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Rubrik:Essen & Trinken    Datum: 22.12.2009
Die K-connection - Kakao und Kallari
Vom Bankenmanager bis zur Kassiererin. Schokolade ist in aller Munde. Die Entstehung des kleinen süßen Rausches ist hochkomplex.
Eine Wegbeschreibung von Oliver Hölcke

Damit die sogenannte "Wertschöpfungskette Kakao" funktioniert, müssen die Räder von Anbau, Verarbeitung, Herstellung und Verkauf von Schokolade perfekt ineinander greifen. Hunderte Menschen sind daran beteiligt. Auch die Kakao-Kooperative Kallari, die ausschließlich von Indigenen betrieben wird. Sie leben im Osten Ecuadors am Rande des Amazonasbeckens, dort wo auch der Cacao Nacional wächst. Ein seltener Kakao, der als einer der besten Rohstoffe für Schokolade gilt und als Nischenprodukt gehandelt wird. Die Kakaopflanze wird seit Generationen von den Kichwa-Indianern in biodiversen Waldgebieten entlang des Rio Napo angebaut.

Cacao Nacional ist eine Diva. Die hochwertige Kakaopflanze, die auch "Arriba" genannt wird, ist wählerisch, was Boden und Klima betrifft und sie ist anspruchsvoll, was Pflege und Schutz angeht. Einem konventionellen Kakaobauern wäre das zu viel Aufwand. Der 54 jährige Lizardo Pizango allerdings ist seit 40 Jahren Kakaobauer, gehört zum Volk der Kichwa und hat die Diva mittlerweile voll im Griff.

Pizangos Kakaofeld ist Teil des Urwaldes selbst und liegt in der Provinz Napo, im Osten Ecuadors. Die Pflanzen stehen hier scheinbar wild durcheinander, es ist eine Kombination aus mindestens 40 Arten von Obstbäumen, Nutzholzarten, Palmen und anderen Pflanzen. Diese "Waldplantagen" sind widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Krankheitsbefall. "Wir haben hier noch nie mit chemischen Mitteln gearbeitet", sagt Pizango. Diese Art der biodiversen Waldnutzung schützt nicht nur die vielen verschiedenen Pflanzenarten, sondern auch Tiere und den Lebensraum der Menschen. Das Ökosystem wird nachhaltig erhalten und die Bewohner verdienen ihren Lebensunterhalt.

Pizango liefert seine Kakaobohnen an die Kakao-Kooperative Kallari. Sie hilft den Bauern, nicht nur ihren Lebensraum zu bewahren, sondern auch mit fairen Preisen. Für ein Quintal (Sack, der ca. 45kg wiegt) bekommt er heute 45 US$. Früher waren es nicht einmal die Hälfte, sagt er. Das durchschnittliche Einkommen der Kichwa-Familien basierend auf Kakao betrug 2008 rund 305 US$ und hat sich im Vergleich zu 2006 (62 US$) fast verfünffacht.

Unterstützt wird Kallari von verschiedenen öffentlichen und privaten Organisationen u.a. auch von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die GTZ hat bei Kallari das Konzept zur Förderung von Wertschöpfungsketten ValueLinks angewendet. Es ist eine Strategie zur Einkommensverbesserung von Kleinbauern und zum nachhaltigen Management der natürlichen Ressourcen. In dieser Strategie wird zunächst die Wertschöpfungskette analyasiert und ein Verbesserungskonzept gemeinsam mit den teilnehmenden Akteuren vereinbart. Dazu gehören Massnahmen wie Produktivitätssteigerungen, Biozertifizierung des Kakaos, Qualitätsverbesserungen, Entwicklung von Dienstleistungen, Verbesserungen des Rechtsrahmens und Marktzugang. Dies alles führt zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wertschöpfungskette und somit zur Einkommensverbesserung der Kleinbauern.

1997 gründeten 60 Familien in der Provinzhauptstadt Tena die Kooperative Kallari. Die Kleinbauern verkauften zunächst vor allem handwerklichen Schmuck aus den Samen von Waldbäumen. Der Export von Kakao begann 2005 mit 8 Tonnen und 2008 waren es schon 32 Tonnen. Nicht nur die GTZ ist stolz auf den Erfolg der rein indigenen Initiative, auch die amerikanische Hilfsorganisation USAID investiert in Kallari und seit 2007 wird Kallari auch von "GEO schützt den Regenwald e.V." in Kooperation mit der GTZ unterstützt.
Im Grunde genommen hat Kallari nur 10 feste Mitarbeiter, aber diese sichern die Arbeit für mittlerweile 2000 Familien, also rund 10.000 Menschen.
In den Sammelstellen werden in der Erntezeit jede Woche rund 300 Säcke mit Kakaobohnen abgeliefert, die hier in einem speziellen Verfahren fermentiert, getrocknet und sortiert werden.

Früher hat man noch per Hand die unterschiedlichen Größen aussortiert, heute schüttet man die Bohnen in ein Rüttelsieb und von dort fallen sie in verschiedene Säcke. Die großen, gerade gewachsenen, gutaussehenden Bohnen zum Beispiel in die Säcke, die in die Schweiz zur exquisiten Schokoladenfabrik Max Felchlin AG exportiert werden. Der Kontakt zwischen Kallari und Felchlin kam über die Unterstützung durch die GTZ zustande.

Hygiene und Idylle Felchlin in Schwyz

Die Max Felchlin AG sitzt im idyllischen Schwyz im Kanton Schwyz und hat sich auf ausgefallene Kakaosorten spezialisiert. "Eine notwendige und richtige Entscheidung, die wir Ende der 1990er getroffen haben," sagt Christian Aschwanden, Geschäftsführer von Felchlin. "Damit haben wir uns auf dem damals boomenden Schokoladenmarkt positioniert. Und unsere damaligen Kunden haben wir immer noch."

Chef-Einkäufer Felix Inderbitzin lässt es sich nicht nehmen, jeden Kakao, der in das Programm mit aufgenommen werden soll, höchstpersönlich im Ursprungsland zu kosten. Er fährt zu den Bauern, weil er wissen will, wo die Ware her kommt, wie es dort aussieht, wer sie anbaut, was das für Familien sind und in welchen Verhältnissen sie leben. Ganz im Interesse der GTZ, die Felchlin nicht nur mit der Reise zu den Kallaris durch Beratung und Finanzierung unterstützt, sondern auch Informationen über die Marktentwicklung bereit gestellt hat. Zum anderen wurden gemeinsam die ersten Muster vorbereitet und die GTZ half, die Qualitätsvorstellungen zwischen den Schweizern und Ecuadorianern abzustimmen.
Am Anfang lief allerdings nicht alles reibungslos. Die erste Order für eine Großcharge von acht Tonnen ließ sich nur schwer organisieren. Da waren wieder einmal die Mitarbeiter der GTZ gefragt, um zu vermitteln, den Prozess zu begleiten und das Produkt an den Kunden zu bringen. "Kinderkrankheiten. Seit zwei, drei Jahren kommen die Lieferungen ganz gut." sagt Inderbitzin.
Für die Schweizer zählt nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern auch der Geschmack und der hat sie bei Kallari überzeugt. Es gäbe zwar ertragreicheren Kakao, aber der stamme oft aus Monokulturen und sei viel schwächer im Geschmack. Mit diesem soliden Grundstock kann man auch gute Schokolade herstellen.

Die Angst vor Aromaverlust

Auch nach dem Eintreffen der ecuadorianischen Säcke in der Schwyzer Schokoladenmanufaktur, ist der Kakao in sorgsamen Händen. Nach einer nochmaligen maschinellen Vorreinigung, wird der Kakao einer mikrobiologisch, antibakteriellen Reinigung unterzogen, in der auch eventuelle Keime abgetötet werden. "Wir debakterisieren die Bohnen, d.h. die Zellstrukturen bleiben intakt und wir haben keinen Aromaverlust." sagt Aschwanden.
Oldtimer im Schokoladenmaschinenpark sind die beiden Kugelröster der Firma Barth aus Ludwigsburg. Sie sind die Schmuckstücke und die Geheimnisträger des unvergleichlichen Röstverfahrens. Während neuere Maschinen Tonnen von Bohnen rösten, beschränkt sich das Fassungsvermögen dieses Typs auf 200 Kilogramm. Vorteil: Man kann auf die eigenen Bedürfnisse eingehen und hat damit Einfluss auf die Einheiten, oder man kann längere und kürzere Röstzeiten gezielt steuern.
Auch beim sogenannten Conchieren, dem Rührprozess, bei dem die Schokolade ihren zartschmelzenden Charakter erhält, schlägt Felchlin fast alle Rekorde. Nach 72 Stunden in der Conche und das ist eine Besonderheit beim Arriba aus Ecaudor, so lang wird kaum ein Kakao bearbeitet, entsteht die Grand Cru Waldschokolade mit 73% oder 40 % Kakaogehalt.

Die Abtafelung findet zunächst in einem nahe gelegenem Schweizer Werk statt und von dort wird die verpackte Schokolade per LKW zu einem gemieteten Zentrallager der deutsch-schweizerischen Vertriebsfirma "Original Food" nach Kehl gefahren. Auch hier hat die GTZ den Kontakt hergestellt. Nun prangt der Name "Rio Napo" auf dem Cover und die Tafel ist fertig für den deutschen Schokomarkt. "Er strahlt Authentizität aus, ohne gekünsteltes Geschnörkel", sagt Original Food-Geschäftsführer Florian Hammerstein. Rund 250 Einzelhandelsgeschäfte, Kaufhäuser, Chocolatiers oder Reformhäuser werden in Deutschland beliefert, aber auch so prominente Kunden wie Boris Becker, Heino Ferch oder Jürgen Vogel.
Hammerstein ist mit dem Bestellumfang durchaus zufrieden. "Der Hype um Schokolade ist zwar vorbei, der Markt der hochpreisigen Schokolade wird kleiner und der Wettbewerb härter, aber in den Krisen läuft Kino, Bier und Kaffee super. Genauso wie Schokolade."

Die Schokolade wird bestimmt nach der Krisenzeit genauso ein Renner bleiben, das hoffen jedenfalls auch die Kichwa in der Provinz Napo im ecuadorianischen Amazonasbecken.


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