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Presse-Stelle:  Dr. Franz Alt Journalist, D-76530 Baden-Baden
Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 16.11.2010
Umweltstörungen schlimmer als Konkurrenz
Bei Pflanzen wirken sich Umweltstörungen weitaus stärker auf die Artenvielfalt aus als starke Konkurrenz.
Sie reduzieren nicht nur die genetische Vielfalt innerhalb der Population, sondern bringen auch zahlreiche Genotypen ganz zum Verschwinden. Diese jetzt in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlichte Erkenntnis stufen Forscher angesichts der zunehmenden von Menschen verursachten Störungen von Naturlandschaften als besorgniserregend ein.

Wettbewerb und Umweltstörungen sind die beiden starken Selektionskräfte, welche bei den Pflanzen den Verlauf der evolutionären Entwicklung mitbestimmen, und die in Abhängigkeit voneinander wirken. Sind die Umweltstörungen selten, ist die Pflanzendichte gross und der Wettbewerb intensiv. Sind die Störungen dagegen häufig, führt dies zu einem Lebensraum mit geringer Pflanzendichte und schwachem Wettbewerb. Bei häufigen Störungen ist es für die Pflanze daher entscheidend, ob sie in der Lage ist, ihre Samen weiträumig zu verbreiten.

Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe unter der Leitung der UZH-Forschenden Ueli Grossniklaus, Bernhard Schmid und Lindsay Turnbull untersuchte nun erstmals, wie sich Wettbewerb und Umweltstörungen auf die genetische Vielfalt einer Pflanzenart auswirken. Dabei leisteten die Wissenschaftler für ihre jetzt in PNAS veröffentlichte Studie Pionierarbeit, denn erstmals kombinierten sie ökologische Techniken mit neuesten Möglichkeiten der Genanalyse. Dadurch, dass sie die Versuche mit der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) durchführten, standen ihnen zudem die neuesten Methoden der Genomforschung zur Verfügung. Denn das Genom der Ackerschmalwand wurde vor einigen Jahren vollständig entschlüsselt.


Genetische Vielfalt bereits nach wenigen Generationen reduziert

Die Forschenden bepflanzten besiedelbare Inseln von Modell-Landschaften mit verschiedenen genetischen Varianten der einjährigen Modellpflanze. Dabei erzeugten sie sogenannte statische und dynamische Landschaften: Während die Inseln der statischen Landschaften unberührt blieben, wurden jene der dynamischen Landschaften nach jeder Pflanzengeneration zerstört und an anderen Orten neu angelegt. Überleben konnten somit nur Varianten, die in der Lage waren, ihre Samen an diese neuen Orte auszubreiten.

Nach fünf Generationen der Selektion untersuchten die Wissenschaftler die phänotypische, die genetische und die genotypische Diversität der insgesamt 24 Populationen - mit eindrücklichen Ergebnissen: Die genetischen Analysen belegen, dass Umweltstörungen hoch potente Selektionskräfte sind, welche die genetische Vielfalt von ganzen Populationen innerhalb von wenigen Generationen drastisch reduzieren können. Die Konkurrenz als Selektionskraft wirkte sich im Vergleich dazu weitaus schwächer aus: Gemeinschaften mit starker Konkurrenz bewahrten die grössere genetische Vielfalt.

"Der Verlust an genetischer Vielfalt folgt einem klaren Muster", erläutert Lindsay Turnbull die weiteren Resultate ihrer Pionierarbeit: "War Konkurrenz die vorherrschende Selektionskraft, wurde zu Gunsten von schnell wachsenden Genotypen selektioniert. Diese erwiesen sich innerhalb der Art als erfolgreichste Konkurrenten, welche Licht und Nährstoffangebote am besten ausnutzen.» Bei häufigen Störungen dominierten bei Versuchsende hingegen zwei genetisch sehr ähnliche, hoch wachsende Genotypen mit kleinen Samen: Denn diese konnten ihre Samen weit verbreiten und auf neue, ungestörte Inseln ausweichen. "Auf der Strecke blieben jetzt die schnell wachsenden Genotypen", schlussfolgert Turnbull, "da bei erfolgreichen Konkurrenten die Ausbreitung der Samen meist gering ist."


Besorgniserregende Aussichten

Die Studie zeigt, dass bei genügender genetischer Variationsbreite Populationen durchaus in der Lage sind, sich unerwartet schnell an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Doch diese schnelle Anpassung hat ihren Preis: Wertvolle Genvariationen können unwiederbringlich verloren gehen. Und der Verlust an genetischer Vielfalt schränkt wiederum die Bandbreite ein, auf künftige Veränderungen reagieren zu können. Zudem könnten wiederkehrende Umweltstörungen dazu führen, dass nicht nur Genotypen oder Arten verloren gehen, sondern auch, dass durch sie die Leistungsfähigkeit der Ökosysteme insgesamt abnimmt.


Literatur:
Sima Fakheran, Cloé Paul-Victor, Christian Heichinger, Bernhard Schmid, Ueli Grossniklaus, Lindsay A. Turnbull; Adaptation and extinction in experimentally fragmented landscapes, PNAS November 2, 2010 vol. 107 no. 44 19120-19125; doi: 10.1073/pnas.1010846107
Quelle: Universität Zürich (UZH) 2010



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