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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 31.01.2007
Biokraftstoffe: Moorleichen im Tank
Die Zerstörung von tropischen Wäldern und Mooren für Bioenergie läuft Klimaschutzbestrebungen zuwider
Das jüngst in Kraft getretene Biokraftstoffquotengesetz ist Teil der europäischen Klimastrategie. Während Alkohol und Pflanzenöle im Tank dazu beitragen, dass weniger Erdöl verbrannt wird, verursacht der Anbau der pflanzlichen Rohstoffe ein Vielfaches der eingesparten Kohlenstoffemissionen. Wirtschaft und Politik setzen nun verstärkt auf so genannte Biokraftstoffe der zweiten Generation.


Zum 1. Januar 2007 trat in Deutschland das Biokraftstoffquotengesetz in Kraft. Es verpflichtet die Unternehmen der Mineralölwirtschaft, Benzin und Diesel einen wachsenden Anteil von Treibstoffen auf biologischer Basis beizumischen. Das Gesetz folgt der EU-Richtlinie 2003/30/EG zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen aus dem Jahr 2003, die anstrebt, dass bis 2010 mindestens 5,75 Prozent des Kraftstoffbedarfs aus biologischen Quellen gedeckt werden. Ziel der Richtlinie ist es, den verkehrsinduzierten Kohlendioxidausstoß zu senken, neue Einkommensquellen und Arbeitsplätze in ländlichen Räumen zu schaffen und auf lange Sicht einen Ersatz für Erdöl zu entwickeln. In ihrer am 10. Januar vorgestellten Energie- und Klimastrategie schlägt die EU-Kommission vor, bis 2020 den Biokraftstoffanteil auf mindestens zehn Prozent zu erhöhen. Das deutsche Gesetz schreibt eine Quote von 6,75 Prozent bis 2010 vor.

Biokraftstoff-Importe

Doch die heimischen Agrarflächen können die benötigten pflanzlichen Rohstoffe für eine vermeintlich klimafreundliche Treibstoff-, Strom- und Wärmegewinnung nur sehr eingeschränkt bereitstellen. Die Biokraftstoffe werden zurzeit vor allem aus Getreide, Raps- und Sonnenblumensamen, Zuckerrohr und -rüben, Sojabohnen und den Früchten der Ölpalmen gewonnen. Bereits heute greift Europa auf Importe zurück, obwohl das 5,75-Prozent-Ziel noch lange nicht erreicht ist. Viele Pflanzenöle sind auf dem Weltmarkt billiger zu beziehen als Rapsöl aus europäischer Landwirtschaft. Diese Öle werden jedoch häufig unter niedrigen ökologischen und sozialen Standards produziert. Riesige Regenwaldflächen Südostasiens müssen den Ölpalmenplantagen weichen, Sojaplantagen sind ein Hauptgrund für die Zerstörung des Amazonaswaldes. Ähnliche Probleme stellen sich auch bei der Benzin-Alternative Ethanol, dessen einheimische Produktion sich mit der aus südamerikanischem Zuckerrohr messen muss (vgl. punkt.um 7-8/2006). Hunderte Umweltgruppen aus Lateinamerika hatten Anfang Januar an die EU appelliert, auf die Rohstoff-Importe zu verzichten: Die Biokraftstoffe boomten auf Kosten natürlicher Ökosysteme und verdrängten die Nahrungsmittel der Bevölkerung von den landwirtschaftlichen Flächen, erklärte das World Rainforest Movement. Vielerorts werden auch die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung und der PlantagenarbeiterInnen verletzt.
Die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen der Zucker-, Soja- und Palmölgewinnung gelangen zunehmend in das Bewusstsein der Politik. Die Bundesregierung plant daher, die Steuervorteile für Biokraftstoffe an den Nachweis zu koppeln, dass diese durch nachhaltige Bewirtschaftung erzeugt werden. Im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums lässt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe daher derzeit einen konkreten Vorschlag für die Zertifizierung von Biokraftstoffen erarbeiten, der voraussichtlich im Frühjahr 2007 vorgestellt wird.

Moorkultivierung und Torfwaldbrände

Der Biokraftstoffboom ist auch aus Sicht des Klimaschutzes vollends kontraproduktiv: Durch die Landnutzungsänderungen gelangt der Kohlenstoff, der zuvor in der Vegetation oder den Böden gebunden war, in die Atmosphäre. Besonders gravierend wirkt sich die Vernichtung der tropischen Moorwälder aus, die einen großen Teil der Regenwälder Südostasiens ausmachen. Sie wachsen auf bis zu 18 Meter dicken Torfschichten, die über Jahrtausende zu mächtigen Kohlenstoffspeichern angewachsen sind.
Ändert sich der Wasserhaushalt der Moore, können aus den Kohlenstoffsenken Kohlenstoffquellen werden (vgl. Kasten). In zunehmendem Maße setzen großflächige Entwässerungsmaßnahmen diesen Prozess in Gang. Allein die für Holzgewinnung, landwirtschaftliche Nutzung und Infrastrukturprojekte entwässerten Moore und Torfregenwälder Indonesiens und Malaysias geben nach Angaben der Organisation Wetlands International jährlich rund 600 Millionen Tonnen CO2 an die Atmosphäre ab.
Noch weit mehr CO2 setzen die trockengelegten Moore frei, wenn sie in Brand geraten. In den Jahren 1997 und 1998 gingen die Bilder von dichten Rauchwolken über großen Teilen Südostasiens um die Welt, nachdem das El-Niño-Phänomen zu besonders langen Trockenzeiten geführt hatte. Auch die Brände der letzten fünf Jahre waren katastrophal. Florian Siegert vom Geo-Bio-Center der Universität München, der seit einigen Jahren die Waldbrände Südostasiens beobachtet, macht menschliche Eingriffe für die Zunahme und Ausweitung der Feuer seit Beginn der 1980er-Jahre verantwortlich. Jeweils zwischen 1,5 und 2,2 Millionen Hektar Moorwälder gingen seinen Berechnungen zufolge bei den Bränden der letzten Jahre auf Kalimantan und Sumatra in Flammen auf.
Nach Schätzungen der Umweltorganisation Wetlands International gelangen so allein aus Indonesien jährlich rund zwei Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre: 0,6 Milliarden Tonnen aus Abbauprozessen und 1,4 Milliarden Tonnen durch Feuer. Dies entspricht etwa der Hälfte dessen, was sämtliche EU-Staaten pro Jahr emittieren.
Neben Reis wachsen auf den entwässerten und entwaldeten Mooren vor allem Ölpalmen für den Export. Der renommierte Moorexperte Michael Succow schätzt, dass jeder dritte Liter des preiswert aus Ölpalmen produzierten Öls auf tief entwässerten Mooren angebaut wird. Bei Erträgen von drei bis fünf Tonnen Öl pro Hektar und Jahr setze der biologische Torfabbau zugleich bis zu 100 Tonnen CO2 frei. Während also eine Tonne Bioöl drei Tonnen CO2 aus Erdöl einspart, verantwortet sie zugleich sieben bis elf Tonnen CO2 aus der Moorvernichtung. Wetlands International spricht sogar von zehn bis 30 Tonnen CO2 pro Tonne Palmöl.

EU setzt auf Biokraftstoffe der 2. Generation

Da Energiepflanzen zunehmend mit Nahrungsmittelversorgung und Umweltschutz konkurrieren, richtet sich das Augenmerk von Forschung, Wirtschaft und Politik vermehrt auf Biokraftstoffe der zweiten Generation, den synthetischen Biosprit. Als deren Rohstoff eignet sich jedes kohlenstoffhaltige Material, neben eigens angebauten Energiepflanzen beispielsweise auch Rückstände der Forstindustrie und bestimmter Industriebranchen (etwa der Papierherstellung) sowie Biomasse aus der Landwirtschaft oder Haushalten. Eine Nutzung von Bioabfällen ist nicht nur deutlich preiswerter, sie setzt auch weniger Treibhausgase als herkömmliche Biokraftstoffe frei und beansprucht weniger Anbaufläche. Die Produktion dieser synthetischen Kraftstoffe ist allerdings noch im Versuchsstadium.
Der Herstellungsprozess ist im Gegensatz zu den herkömmlichen Biokraftstoffen relativ aufwändig: Bei dem Biomass-to-Liquid-Verfahren (BtL) entstehen über eine Reihe von Zwischenschritten (Vergasung und Verflüssigung) synthetische Kohlenwasserstoffe. Dieses "SynFuel" lässt sich zu jedem gewünschten Kraftstoff "designen" und daher in beliebigem Verhältnis konventionellem Benzin oder Diesel beimischen oder kann dieses völlig ersetzen. Bei der Produktion von Bioalkohol aus Lignocellulose setzen biochemische Prozesse Zellulose von Pflanzenfasern zu Zucker und diesen zu Alkohol um. Diese Methode wird als Option gehandelt, zucker- und stärkehaltige Pflanzen durch weniger flächenintensiv angebaute Rohstoffe oder Reststoffe wie Stroh oder Holz zu ersetzen. In begrenzter Menge kann Bioalkohol Benzin beigemischt werden.

Ökologische Vorteile umstritten

Darüber, ob die Biokraftstoffe der zweiten Generation einen deutlichen Umweltvorteil gegenüber fossilen Kraftstoffen haben, besteht keinesfalls Einigkeit. Kritisch zu bewerten ist der hohe technische Aufwand und der große Energiebedarf bei der Herstellung. Deutlich wird auch, dass Umwelt und Klima vor allem dann geholfen ist, wenn nicht eigens in Intensivkulturen angebaute Energiepflanzen Verwendung finden. Bei der Bewertung geht es auch um die Frage, ob die verwendeten Pflanzen(teile) nicht sinnvoller in effizienten Kraftwerken fossile Brennstoffe zur Wärme- und Stromerzeugung ersetzen sollten. Positiv im Vergleich zu den Biotreibstoffen der ersten Generation (reines Pflanzenöl oder Biodiesel) schlägt vor allem zu Buche, dass Biokraftstoffe der zweiten Generation keine neue Infrastruktur benötigen und für herkömmliche Motoren geeignet sind.
Obwohl Vertreter der Automobil- und Kraftstoffindustrie die zweite Generation kurz vor der Marktreife sehen, wird die Technik erst in einigen Jahre soweit sein, pflanzlichen Energieträgern einen nennenswerten Beitrag zum Brennstoffangebot zu bescheren. Bis dahin - und auch danach - werden weitere Milliarden Tonnen Erdöl in den Motoren verbrennen. Unabdingbar sind daher verstärkte Anstrengungen, energiesparende Fahrzeuge und Verkehrskonzepte durchzusetzen. Hierfür ist das Know-how bereits vorhanden, es muss nur umgesetzt werden.


www.wetlands.org
www.wrm.org.uy (World Rainforest Movement)
cdm.unfccc.int (Clean Development Mechanisms)
www.geobio-center.de
www.uni-greifswald.de
www.fnr.de


INFOKASTEN:

Moore - Global Player im Kohlenstoffhaushalt

Obwohl Moore nur etwa drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind sie Global Player im Kohlenstoffhaushalt der Erde: Im Torf speichern sie weltweit rund 550 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, schätzt Michael Succow, Professor für Ökologie an der Universität Greifswald. Das ist etwa ein Drittel des gesamten an Land angesammelten Kohlenstoffs. Moore speichern Kohlendioxid und geben Methan ab. Die Bilanz aus beiden Prozessen ist vorteilhaft für das Klima. Torf entsteht, wenn in Mooren unter den nassen, sauerstoffarmen Bedingungen weniger Biomasse abgebaut als produziert wird. Aktive Moore wachsen jedes Jahr etwa um etwa einen Millimeter in die Höhe.

Weltweit legt der Mensch Moore trocken, um die Flächen als Weide- oder Kulturland zu nutzen oder um Torf als Brennstoff oder Kultursubstrat abzubauen. Kommt der Torf allerdings mit Sauerstoff in Kontakt, erhöht sich die mikrobielle Zersetzung und der gebundene Kohlenstoff - jährlich rund 800 Millionen Tonnen - entweicht in die Atmosphäre. Die internationale Staatengemeinschaft schenkt der Zerstörung der Moore als Klimafaktor nur wenig Aufmerksamkeit: Das Kyotoprotokoll beispielsweise ignoriert die Emissionen aus Böden und Vegetationszerstörung. In Nairobi stieß der Vorschlag von Wetlands International und dem Forschungsinstitut Delft Hydraulics, den Schutz von Mooren in den Katalog der Kyoto-Maßnahme Clean Development Mechanisms aufzunehmen, auf taube Ohren.

Große Bedeutung für das globale Klima könnten die Moore in der borealen Zone gewinnen, die aus Nadelwäldern, Taiga und Waldtundra besteht. Ausgerechnet der Klimawandel bedroht die riesigen Kohlenstoffspeicher der nördlichen Hemisphäre. Noch konserviert der Permafrost die sibirischen und kanadischen Moore. Sollte eine Erwärmung des Klimas die Böden auftauen, könnten sie sich in bedeutende Kohlendioxid- und Methanquellen verwandeln und den Erwärmungsprozess der Atmosphäre antreiben. Michael Succow bezeichnet Moore daher auch als "Kohlenstoff-Zeitbomben". Erste Anzeichen für wärmere Verhältnisse in jenen Gebieten gibt es.




Torsten Mertz ist Redakteur mit den Schwerpunkten Umwelt und Nachhaltigkeit. Ende 2006 erschien sein Buch "Schnellkurs Ökologie" im Dumont Verlag.

Kontakt: torsten.mertz@kommertz.de

Erschienen in punkt.um 2/2007
www.oekom.de/nc/zeitschriften/punktum/aktuelles-heft.html


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