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Presse-Stelle:  Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
Rubrik:Essen & Trinken    Datum: 01.12.2006
Fische und Meeresfrüchte
Omega-3-Fettsäuren sind gesund - aber nur vom Wildfisch
Der Krabbenfang hat an der Nordsee eine lange Tradition. Schon im 17. Jahrhundert fingen die Schleswigholsteiner die kleinen Meereskrebse, allerdings nicht um sie zu essen, sondern als Schweine- und Entenfutter oder als Dünger für die Felder. Dass die ebenso als Shrimps oder Garnelen bekannten, kleinen Meereslebewesen gekocht oder gegrillt auch ein menschlicher Gaumenschmaus sind, setzte sich erst nach und nach in unseren Gefilden durch. Heute gibt es noch rund 250 Krabbenkutter - meist Familienbetriebe - an Deutschlands Küsten, die sich schon seit Jahren um eine nachhaltige Fischerei bemühen. Doch obwohl Garnelen seit einigen Jahren zu einer der beliebtesten Speisen der Deutschen gepuscht wurden, geht es den heimischen Krabbenfischern Jahr für Jahr schlechter.

Ein Grund: In Supermärkten und Naturkostläden finden sich hauptsächlich künstlich gezüchtete tropische Krabben. Die billigen Zuchtgarnelen kommen aus Thailand, Bangladesh, China, Vietnam, Ecuador, Honduras, Mexiko oder neuerdings auch aus Brasilien, wo eine regelrechte Krabbenmafia auf Teufel komm raus und teilweise finanziert mit staatlicher Entwicklungshilfe die Garnelen in Massen züchtet. Rücksicht auf Umwelt, lokale Bevölkerung oder Gesundheit der Verbraucher nimmt die Garnelenzuchtbranche nur bunt bedrucktem Papier. Die Realität im internationalen Krabbenzuchtgeschäft besteht aus: Mangrovenabholzung, Verseuchung von Böden und Gewässern, Einsatz von giftigen Pestiziden und in Europa verbotenen Antibiotika, Verbreitung von Fischseuchen, Vertreibung lokaler Bevölkerungen, und im Falle von Brasilien auch Korruption und Mord. Und wenn sich die konventionelle Krabbenzucht nicht mehr lohnt, stellt man halt auf "Bio" um.

So manche Entwicklungshilfexperten, wie zum Beispiel die Fachleute von USAID, der staatlichen Entwicklungshilfeagentur der USA, argumentieren, die Krabbenzucht helfe die Armut und den Hunger in der Welt zu beseitigen und schütze darüber hinaus die Meere vor Überfischung. Unsinn, kritisiert Alfredo Quarto, Direktor des Mangrove Action Project (MAP), das schon seit über zehn Jahren die Entwicklung der Garnelenzucht global verfolgt. Die Garnelenzucht, sei aus ökologischer und aus Sicht der Ernährungssicherheit ein Wahnsinn, so Quarto. "Unter dem Strich verbraucht diese Aquakultur mehr Fisch, als sie produziert."

Für jedes produzierte Kilogramm Shrimp benötigten die Zuchtfarmen rund zwei Kilogramm Fischmehl. Und gleichzeitig zerstören und vergiften die in die Küstenzonen hineingeklotzten Garnelenzuchtteiche die für den Wildfisch wichtigen Mangrovenwälder, Kinderstube und Lebensraum zahlreicher Meereslebewesen. Um der Welt zu beweisen, dass die Garnelenzucht die Fischergemeinden ruiniere und die Umwelt zerstöre, brauche es schon lange keine neuen wissenschaftlichen Studien mehr, betont Elaine Corets, die Lateinamerika-Koordinatorin des MAP. "Die Beweise sind in Ecuador, in Thailand, Honduras, in Mexiko und in allen anderen Ländern mit Shrimpzucht zu begutachten", betont Elaine Corets. Die Garnelenzuchtbranche habe bereits zahlreiche Mangroven-Ökosysteme weltweit vernichtet. Ecuador sei das bislang abschreckendste Beispiel in Lateinamerika. Von den einst 363.000 Hektar Mangroven waren 2002 nur noch etwa 108.000 Hektar übrig. Und das vorgeschobene Argument, die Garnelenzucht, ob "bio" oder "konventionell" beseitige die Armut, widerlegen die Erfahrungen der Einheimischen vor Ort tagtäglich. Die "blaue Revolution" habe weder die Armut gemindert noch den ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung herbeigeführt, stellten die beiden Filmemacher Dorit Siemers und Heiko Thiele, die mehrere Monate durch Mittelamerika auf den Spuren des Zuchtgarnelenbooms gereist sind, vor Ort fest. "Die Fischer sind die Hauptbetroffenen der Garnelenzucht", sagt Josias Clementino de Jesus von der brasilianischen Fischerbewegung Movimento Nacional de Pescadores (Monape). Die Garnelenzüchter seien nicht nur verantwortlich für Vertreibung von Fischerfamilien aus den Mangrovengebieten. Die Abwässer der Garnelenzucht vergifte auch die Flüsse und vernichte den natürliche Fischbestand. Inzwischen gebe es Fischerfamilien, die inmitten der Garnelenzuchtregionen Hunger litten. Nichtsdestoweniger will der Präsident des brasilianischen Garnelenzüchterverbandes Itamar Rocha Brasilien zum größten Zuchtgarnelenexporteur entwickeln. "Wir haben heute in Brasilien 15.000 Hektar Garnelenzuchtteiche. China hat 500.000 Hektar, Indonesien weitere 500.000", so Iramar Rocha. Doch Brasilien könne die Zucht auf 700.000 Hektar ausweiten.

Gesunde Omega-3-Fettsäuren durch ungesunde Fischzucht?

Aber nicht nur das Voranschreiten der Garnelen-Aquakultur bedroht unseren Blauen Planeten. In den Gemäßigten Breiten ist es die Lachszucht. Parallel zu Gesundheitskampagnen zur Steigerung des Fischkonsums schossen nämlich Lachszuchtanlagen in den Fjorden Nordeuropas, Nordamerikas, aber auch Südchiles in den vergangenen zwanzig Jahren wie Pilze aus dem Küstenboden. Richtig: Die in Fischen und vor allem Lachs vorkommenden ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure) beugen Herz- und Kreislaufkrankheiten vor. Sie verbessern die Fließeigenschaften des Blutes, führen zu Gefäßerweiterung und Blutdrucksenkung. Darüber hinaus haben sie einen hemmenden Einfluss auf mögliches Tumorwachstum und können den Heilungsprozess bei Entzündungen des Darmtraktes, bei Rheuma oder Allergien unterstützen. Entscheidend für den Gesundheitseffekt ist aber das Verhältnis der Omega-3-Fettsäuren zu den gleichfalls in den Fischölen vorkommenden Omega-6-Fettsäuren.

Der nun in Supermärkten und Naturkosthandel massenhaft angebotene Zuchtlachs oder Bio-Zuchtlachs (auch Biolachs genannt) enthält zwar absolut gesehen deutlich mehr Omega-3-Fettsäuren je Kilogramm Masse als seine wilden, frei schwimmenden Verwandten. Das beim Hunderte von Kilometer wandernden Wildlachs gesunde Verhältnis von Omega-3-Fettsäuren zu den anderen Fettsäuren ist aber beim eingepferchten, überfetteten Zuchtlachs aufgrund unnatürlicher Lebensweise und Ernährung aus dem Gleichgewicht geraten. Untersuchungen des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ergaben im vergangenen Jahr, dass Zuchtlachse im Schnitt sieben mal mehr Fett enthalten als Wildlachse. Außerdem waren die Lachse aus Aquakultur zehn bis zwanzig mal höher mit den industriellen Umweltgiften wie DDT, Dieldrin, Hexachlorbenzol (HCB), Chlordan, Toxaphen und PCB belastet, als die pazifischen Wildlachse. "Der Grund liegt in der Fütterung der Zuchtlachse mit Fischmehl und Fischöl, die aus wild gefangenen Fischen gewonnen werden", erläutert die LGL. Die Pazifikwildlachse hingegen waren "als absolut schadstoffarm zu bewerten, offensichtlich bedingt durch geringe Umweltkontamination ihrer pazifischen Ursprungsgewässer."

Ökologisches Paradoxon

Betrachtet man die weiteren Schäden und Umweltbelastungen durch die Massen-Lachszuchten - wie Verseuchung der Küstengewässer mit Pestiziden, Antibiotika und Fäkalien, Abschießen und Vertreiben von Seelöwen, Verbreitung von Fischseuchen, Gefährdung der lokalen Wildlachspopulationen, Überfischung der Meere zur Gewinnung von Fischöl und Fischmehl als Lachsfutter - ist es eigentlich nicht zu verstehen, dass die Lachszucht nicht längst international geächtet und verboten ist. Aber lediglich ein Staat, der US-amerikanische Bundesstaat Alaska, hat bisher die Lachs-Aquakultur in seinem Hoheitsgebiet strikt untersagt, um seine Wildlachsbestände und seine Fischerei zu schützen.

Die Entwicklung einer Aquakultur, die Wildfisch verfüttert, um Fisch herzustellen sei ein ökologisches Paradoxon, erklärte vergangenen April der Ökologe, Wissenschaftler und Kanzler der italienischen Universität von Siena, Silvano Focardi. Manchmal werde bis zu fünf Kilogramm Wildfisch in Form von Fischmehl und Fischöl benötigt, um ein Kilogramm Zuchtfisch zu erzeugen. Focardi: "12 Prozent des Weltfischfangs geht in die Zucht von Fleisch fressenden Fischen, die zu einem ökologischen und sozialen Problem geworden ist." Der WWF schätzt, dass Fischfarmen sogar rund 70 Prozent des weltweit produzierten Fischöls und 34 Prozent des Fischmehls verbrauchen. "Das ist ein Paradox: Wir versuchen die Umweltbelastung einer Aktivität (Fischfang) zu reduzieren, indem wir sie mit einer anderen Aktivität (Aquakultur) ersetzen, die die Ökosysteme sogar noch stärker stresst, entweder direkt oder indirekt", so Silvano Focardi.

Bio-Lachs und Bio-Garnelen

Zur Konkurrenz von Wildlachs und Wildgarnelen gibt es seit einigen Jahren auch von manchen Bio-Anbauverbänden wie Naturland und Instituto Dinamico (Demeter Brasilien) zertifizierte Zuchtgarnelen oder Zuchtlachse. Die wichtigsten Unterschiede zur konventionellen Zucht sind: Niedrigere Besatzdichte und Verbot des Einsatzes von Antibiotika und anderer künstlicher Chemikalien. Im Falle der Garnelenzucht ist es zwar verboten, Mangroven für die Neuanlage von Zuchtteichen abzuholzen. Andererseits erhalten auch konventionelle Garnelenzüchter, die vorher Mangroven abgeholzt und damit traditionelle Fischerfamilien um ihr Einkommen und ihren Lebensraum gebracht haben, das Bio-Label, wenn sie künftig nach Bio-Richtlinien arbeiten. Problematisch ist auch das Futter von Bio-Garnelen und Bio-Lachse. Die Richtlinie das Bio-Anbauverbands Naturland, Stand 2006, besagt dazu: "Fischmehl soll grundsätzlich aus derselben geographischen Region stammen, in der auch die Kulturen durchgeführt werden. Folgende Herkünfte sind zulässig: Fischmehl/-öl aus unabhängig als nachhaltig zertifizierter Fischerei, wobei sowohl der Einfluss auf die Zielfischart, als auch auf die Beifänge und das Ökosystem berücksichtig werden: Fischmehl/-öl aus den Überresten der Speisefischverarbeitung. Beifänge der Fischerei auf Speisefische. Lediglich zum Zwecke der Qualitätssicherung kann der Einsatz von Fischmehl/-öl anderer Herkunft und in begrenztem Anteil (max. 30% des gesamten Fischmehls/-öls bezogen auf die Gesamtlebenszeit des Fisches) beantragt werden."

Weihnachtskarpfen ist "Bio" und gesund

Gegen eine kontrollierte, ökologische und tierschutzgerechte und für den regionalen Verbrauch ausgerichtete Aquakultur von Pflanzen fressenden Fischarten, wie zum Beispiel Bio-Karpfen, ist hingegen nichts einzuwenden. Die Zucht der anspruchslosen, quasi alles fressenden Karpfen hat beispielsweise in China eine über 5000-jährige Tradition. Auch gibt es heimische Fische aus unseren zum Glück wieder sauberen Flüssen und Seen. Warum nicht einfach heimischen Fisch essen von einem der letzten Berufs- und Seenfischer Bayerns? Köstliche Renken aus dem Starnberger See oder aus dem Chiemsee zum Beispiel. Oder wie wäre es mit Hecht, Schleie, Bachforelle, Waller, Barsch, Rotauge, Zander, Äsche, Huchen, Aal, Bachsaibling, Karpfen.

Norbert Suchanek



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