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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen & Trinken    Datum: 28.09.2007
Verspätete Aufregung?
Kommentar: Schwarz frisst Grün
Der bekannte deutsche Supermarktkonzern Lidl hat sich jüngst rund zwanzig Prozent der Bio-Supermarktkette Basic einverleibt, und die Biobranche scheint deshalb Kopf zu stehen. Sie befürchtet eine "Discounterisierung" der Biomärkte und Qualitätsrückgang in allen Bereichen - Bio-Weltuntergang. Ich kann die Aufregung über die Beteiligung des Schwarz-Konzerns an Basic nicht ganz verstehen. Bestenfalls kommt sie meiner Ansicht nach über zehn Jahre zu spät, und das ist keine Schwarzmalerei.

Der Zug der Biobranche ist doch schon seit vielen Jahren in Richtung Großstrukturen, Monopolbildung und "Bio-Profit ohne Moral" abgefahren. Hat sich jemand aufgeregt, als der niederländische Konzern Royal Wessanen - 2006 erzielte er einen Gewinn von rund 1,6 Milliarden Euro - die Corposan Holding und damit den bekannten Biobetrieb Allos schluckte? Gab es Aufregung darüber, dass die Millionen schwere DE-VAU-GE-Gesundkostwerk-GmbH die Biomarke Bruno Fischer zur Komplettierung ihrer Biosparte übernahm?

Hat sich jemand darüber aufgeregt, dass im brasilianischen Mato Grosso schon seit einigen Jahren Bio-Soja in riesigen Monokulturen auf Tausenden von Hektaren für den Export nach Europa und in den Rest der globalisierten Bio-Welt angebaut wird: kontrollierte, biozertifizierte Soja-Plantagen, die per Flugzeug mit - freilich nach internationalen Bioregeln erlaubten - Biopestiziden besprüht werden. Bio-Massen-Soja statt artenreicher Cerrado-Wald? Bio-Industriemonokultur statt indigene Völker und traditionelle Bauernkulturen?

Hat sich jemand darüber aufgeregt, dass sich das Verwaltungsratmitglied des von Umweltschützern weltweit geächteten Syngenta-Pestizid- und Gentechnikkonzerns, Pierre Landholt von der Schweizer Sandoz-Konzerndynastie, auf der lateinamerikanischen Biofach als Bio-Papst präsentieren darf, weil er sich in Nordostbrasilien eine stattliche Bio-Fazenda zur Image-Aufpolierung leistet?

Im internationalen Maßstab haben sich selbst offensichtliche Bio-Food-Gegner wie der Gentechnik-Konzern Monsanto in die Biobranche eingekauft - ohne, dass sich die Bioszene irgendwie aufgeregt hätte: So besitzen Monsanto genauso wie Wal Mart oder der Erdölriese Exxon Anteile des Bio-Mega-Unternehmens Hain, das wiederum etliche Biomarken unter sich hat, während sich schon vor Jahren der Erdölkonzern Chevron, die Chemieriesen Dow Chemical, Du Pont und andere ähnlich geartete Konzerne Anteile und Stimmrechte beim Konzern General Mills erworben haben, der wiederum die Bio-Firma Small Planet Foods kontrolliert. Selbst der in der Bioszene offiziell verpönte Konzern Coca-Cola ist längst auch Besitzer einer internationalen Bio-Marke (Bio-Säfte von Odwalla Inc).

Also, was bitteschön hat die heutige Bioszene daran auszusetzen, wenn sich nun der deutsche Lidl-Konzern gleichfalls am Bioboom beteiligt - zumal er ja laut Greenpeace-Konzern neuerdings gar nicht so unökologisch sei, was aber vielleicht auch nur an den saftigen Finanzspritzen Lidls an das Greenpeace-Magazin liegt?

Sei's drum: Die Bio-Aufregung um den Lidl-Basic-Deal scheint mehr "Schein", denn "Sein" zu sein. Schließlich war ja bereits die von der Familie Schweisfurth mitgegründete und gestützte Basic-Supermarktkette auf rasches Wachstum und damit zwangsläufig auf Monopolisierung und Marktverdrängung aus. Nicht wenige kleinere Einzelhändler blieben auf der Strecke dieser Öko-Supermarktexpansion zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Das ist einfaches Kapitalismuseinmaleins: Der Größere frisst den Kleineren.

So halte ich auch die Reaktion des Schweisfurth-Unternehmens Herrmannsdorfer Landwerkstätten, ab sofort die Basic-Lidl-Kette nicht mehr mit seinen Bioprodukten zu beliefern, für scheinmoralisch. Vielleicht fürchtet der Unternehmensgründer Karl Ludwig Schweisfurth um sein Image als bayerischer Moral-Bio-Papst, das er sich "mühsam" - mit Hilfe seiner 100 Prozent unökologisch erworbenen Millionen aus dem Verkauf seines Goldesels, Herta-Wurst, an den Nestlé-Konzern - aufgebaut hat.

Aber im Ernst: Der Basic-Lidl-Deal zeigt ein weiteres Mal, dass es allerhöchste Zeit für die Biobranche ist, den Biogedanken neu zu denken. Bio-Fleisch, Bio-Soja, Bio-Kartoffeln oder andere Bio-Grundnahrungsmittel verlieren ihre ökologische Wertigkeit, wenn sie quer durch Europa und rund um den Globus gekarrt werden; und sie sind unmoralisch, wenn Sie von Großgrundbesitzern oder Konzernen in Ländern angebaut werden, wo Menschenrechte mit Füßen getreten, großflächig Ökosysteme und Kulturlandschaften in Monokulturen umgewandelt und keinerlei Rücksicht auf deren traditionellen Besitzer und Bewohner genommen werden. Konzerne wie Lidl oder Nestlé fördern aber zwangsläufig diese unökologischen und unmoralischen Strukturen, weil sie eben dies bereits im Namen der Gewinnmaximierung seit Jahrzehnten im konventionellen Bereich auf die Spitze der ökologischen Sinnlosigkeit getrieben und dabei das globale Klima durch die zahlreichen Transporte kräftig angeheizt haben. Durch ihre globalen Strukturen können sie bequem die Landwirtschaften der verschiedenen Regionen, Länder und Kontinente gegeneinander ausspielen. Entscheidend ist allein die Gewinnspanne für den Konzern. Im konventionellen wie im biologischen Konzernmonopoly wird bislang grundsätzlich nur nach einer Richtung getreten: nach unten.

Norbert Suchanek

Einige unverbindliche Links zum Thema Bio-Nahrungsmittel und Konzerne:
www.corporganics.org/
www.hain-celestial.com/
www.cfarm.com/



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