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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 06.04.2006
EU-Agrarförderung: Mehr Licht ins Subventionsdickicht bringen
Ein neues Bündnis fordert, die Vergabe von EU-Agrarbeihilfen öffentlich zu machen
In vielen EU-Staaten ist unklar, wofür welche Unternehmen und landwirtschaftlichen Betriebe wie viel Agrarsubventionen erhalten. Das soll sich ändern. In der "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen" haben sich 25 NGOs aus dem Umwelt-, Entwicklungshilfe- und Landwirtschaftsbereich zusammengeschlossen. Sie wollen erreichen, dass die Verteilung der Agrargelder veröffentlicht wird.

Für die europäische Agrarpolitik werden jährlich mehr als 40 Milliarden Euro bereitgestellt. Davon gehen rund sechs Milliarden Euro an EU-Agrarsubventionen nach Deutschland. Empfänger sind nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch Exporteure von Agrarprodukten. Direkt und indirekt profitiert aber ebenso die vor- und nachgelagerte Industrie, unter anderem in den Bereichen Agrarchemie, Futtermittel und Lebensmittelverarbeitung.

Ungleich verteilt und...
Die erste Säule der Subventionen, die Direktzahlungen, machen mittlerweile den größten Anteil aus, sind aber im höchsten Maße ungerecht verteilt. Gemäß den letzten öffentlich verfügbaren Zahlen erhalten in Deutschland 0,5 Prozent der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro im Jahr. Das entspricht 20 Prozent aller Direktzahlungen, während 70 Prozent der Betriebe mit jeweils bis zu 10.000 Euro auskommen müssen. Daran wird sich auch kaum etwas ändern, wenn die EU-Agrarreform von 2003 umgesetzt ist.

... blind für Soziales und Umwelt
Der überwiegende Teil der Gelder ist zugleich nicht an wirksame soziale, ökologische und Tierschutz-Kriterien gekoppelt. Einige rationalisierte flächenstarke Betriebe bekommen Prämienzahlungen von umgerechnet bis zu 120.000 Euro je Arbeitskraft, während der Durchschnitt der Betriebe weniger als ein Zehntel davon je Arbeitskraft erhält. Benachteiligt wird die besonders umwelt- und tiergerechte Qualitätserzeugung, die mehr Arbeitskräfte benötigt. Im internationalen Handel verstärkt diese Subventionierung den Effekt des Preisdumpings zulasten der so genannten Entwicklungsländer.
Die Mittel für die Entwicklung ländlicher Räume, die zweite Säule, machen nur rund 20 Prozent der gesamten Agrarzahlungen aus. Dazu zählen unter anderem Agrarumweltprogramme, das Management der Natura2000-Gebiete, eine Ausgleichszahlung für benachteiligte Gebiete, und die Förderung von Investitionen und Regionalvermarktung. Mit den EU-Finanzbeschlüssen im Dezember 2005 ist vereinbart worden, diese massiv zu kürzen. Damit wird die notwendige Wende in der Förderpolitik hin zu einer sozial gerechten, bäuerlichen, regionalen, ökologisch verträglichen und tiergerechten Landwirtschaft verhindert.

Entscheidend: Öffentlichkeit informieren
Für den Steuerzahler ist nicht transparent, wer von den Subventionen profitiert und welche Form der Landbewirtschaftung gefördert wird. Aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes werden immer noch viel zu wenig Subventionen gezielt eingesetzt, um die Artenvielfalt zu erhalten, die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern oder Boden, Wasser, Luft und Lebensmittel nicht zu belasten. Für die Verbraucher besteht zu wenig Transparenz, an welcher Stelle der Staat Lebens- oder Futtermittelerzeuger fördert. Dabei haben sie ein besonderes Interesse daran, nachzuvollziehen, ob Betriebe gefördert werden, die in ihrem Sinne produzieren.
Für Entwicklungsorganisationen ist es außerdem unannehmbar, dass Agrarsubventionen die Lebens- und Ernährungsgrundlagen von Kleinbauern im Süden gefährden oder gar zerstören, indem sie eine exportorientierte Landwirtschaft fördern und damit schlicht Dumping betreiben. Schließlich kritisieren Vertreter einer bäuerlichen Landwirtschaft, dass die Direktzahlungen diejenigen benachteiligen, die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft erhalten oder neue schaffen.
Die nicht endende Kritik daran, wie Agrarsubventionen und die europäische Agrarpolitik gestaltet sind, erfordert eine transparente Berichterstattung. Um die Politik sozial-ökologisch voranzutreiben, müssen Agrar- und Exportsubventionen öffentlich gemacht werden.

Bund und Länder schweigen weiter
Derzeit verweigern in Deutschland Bund und Länder Informationen über Agrarsubventionen, dabei ist dies in vielen anderen europäischen Ländern bereits Praxis. Die konkreten Zahlungen bekannt zu geben hat in den letzten Monaten und Jahren dazu geführt, die Vergabekriterien der EU-Prämien intensiv zu diskutieren. In mehreren EU-Ländern zählt dazu die Angabe von Namen aller Empfänger, des Zahlungszwecks und die Zahlungshöhe. Als erstes Land hatte Dänemark im Frühjahr 2004 die Angaben veröffentlicht. Es folgten Schweden, Großbritannien, Irland, einige Regionalregierungen Spaniens, die Niederlande und Frankreich. Auch Finnland plant die Veröffentlichung. Die deutsche Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an der Informationspolitik dieser Länder nehmen und ebenfalls veröffentlichen.

EU-Kommission will Transparenz
Im März 2005 hat EU-Kommissar Siim Kallas eine Transparenz-Initiative eingeleitet, um ausführlicher zu informieren, wie die Haushaltsmittel verwendet werden. Außerdem sollen die EU-Organe offener und zugänglicher und ihre Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit gestärkt werden. Ein Grünbuch, das eine breite Debatte über dieses Thema anstoßen soll, ist für dieses Frühjahr geplant. Unter anderem plant die Kommission ein zentrales Internetportal einzurichten, mit dem Informationen über die Begünstigten zentral verwalteter Fonds, beispielsweise EU-Projekte, zugänglich gemacht werden.
Die derzeitige deutsche Praxis der Geheimhaltung verhindert die notwendige gesellschaftliche Debatte darüber, wie die zukünftige europäische Agrarpolitik ausgerichtet sein wird. Die "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen" fordert die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, öffentlich zu machen, wer wirklich von den Agrarsubventionen profitiert und welche gesellschaftlichen Leistungen dafür erbracht werden. Sie will eine grundlegende, inhaltliche Debatte über die spezifischen Förderziele der Subventionen anstoßen. Die Mittel sollen stärker eingesetzt werden, um soziale und ökologische Ziele sowie ländliche Räume zu stärken.
Es ist nicht einzusehen, dass Betriebe oder Unternehmen mit Agrarsubventionen zum Teil in Millionenhöhe belohnt werden, obwohl sie Arbeitsplätze abbauen, die Lebensgrundlagen von Kleinbauern im Süden zerstören, die Umwelt verschmutzen und Lebensmittel mit gesundheitsgefährdenden Rückständen produzieren. Stattdessen sind die Subventionen wirksam an die Arbeitskraft, an Dienstleistungen für Umwelt- und Naturschutz oder den Erhalt der Kulturlandschaft, und an Tierschutz- und Lebensmittelsicherheitsstandards zu koppeln.

Der Weg: Recht - Politik - Öffentlichkeit
In einem ersten Schritt hat die Initiative formale Anfragen an die zuständigen Ministerien und Behörden gesendet, auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes und des Informationsfreiheitsgesetzes. Die Behörden haben jetzt einen Monat Zeit, diese zu beantworten. Über gezielte Lobbyarbeit der Parteien will die Initiative auf der politischen Ebene möglichst flächendeckend eine Diskussion in Gang bringen. Sie konzentriert sich dabei auf Bundes- und Landtagsabgeordnete, die Fraktionsausschüsse zu Umwelt, Landwirtschaft und Entwicklung sowie die zuständigen Behörden. Schließlich soll eine möglichst breite Öffentlichkeit informiert werden. Geplant sind verschiedene Aktivitäten über die nächsten Monate. Dazu zählt eine Webseite, auf der es neben einem Forum unterschiedliche Möglichkeiten gibt, die Initiative zu unterstützen, bis hin zu Veröffentlichungen und Aktionen.

Weitere Informationen: www.wer-profitiert.de

Transparenzinitiative der EU-Kommission: www.europa.eu.int/comm/commission_barroso/kallas/transparency_de.htm

Tanja Dräger de Teran arbeitet beim World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland mit den Schwerpunkten WTO und EU-Agrarpolitik. Im Vordergrund stehen Verteilung und Zielsetzung der Subventionen sowie deren Einordnung in den WTO-Agrarverhandlungen.

Kontakt: draeger@wwf.de


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