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![]() Nach einer kurzen Einführung seitens Christoph Harrach - dem Organisator des Kongresses und Betreiber des karmakonsum Blogs - schlug Dr. Eike Wenzel vom Zukunftsinstitut einen ebenso präzisen wie knappen Bogen über das Phänomen LOHAS. 2003 in den USA entdeckt beschreibt das Akronym weniger eine Zielgruppe, als vielmehr eine neue gesellschaftliche Leitidee. Den LOHAS gemeinsam ist ein moralischer Hedonismus, was soviel heißt wie die Verbindung von Nachhaltigkeit und Genuss, gewissermaßen Öko ohne erhobenen Zeigefinger. Als idealistische Pragmatiker mit einem gesunden Selbstverständnis à la "Packen wir's an, damit es besser wird" versuchen sie, anstatt sich an den ewigen - oftmals nur scheinbaren - Widersprüchen des Alltags zu zerreiben, immer wieder jenseits altgewohnter Gewissheiten Veränderung für eine besssere Welt zu fördern. Sie begreifen die Risiken der postmodernen Gesellschaftsordnung, mit ihren immer wiederkehrenden Biographiebrüchen, Neuanfängen und sich ständig im Fluß befindlichen Beziehungsnetzwerken als Chance, die es gilt verantwortlich - als Einzelner im und für das Ganze - zu nutzen, anstatt vor der oft beschworenen Risikogesellschaft zu kapitulieren. Aber: Wird hier die Not der Ergreifung der Multiperspektivität auf den eigenen Lebensentwurf nur zur Tugend der scheinbareren Vereinbarung von eigentlich sich ausschließenden Widersprüchen und Ungewissheiten gemacht? Utopien sind "No-Gos" für LOHAS Im Folgenden ging Dr. Wenzel auf das schwierige Thema des spirituellen Welt- und Lebensbezugs der LOHAs ein. Mit Paul Ray stimmt er überein, dass hier mit Spiritualität nicht der auf eine ferne Utopie oder das Jenseits bezogene Glaube gemeint ist, sondern vielmehr die praktisch verankerte Praxis für das in der Welt sein: der vielbeschworene Manager, der in der Mittagspause 15 Minuten meditiert oder ein Powernickerchen hält, die Sekretärin, die am Feierabend Yogaübungen macht, oder die Dame an der Kasse, die auf die Einrichtung der Wohnung nach den Prinzipien des Feng Shui schwört, weil das die Energien besser fließen lässt. Interessant als Zielgruppe werden die LOHAS, weil Sie statt Discount Qualität einfordern und insgesamt für den Lebensentwurf eine Ästhetisierung des Alltags zentral ist. Die Kritik findet nicht außerhalb, sondern als Rebellion an der Gesellschaft, im Kern derselben statt: bewusster, kritischer Konsum, Konsum als Kritik, ja: Karmakonsum soll die Welt verändern, so das Credo des Zukunftsforschers. Insgesamt stellt sich die Frage, wo bei einem Lebensstil des "sowohl als auch", die Erfüllung der vielbeschriebenen Sehnsucht nach Authentizität der Lebensentwürfe bleibt. Mit dem aktuellen CO2-Buhmann der Nation, dem Porsche Cayenne zum Biosupermarkt, womöglich die Emissionen durch Offset-Zertifikate ausgleichen und sich leckere Bio-Avocados kaufen, für den Salat gesunden und leichten Genuß zu Tisch. Sieht so die wunderbare neue Welt des Karmakonsums aus? ![]() Von links nach rechts: Harry Otto, Andrea Nienhaus, Fred Grimm und Christoph HarrachIdealkonsumenten gibt es nicht Anstatt sich hier an radikalen Widersprüchen von Beispielen und Gemeinplätzen zu plagen, plädierte der nächste Referent, Harry Otto von rocknrolladvertising , für ein Bewusstsein dafür, dass es den Idealkonsumenten nicht gibt. Wir alle leben real, die allerwenigsten sind rundum nachhaltig, öko, bio, fairtrade. Wer kann schon für sich beanspruchen, nicht schon mal bei H&M eine Klamotte gekauft zu haben? Der, der behauptet, das reine Gewissen für sich gepachtet zu haben, kann kaum in einer Welt mit Ikea Möbeln leben. Auch die realen volkswirtschaftlichen Zahlen sprechen dafür. Der Feuielletonhype kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Biobranche - trotz zweistelliger Zuwachsraten in manchen Bereichen - immer noch ein Nischendasein führt. 95% aller Nahrungsmittel in Deutschland sind konventionell. Anstatt sich also in utopischen Entwürfen von idealen Konsumenten zu verspinnen, oder Weltflucht zu betreiben, gelte es, Schritt für Schritt, jeder für sich, dann jeder und jede mit seinem und seiner Nächsten und schließlich als Gemeinschaft, als Community - im Web und realiter - die Welt zu verändern: trotz und mit allen Widersprüchlichkeiten die ein solches Engagement mit sich bringt. Community-Building im Web 2.0 Gemeinschaften aufzubauen, zu betreuen, dauerhaft zu vernetzen, bedeutet kommunikative Räume zu schaffen, die bestehen bleiben, die wir mitnehmen können, die von überall zugänglich sind, auch wenn wir räumlich uns nie getroffen haben oder - wie im Falle des Kongresses - nur kurz Zeit zusammen verbracht haben. Aus der Sicht des Marketings bedeutet dies faustformelhaft: weg von der one way Kommunikation, vom gebetsmühlenartigen "Kauf mich, kauf mich", hin zu einem Bewusstsein in der Wirtschaft, dass Communities nicht nur Marken zerstören, sondern auch eben Marken pushen, ja kreieren können. Andrea Nienhaus - ihres Zeichens Öko-Bloggerin - wies darauf hin, dass es den LOHAS als Zielgruppe mit einem kritischen Auge für Style und Nachhaltigkeit, einem hohen Maß an Informiertheit durch das Leitmedium Internet, kaum möglich ist, trotz der scheinbar unendlichen Komplexität die es tagtäglich in der wunderbaren Welt des Konsum zu reduzieren gilt, ein X für ein U vorzumachen. Kampagnen gegen Sweatshops bei Nike, der Erfolg von American Apparel, die Diskussion um den Einstieg der Schwarz Gruppe bei basic, der Kampagnen sind Legion, bei denen kritische und kaufkräftige Konsumenten schon heute relevanten Druck auf Marken, Hersteller und die gesamte Wertschöpfungskette ausüben, denen sich niemand mehr entziehen kann. Kritische Konsumenten lassen sich auch durch green washing kaum hinters Licht führen Design als Aufmerksamkeitsmanagement Eine wichtige Aufgabe von Design ist es, Aufmerksamkeit richtig zu managen. Bei dem unendlich großen, weil billigen herzustellenden Angebot an Information auf allen Kanälen und im Internet im besonderen ist die Rezeption desselben der eigentlich limitierende Faktor. Das Allermeiste, was auf unsere Wahrnehmungskanäle einströmt bleibt unbemerkt. Hier kann und muss erfolgreiches Sozialmarketing gerade für eine so kritisch informierte Gruppe wie die LOHAS vorsichtig, bedacht, gezielt und wohlwollend mit dem Konsumenten dessen Interessen aufspüren, ihnen nachgehen und sie bündeln. Adbusting - das Verändern und ironische in Szene Setzen von Corporate Design - sei hier beispielhaft genannt für eine nach Authentizität im Konsum suchende Zielgruppe. ![]() Das gleichnamige Buch von Fred Grimm stellt die Macht und Grenzen des ethischen Konsums vor. In den 70er und 80er Jahren wurde mit Slogans "Jute statt Plastik" oder "Atomkraft - Nein Danke" gegen den Konsum unserer kapitalistischen Gesellschaft zu Felde gezogen. Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus, dem vielbeschworenen "end of history" verschwand Bio vom öffentlichen Radar größtenteils, bis zur Jahrtausendwende galt ein radikal hedonistisches Lebensbild, geprägt von einer Einstellung des "Ich kaufe also bin ich". Noch jung, aber stark im Kommen und die Designszene bereits zentral prägend ist der Slogan: "Fuck the brands, that are fucking people". Grün wird (wieder?) zum Lifestyle und man möchte fast meinen szene-, kultur- wie schichtübergreifend. Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass Greenpeace, WWF und BUND mit der Bildzeitung zusammenarbeiten, McDonalds Fairtrade Kaffee ausschenkt und sich Ikea für nachhaltige Forstwirtschaft einsetzt? Kooperationen mit denen Glaubwürdigkeit gewonnen oder verloren wird? Der Gründer von American Apparel, Dov Charney beschreibt dieses Aufbruchsgefühl wie folgt: "Wir sind der neue Kapitalismus. Kapitalismus der funktioniert." Oder wie Tesco - der größte Lebensmittel-Einzelhändler in Großbritannien so plakativ formuliert: "there is no Plan B". Was bleibt ist eine Mischung aus Euphorie und realer Kritik daran, warum es eine Vielzahl von Wunschprodukten immer noch nicht gibt, die schon hier und heute technisch und wirtschaftlich machbar wären. Wirklich sparsame und dennoch funktionale Autos, Wegwerfverpackungen aus verrottbarem Kunststoff, stylische Bioklamotten - um nur einige Beispiele zu nennen - sind noch Nischenprodukte. So gilt für jeden von uns, für uns als Menschheit, sei es nun LOHAS oder nicht, lasst uns Schritt für Schritt, allen Widersprüchlichkeiten zum Trotz für eine andere Welt, eine gerechtere, schönere Welt eintreten. Nachhaltiges Wirtschaften ist möglich, schon heute. Gesponsert wurde die Veranstaltung von Dr. Hauschka, basic Biosupermärkte und dem LOHAS Portal www.eco-world.de.
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