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Rubrik:Essen & Trinken    Datum: 04.04.2006
Biobauern in der Mehrheit
Nach der Wahl in Polen: Konservative unterstützen Ökolandbau
Von Alicja Zmijewska und Sabine Reichert*

Klimaveränderungen, Giftstoffe in Industrieprodukten, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel, Gifte im Leitungs-, See- und Meereswasser und die Raubabholzung der Wälder sind einige ökologische Probleme, die auch Polen hat. Manche davon sollen von der Politik gelöst werden. Haben die Polen am 25. September 2005 eine gute Wahl getroffen? Kümmern sich die Menschen, die jetzt im polnischen Parlament, dem Sejm, sitzen, gut um Umwelt, Gesundheit und das Leben ihrer Bürger?

Rasanter Regierungswechsel

Die Partei, die die Wahlen gewonnen hat, nennt sich "Prawo i Sprawiedliwosc" (PiS). Auf Deutsch heißt das "Recht und Gerechtigkeit". 27 Prozent aller Wahlstimmen hat sie bekommen. Die zweitstärkste Partei ist die "liberale Bürgerpartei" (PO) mit 24%. Die linkspopulistische "Selbstverteidigung" (Samoobrona) bekam 11%. Das "Bündnis der Demokratischen Linken" (SLD), das bisher die Regierung stellte, erhielt nur 11 Prozent der Wählerstimmen.

Alle Parteien, die jetzt in Polen Macht haben, machten bis jetzt nur Andeutungen über Ökologie und Umweltschutz. Vielleicht sind sie der Meinung, dass es ein unwichtiges Thema ist, weil Polen viele andere und wahrscheinlich schwierigere Probleme hat. Zwar haben sie sich nicht vor Gesprächen über Ökologie gescheut. Aus den vielen Interviews konnte man aber nur vage folgern, welche Anstrengungen die Regierung in den nächsten vier Jahren in dieser Richtung unternehmen will.

Im Wahlprogramm der siegreichen PiS beispielsweise wird der Umweltschutz nur der Landwirtschaft wegen erwähnt. Denn 20% der Beschäftigten in Polen arbeiten auf dem Land. Die Rechtskonservativen gingen mit ihren Forderungen und Beschlüssen also auf Stimmenfang bei der Landbevölkerung.

80% der 2,5 Millionen Bauernhöfe sind kleine Familienbetriebe, die im Durchschnitt 8,5 Hektar groß sind. Positive Folge dieser Klein- und Kleinsthöfe ist, dass dort schon vor der Wende sehr geringe Mengen an künstlichen Düngemitteln eingesetzt wurden. Nur die mittlerweile privatisierten Großbetriebe, die aus den staatlichen hervorgegangen sind, setzen auf Chemiedünger. Dank der nicht verseuchten Böden und Pflanzen der kleineren Betriebe blieb der Artenreichtum über viele Jahre erhalten.

Die Landwirtschaft ist die hauptsächliche Einnahmequelle für etwa die Hälfte aller Polen. Sie hat Regionalcharakter: Regional erzeugte Produkte werden vor Ort vermarktet und verbraucht. Das löst die Probleme des Nahrungsmitteltransports und erlaubt weniger Brennstoff- und Konservierungsmittelverbrauch. PiS meint, dass die polnischen Bauern die Technologieverspätung ausnützen sollen, um ökologische Landwirtschaft zu entwickeln. Die Bioprodukte, die so entstehen, sind natürlich teurer als konventionelle Produkte, aber viel gesünder und attraktiver für Konsumenten.

"Recht und Gerechtigkeit" möchte die Bauern ermuntern und finanziell unterstützen, um Ökobauernhöfe zu etablieren. Diese sollen traditionelle und umweltfreundliche, aber nicht zurückgebliebene Methoden benutzen. So erhalten sie die Artenvielfalt der Landwirtschaftsgebiete und begrenzen sowohl die Erosion und Versauerung des Erdbodens als auch die Verschlechterung der Wasserqualität.

Nur durch die Vorgeschichte der polnischen Landwirtschaft ist die Haltung der bodenständigen PiS zu verstehen. Anders als in Deutschland schließen in Polen konservative Politik und ökologischer Landbau einander nicht aus. So ist der kürzlich gegründete polnische Demeter-Verband zwar deutlich konservativ geprägt, unterstützt aber dennoch viele fortschrittliche Projekte. Die Probleme ergeben sich als in der BRD auf anderen Ebenen.


Hoffnung EU?

So müssen die Zuschüsse, die hoffentlich bei den Verhandlungen mit der EU ausgehandelt werden können, von der polnischen Politik gerecht an kleine und mittlere Bauernhöfe in Polen verteilt werden. Bis jetzt haben - wie überall in Europa - die großen Landwirtschaftsbetriebe das meiste Geld erhalten.

Wenn die Verhandlungen ergebnislos bleiben oder die Regierung weiterhin größere Höfe bevorzugt, müssen 1,5 Millionen kleine Familiengüter aufgeben. Sie müssen sich von Bienenzucht und Pflanzensammeln verabschieden und sich an das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten gewöhnen, weil die Monokulturen die Artenvielfalt ersetzen werden.

Um zu verstehen, warum die polnische Landwirtschaft Unterstützung braucht, muss man sich die europäische Landwirtschaft ansehen. Jedes Jahr schlucken in der EU riesengroße Farmen 500.000 kleinere Bauernhöfe.

Sie können den subventionierten Preisen der konventionellen Landwirtschaft in der EU nicht standhalten. Ökologischer Landbau ist demnach vielleicht die einzige Überlebenschance der ursprünglichen polnischen Kleinbauernhöfe.

Konservierte Nahrungsmittel sind dafür gemacht, dass sie weit transportiert werden. Das bedeutet aber auch, dass sie aus konventioneller Landwirtschaft kommend, Pestizide und Chemiedünger enthalten. Sie schmecken nicht so gut und sind schädlich für die Gesundheit. Auch die abscheuliche industrielle "Tiererzeugung" würde durch verstärkten ökologischen Landbau wegfallen und mit ihr Krankheiten wie Maul- und Klauenseuche bei Schweinen oder BSE bei Rindern.


Winterschläfer

Am 8. Februar waren die ersten 100 Tage der neuen, polnischen Regierung vorüber. Was hat sie unternommen, um Polen sauber, ökologisch und umweltfreundlich zu machen?

Leider ist außer den Vorbereitungen zu einigen Gesetzentwürfen fast gar nichts gemacht worden. So ist es nicht nur im Umweltressort, sondern auch in anderen Bereichen. Die ersten 100 Tage sind mit ständigen Beschuldigungen zwischen den Parteien und mit dem Kampf um die Vorherrschaft im Parlament abgelaufen.

Noch immer versprechen die Politiker sehr viel, tatsächlich aber wird nur ein bisschen davon umgesetzt. Vielleicht hat der Gedanke, dass sie sich jetzt um ihr Land und die Bürger kümmern müssen, noch nicht das Bewusstsein der PiS-Partei erreicht. Vielleicht meinen sie immer noch, dass der Wahlsieg nur ein schöner Traum ist. Hoffentlich werden sie mit dem Erwachen nicht wie die Bären bis zum Ende des Winters warten, weil der noch sehr lange dauern kann.
* Alicja Zmijewska aus Szczecin (Polen) und Sabine Reichert aus Berlin absolvieren ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der GRÜNEN LIGA Berlin.

DER RABE RALF - Die Berliner Umweltzeitung | April/Mai 06
www.grueneliga-berlin.de/raberalf


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