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Der Emissionshandel ist das wichtigste Klimaschutzinstrument in der Europäischen Union. Ob der Handel mit den Abgasrechten funktioniert, hängt davon ab, wie die Nationalen Allokationspläne (NAP) ausgestaltet werden. Der Plan bestimmt, wie hoch der Beitrag der Wirtschaft zur Emissionsminderung sein muss, damit Deutschland das Kioto-Ziel erreicht und setzt die Regeln fest, nach denen die Emissionszertifikate an die Unternehmen zugeteilt werden. Bis Ende Juni dieses Jahres muss die Bundesregierung ihren Allokationsplan für die zweite Emissionshandelsperiode von 2008 bis 2012 bei der EU-Kommission einreichen. Bei den Diskussionen zum NAP II gibt es heftige Auseinandersetzungen, vor allem mit den großen deutschen Stromerzeugern. Zum einen stoßen diese etwa 60 Prozent des in Deutschland erfassten Kohlenstoffdioxids aus. Zudem könnten die fünf großen Energiekonzerne bis 2012 bei einem Zertifikatepreis von 20 Euro bis zu 64 Milliarden Euro Zusatzgewinne durch den Emissionshandel erzielen. Und schließlich steht der Kraftwerkssektor am Beginn eines Investitionszyklus: In den kommenden zwei Jahrzehnten muss rund die Hälfte des gesamten Kraftwerkparks ersetzt werden. Der Emissionshandel stellt die Weichen, in welche Kraftwerke die Stromerzeuger investieren. Vor diesem Hintergrund müssen die Zuteilungsregelungen umfassende Anreize zu klimaschonenden Investitionen beinhalten. Der Allokationsplan zeigt aber an entscheidenden Stellschrauben, dass die Industrie die Politik erneut in die Knie gezwungen hat. Emissionsobergrenze senken 495,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid dürfen die deutschen Stromversorger und die Industrie in der zweiten Handelsperiode laut NAP II ausstoßen, aber die Bundesregierung hat sich das Recht auf eine Revision vorbehalten. Eine Senkung der Emissionsobergrenze ist aber ohne Alternative, zumal die Veröffentlichung der realen Emissionen von 2005 gezeigt hat, dass die deutsche Industrie mit 21 Millionen Tonnen CO2-Emissionszertifikaten überausgestattet worden ist. 2001 hat sich die Industrie selbst dazu verpflichtet, ihre Emissionen um 35 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren. In einem verbindlichen System möchte man die Politik der Industrie solche Größenordnungen aber nicht zumuten. Bislang hat die Bundesregierung darauf verzichtet, Emissionsrechte zu versteigern, obwohl die Vorteile gegenüber einer kostenlosen Zuteilung eindeutig sind. Eine Versteigerung ist die effizienteste Zuteilung von Zertifikaten und schafft die höchste Markttransparenz für Angebot und Nachfrage. Außerdem könnten die enormen Zusatzgewinne der großen Stromversorger durch das Einpreisen der kostenlos zugeteilten Zertifikate gesenkt werden. Das Bundesumweltministerium hat einen elementaren Fehler gemacht, indem es die Auktionierung fallen gelassen hat. Extrawurst für die Braunkohle Der klimapolitische Sündenfall schlechthin ist, dass der NAP II den brennstoffspezifischen Benchmark fortführen will. Kohlekraftwerke dürfen weiterhin 750 Gramm CO2 pro Kilowattstunde emittieren, während der Strombenchmark für Gaskraftwerke nur 365 Gramm pro Kilowattstunde beträgt. Diese Regelung eliminiert damit die kostengünstigste Möglichkeit der Emissionsvermeidung: Warum sollte ein Investor den Brennstoff wechseln, wenn es sich nicht lohnt, in CO2-arme Energieträger zu investieren? Ein Business-as-usual-Szenario mit dem forcierten Zubau von Kohlekraftwerken ist wahrscheinlich. Grundsätzlich ist begrüßenswert, dass im Nationalen Allokationsplan II das Prinzip der Übertragungsregelung erhalten bleibt. Kraftwerksbetreiber, die eine Anlage ersetzen, können die Zertifikate ihrer alten Anlage vier Jahre lang in vollem Umfang auf die neu errichtete Anlage übertragen und diese dann zehn Jahre ohne Reduktionsverpflichtung weiter betreiben. Allerdings setzt der kurze Übertragungszeitraum nur einen schwachen Anreiz, um in klimafreundliche Technologien und Energieträger zu investieren. Besonders pikant ist die Sonderregelung für das geplante Braunkohlekraftwerk von RWE in Neurath. Um die besseren Konditionen aus dem ersten NAP für das Unternehmen zu bewahren, werden "Ersatzanlagen, die bereits in der ersten Handelsperiode über die Errichtungsgenehmigung verfügen bzw. mit deren Bau bereits begonnen wurde" weitere 14 Jahre mit Emissionszertifikaten versehen statt der nun beschlossenen zehn Jahre. Ein Lex RWE wurde geschaffen zu Gunsten des Klimakillers Nummer eins: Braunkohle! Millionen Tonnen CO2 für die Zukunft Die im Rahmen des Energiegipfels im April von den großen Stromversorgern vorgelegte Investitionsliste enthält vor allem Kohlekraftwerke. Aus der Liste lässt sich errechnen, dass die geplanten Neuanlagen zwischen 30 und 40 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen werden. Die Reserve zur Ausstattung von Neuanlagen setzt der Entwurf zum NAP II aber nur auf zehn Millionen Tonnen CO2 fest. Damit verschiebt das Bundesumweltministerium 20 bis 30 Millionen Tonnen CO2 als Hypothek in die Zukunft. Ist die Reserve erschöpft, muss aller Voraussicht nach die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Zertifikate zukaufen. Diese Zertifikatmenge wird dann in der dritten Periode von der Emissionsobergrenze abgezogen und der KfW übereignet. Schon jetzt ist absehbar, dass dies politisch kaum haltbar sein wird. Der letzte Ausweg wäre dann der klimapolitische Offenbarungseid und würde eine Verschiebung der Emissionsobergrenze nach oben bedeuten. Klimapolitischer Fehlschlag Neben diesen sehr grundsätzlichen Fehlstellungen weist der Entwurf zum zweiten Nationalen Allokationsplan gegenüber seinem Vorgänger kleine Verbesserungen auf. So will der Plan einen differenzierten Erfüllungsfaktor einführen. Danach sollen Energieversorger gegenüber der Basisperiode um 15 Prozent weniger kostenlose Zertifikate bekommen und die Anlagen der energieintensiven Industrie um 1,25 Prozent weniger Zertifikate. Zudem soll die Optionsregel abgeschafft werden. Danach werden Unternehmen künftig nicht mehr aufgrund von prognostizierten Auslastungen anstatt tatsächlicher Emissionen mit Zertifikaten ausgestattet. Außerdem sollen die klimafreundlicheren Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen fast gänzlich kostenlose Zertifikate bekommen. Der deutsche NAP-Entwurf, den Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium für die zweite Handelsperiode vorgelegt haben, ist klimapolitisch ein Fehlschlag. Keine der zentralen Regelungen, die das System effektiver gestaltet hätte, wurde darin aufgenommen. Im Gegenteil begünstigt die Anreizstruktur die Investitionen in den klimaschädlichsten Energieträger, die Kohle. Der erwartbare Emissionssockel wird es unmöglich machen, die anspruchsvollen Klimaschutzziele in der Zukunft zu erreichen. Schon jetzt treibt die Industrielobby in Brüssel eine Debatte voran, das Emissionshandelssystem wegen seiner Ineffizienzen wieder abzuschaffen. Ineffizienzen, für die sie hart gekämpft hat, und denen zumindest die deutsche Politik hilflos gegenüber stand. Leider hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bei seiner ersten großen Bewährungsprobe für den Klimaschutz versagt. Weitere Informationen unter www.wwf.de Regine Günther arbeitet als Leiterin des Bereichs Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF. Sie ist Mitglied des Leitungskreises im Forum für Umwelt und Entwicklung. Kontakt: Fon +49/30/30 87 42 18, E-Mail: regine.guenther@wwf.de Erschienen in punkt.um 6/2006
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