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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 19.12.2007
Umweltgesetzbuch: Alles was Umweltrecht ist
Ein einheitliches Umweltgesetzbuch ist eine große Chance - doch wird sie auch genutzt?
Seit der Föderalismusreform 2006 ist der Weg frei für ein Umweltgesetzbuch. Es soll das zersplitterte deutsche Umwelt- und Naturschutzrecht vereinfachen und den Schutz der Lebensgrundlagen verbessern. Der erste Entwurf wird gerade vorbereitet. Doch er erfasst nur einen Teil des Umweltrechts. Und die politische Lage birgt die Gefahr, dass Standards abgebaut werden. ? VON DOROTHEE DICK, UFU & ELLEN KRÜSEMANN, LANDESBÜRO NATURSCHUTZVERBÄNDE NRW

Sechs Bücher wird das erste deutsche Umweltgesetzbuch (UGB) umfassen. So sieht es die Planung des Bundesumweltministeriums (BMU) für die erste Fassung des neuen Regelwerks vor. Derzeit wird intensiv am UGB gearbeitet, denn in einem Jahr soll es in Kraft treten. Das erste Buch soll vor allem die gemeinsamen Vorschriften, die Umweltverträglichkeitsprüfung und die integrierte Vorhabengenehmigung sowie die planerische Genehmigung regeln. Das zweite behandelt das Wasserrecht, das dritte den Naturschutz und das vierte den Strahlenschutz. Das fünfte soll das Emissionshandelsgesetz enthalten und im sechsten Buch soll das Gesetz der Erneuerbaren Energien festgeschrieben werden. Dieses erste Paket soll in der folgenden Legislatur erweitert werden, und zwar um die Themen Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, Bodenschutz und Altlasten sowie Schutz vor gefährlichen Stoffen. Herzstück des Umweltgesetzbuchs ist die integrierte Vorhabengenehmigung. Sie soll das bisherige Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren durch eine übergreifende Vorhabengenehmigung ablösen. Ziel ist, dass beantragte Vorhaben grundsätzlich von einer Behörde unter allen umwelt- und öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und zugelassen werden: Ein Antrag, eine Behörde, eine Genehmigung . Das gilt auch, wenn der Bund auf die Organisation der Länderbehörden keinen direkten Einfluss hat. Die Neuregelung betrifft vor allem die gemeinsame Prüfung der immissionsschutzrechtlichen und der wasserrechtlichen Erfordernisse. Das Ziel einer einheitlichen und umfassenden Genehmigung ist auch aus Sicht des Umweltschutzes grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erfasst das UGB derzeit bei weitem nicht alle umweltrelevanten Genehmigungsverfahren.

Länder können von Bundesrecht abweichen

Der Bund darf künftig Vollregelungen im Naturschutz und im Wasserrecht schaffen. Rahmenregelungen, wie sie bisher im Wasserhaushaltsgesetz und Bundesnaturschutzgesetz bestanden, sind verfassungsrechtlich nicht mehr vorgesehen. Die umfassenden Neuregelungen im Buch Naturschutz sowie im Buch Wasserwirtschaft können dann bestehendes Bundes- und Landesrecht ersetzen. Allerdings können die Länder dafür in vielen Punkten vom Bundesrecht abweichen und eigene Regelungen erlassen - sie müssen es aber nicht.
Für das Umweltgesetzbuch soll nach den Vorgaben von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel das bestehende Umweltrecht vereinfacht, systematisiert und entbürokratisiert werden, ohne dass bestehende Umweltstandards abgebaut werden. Bei näherer Betrachtung reicht die Vereinheitlichung allerdings nicht allzu weit. Die in dieser Legislaturperiode in Angriff genommenen Teile des UGB umfassen nur einen Teil des deutschen Umweltrechts. Es fehlen unter anderem das Gefahrstoffrecht und das Bodenschutz- und Abfallrecht. Problematisch ist auch, dass die planerische Genehmigung zunächst alle "ressortfremden" Bereiche ausnimmt, vor allem Infrastrukturvorhaben wie Straßen oder Flughäfen. Das führt zu einem Nebeneinander alter und neuer Genehmigungsverfahren. Außerdem bleiben Rumpfgesetze beim Immissionsschutz und bei der Umweltverträglichkeitsprüfung in Kraft.

Wettbewerb um die schwächsten Standards droht

Überdies sind die neuen Kompetenzen im Wasser- und Naturschutzrecht teuer erkauft. Denn durch das Abweichungsrecht der Länder könnte ein Flickenteppich unterschiedlicher Landesgesetze entstehen. Abweichungsfest und damit dem Zugriff der Länder entzogen sind laut Grundgesetz beim Naturschutz die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes und des Meeresnaturschutzes sowie anlagen- und stoffbezogene Regelungen im Wasserrecht. Überall dort, wo die Ländergesetzgebung vom Bundesrecht abweichen darf, droht ein Abwärts-Wettlauf der Umweltstandards im Standortwettbewerb der Länder. Standards, die europarechtlich vorgeschrieben sind, etwa für das Schutzgebietsnetz Natura 2000 oder zum Artenschutz, dürfen allerdings auch künftig nicht unterschritten werden.

Auch künftig keine Verbandsklage

Da die Bundesregierung eine Zersplitterung des Umweltrechts durch abweichende Gesetze verhindern möchte, hat sie sich entschlossen, die Länder schon bei der Gestaltung des Referentenentwurfs einzubeziehen und nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen; so wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum UGB eingerichtet. Zu befürchten ist aber, dass der Bund entweder selbst Änderungen an den bislang vorliegenden Entwürfen vornimmt oder durch Unberührtheitsklauseln auf die Länderwünsche eingeht - oder dass die Bestimmungen so formuliert sind, dass die Länder selbst Abschwächungen vornehmen können. Auch auf das Verfahrensrecht haben die Länder Einfluss. Diesen kann der Bund zwar regeln, wenn er das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regel nachweist, jedoch müssen die Länder im Bundesrat zustimmen.
Im UGB wird Umwelt- und Naturschutzverbänden auch in Zukunft keine Klage gegen objektive Verstöße gegen das Umweltrecht ermöglicht. Zudem besteht die Gefahr, dass das Herzstück der Öffentlichkeitsbeteiligung, der Erörterungstermin, künftig nur noch durchgeführt werden muss, wenn die Behörde es für zweckmäßig hält. Dies fordern einige Länder. Sie ignorieren dabei, dass der Erörterungstermin frühzeitig gegenläufige Interessen zur Sprache bringt und in vielen Fällen eine transparente Lösung nach dem Konsensprinzip ermöglicht. Im Naturschutzrecht sind derzeit vor allem die Eingriffsregelung, die "gute fachliche Praxis", der Biotopverbund und die Landschaftsplanung in Gefahr.

Öffentlichkeit muss sich einmischen

Nach den bisherigen Plänen des Umweltministeriums soll das UGB am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Gleichzeitig endet das Moratorium im Verfahrensrecht, sodass die Länder von da an abweichende Verfahrensregeln beschließen können. Ein Jahr später, ab Januar 2010, dürfen die Länder auch von den wasserrechtlichen Regelungen sowie denen des Naturschutzes und der Landschaftsplanung abweichen. Allerdings ist der Referentenentwurf, der ursprünglich für September angekündigt war, noch nicht veröffentlicht. So ist zu befürchten, dass der Zeitplan des BMU nicht eingehalten werden kann. Doch wenn die Legislaturperiode verstreicht, ohne dass das Umweltgesetzbuch in Kraft getreten ist, kann das dazu führen, dass sich das Zeitfenster dafür erst einmal schließt.
Für die Umwelt ist das Umweltgesetzbuch von zentraler Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, dass BürgerInnen und Umweltverbände sich in den Gesetzgebungsprozess einmischen und der Öffentlichkeit sowie Bund und Ländern deutlich machen, was ein UGB leisten muss, um die heutigen und die küftigen Umweltprobleme, vor allem Klimawandel, Arten- und Biodiversitätsverlust, zu bewältigen. Gegenüber den Ländern müssen die Verbände entschieden Position beziehen, um eine Abschwächung der Entwürfe zu verhindern.


Eingriffsregelung: Beispiel 1
Vollregelungen des Bundes sollen künftig nicht nur vorschreiben, was ein Eingriff in die Natur ist und dass dieser vom Verursacher kompensiert werden muss. Geplant sind auch bundesrechtliche Vorgaben für den Vollzug - von der Unterhaltungspflicht für Kompensationsmaßnahmen über die Ersatzzahlung bis zu Kompensationsflächenkatastern, Ökokonten und behördlichen Prüfpflichten. Überall, wo der Bund hier Vorgaben macht, werden die entsprechenden Landesregelungen ersetzt - zumindest bis zum Ablauf des im Grundgesetz verankerten Moratoriums (vgl. Beispiel 2).

Eingriffsregelung: Beispiel 2
Wenn das künftige Naturschutz-Buch im UGB bei der Eingriffsregelung wie bisher Ausgleichsmaßnahmen über Ersatzmaßnahmen stellt, steht der Bundesgesetzgeber vor der Frage, ob er diese Unterscheidung abweichungsfest gestalten will. Beschränkt er sich darauf, nur die Notwendigkeit von Kompensationsmaßnahmen als solche zum "allgemeinen Grundsatz des Naturschutzes" zu erklären, dann könnten die Länder nach Ablauf des im Grundgesetz vorgesehenen Moratoriums mit eigenen Gesetzen von allen Bereichen abweichen, die nicht unter die "allgemeinen Grundsätze" fallen. Im Landesnaturschutzrecht könnten dann auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (1) gleichgestellt werden. Erklärt der Bund dagegen die Unterscheidung für abweichungsfest, wären die Länder an anderslautenden Regelungen gehindert.

Verbände begleiten UGB
Die Autorinnen wirken an zwei Verbandsprojekten mit, die die Reform kritisch begleiten und die Standpunkte der Umweltseite deutlich machen. Neben fachlichen Stellungnahmen und Veranstaltungen werden die Öffentlichkeit und die Verbände über die zentralen Themen der Novelle informiert. Die Deutsche Umwelthilfe, das Öko-Institut und das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU) widmen sich dem gesamten Gesetzgebungsvorhaben (www.umweltgesetzbuch.org).
Schwerpunkte des zweiten, vom DNR und dem Landesbüro der Naturschutzverbände NRW koordinierten Projekts sind Naturschutz- und Wasserrecht (www.dnr.de/dnr/projekte).

Anmerkung
(1) Eine Ausgleichsmaßnahme soll einen Eingriff in die Natur durch gleichartige Kompensation in räumlicher Nähe ausgleichen, etwa durch eine Umwandlung von Acker in Feuchtgrünland neben dem beeinträchtigten Grünland. Demgegenüber lässt eine Ersatzmaßnahme dies auch in weiterer Entfernung vom Eingriffsort genügen, zum Beispiel an anderer Stelle innerhalb desselben Flusstals, in dem der Eingriff erfolgte. ?
Dorothee Dick ist Juristin und arbeitet im Fachbereich Bürgerbeteiligung & Umweltrecht des
Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (UfU). Dr. Ellen Krüsemann befasst sich als Juristin im Landesbüro der Naturschutzverbände Nordrhein-Westfalen vorwiegend mit naturschutzrechtlichen Fragen.

Kontakt:

Dorothee Dick, UfU, Berlin
E-Mail: dorothee.dick@ufu.de

Dr. Ellen Krüsemann, DNR/Landesbüro Naturschutzverbände NRW, Oberhausen
EMail: lb.naturschutz@t-online.de

Erschienen in umwelt aktuell 12/2007-01/2008
www.oekom.de/zeitschriften/umwelt-aktuell.html



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