erzählt wird.

Transuto Manobanda aus Chibuleo dagegen quält sich. Die Präsidentin der indigenen Organisation UNOPUCH ist viel zu warm für diese Temperaturen angezogen. Hat sie doch die traditionelle Kleidung der Hochland-Kichwa an: ein langer dunkler Stoffrock, Bluse, schwere Stola und Hut. In ihrer Heimat, der Sierra, dem Andenhochland von Ecuador weht oft ein heftiger Wind und herrschen kühle Tagestemperaturen zwischen 10 und 15 Grad. Aber auch sie will mehr über die spezielle Anbauweise der Shuar, über die Kombination von Nutz-, Medizinal- und kulturellen Pflanzen auf einer Landwirtschaftsfläche wissen und lässt sich die Hitze nicht anmerken.

Beatriz Nantip und die Frauen der Vereinigung "Asociación de Centros de la Nacionalidad Shuar" sind für drei Tage Gastgeberinnen des 1. interkulturellen Treffen ethnischer Frauengruppen aus Ecuador. Eingeladen sind unter anderem auch Repräsentanten des Landwirtschaftschaftsministeriums, des Ministeriums für ökonomische und soziale Beteiligung und lokaler Institutionen sowie die Präfekten zweier Provinzregierungen.

Agrobiodiversität und Ernährungssicherung, das sind die Schlagworte, die diese in ihrer Art und Aussehen so unterschiedlichen Frauen miteinander verbindet. Sie alle haben Felder zu Hause, die sie traditionell ohne Pestizide bewirtschaften und mit dessen Produkten sie ihre Familien ernähren. Jede hat jahrelange Erfahrung, aber nie die Möglichkeit gehabt, diese Erfahrungen mit Frauen aus dem gleichen Land, geschweige denn mit Frauen aus einer anderen Kultur auszutauschen.

Hier nun treffen das erste mal Vertreterinnen von Frauengruppen der Afro-Ecuadorianer aus Esmeraldas, der Kichwa (vom Hochland und der Amazonasregion), der Chachi, der Saraguro sowie der Mestizen und Kleinbäuerinnen aus dem Hochlandgebiet Tungurahua aufeinander.

"Ich wußte gar nicht, daß es die Shuar gibt" sagt Rosia, die mit ihrer dunklen Hautfarbe hier im Dorf der Shuar für neugierige Blicke sorgt. Salvador Quishpe Lozano, Präfekt der Provinz Zamora Chinchipe freut sich daher auch über die Gelegenheit sich gegenseitig kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. "Leider gibt es in Ecuador immer noch eine gewisse Art von Rassismus. Der Spruch, "ein Schwarzer der läuft, ist ein Dieb" ist hier sehr geläufig. Diese Vorurteile müssen wir zerstören. Viele Shuar kennen die schwarze Bevölkerung nur von Fotos aus Zeitungen oder vom Fernsehen, aber die wenigstens haben sie persönlich gesehen."

Am Rande des Regenwaldes, dort wo der steinige Schotterweg endet und der Bus mit den Teilnehmerinnen kurz vorher in einem kleinen Wasserlauf steckenbleibt und nicht weiter kommt, haben die gastgebenden Shuar mehrere Stände aufgebaut. Hier soll wie auf einer kleinen Agrobiodiversitäts-Messe jede Frauengruppe ihre lokalen Produkte und Anbauweisen vorstellen und erklären. Die Frauen machen auf ihre Lebenssituation in ihrer Heimat und bei sich zu Hause aufmerksam. Sie erzählen, wie es bei Ihnen im Dorf vor 25 Jahren aussah und was sich bis heute alles verändert hat. Dabei zeigen sie immer wieder auf die selbst gemalten Grafiken an den Schautafeln, um deutlich zu machen, was sich in ihrem Zusammenleben in der Gemeinschaft, aber auch mit ihren Ehepartnern getan hat.

So erzählt Rosia zum Beispiel, dass sie erst vor zwei Jahren in einem Workshop, der von der Regierung organisiert war, auf ihre besonderen Rechte als Frau aufmerksam gemacht worden ist. Dadurch seien auch die Frauen in ihrem Dorf selbstbewusster geworden und die Situation habe sich in vielen Ehen verbessert.
Am Abend kommen die Frauen noch einmal zu einem Kulturprogramm zusammen. Jede Gruppe hat ein kleines Schauspiel, einen Tanz und Gesang vorbereitet. Rosia und ihre drei Kolleginnen tragen ein typisches Outfit der Afro-Ecuadorianierinnen: weiße Bluse mit Rüschenkragen und ein weiter grüner Rock mit Apfelaufdruck. Die anfängliche Unsicherheit bei der Darstellung einer Szene aus dem Dorf weicht bald einem stolzen Ausdruck beim Tanz zu typischer Marimba-Musik. Später bereiten sie in der Küche für die rund 80 Teilnehmer und Teilnehmerinnen noch ein kleinen Snack vor: heisse Trinkschokolade, Chifles (fritierte Bananenscheiben) und in Kokosnuss-Sauce eingelegte Schweinerippchen.

"Mit diesem Event haben wir einen ersten Schritt für weitere Treffen gemacht" sagt Beatriz Nantip. "Wir Shuar-Frauen zeigen den anderen Frauen, wie ein Modell funktioniert, indem ökologisch angebaut wird und man vom Verkauf der Produkte sich andere Dinge, wie Gesundheitsversorgung oder Bildung leisten kann." Auch Sylvia Reinhardt von der GIZ freut sich: "Wir möchten dieses Event dies Jahr in einer andere Region, in der Sierra oder in Esmeraldas, fortsetzen."
Am Ende waren alle Teilnehmerinnen sehr zufrieden mit dieser Frauen-Veranstaltung, in einem Land, das immer noch mehr vom Machismo geprägt ist, als man beim Anblick der verschiedenen Frauengruppen hier vermuten mag.


Text und Fotos: Oliver Hölcke





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