Ein Service von![]() | |||||||||||||||||||||
Wo die Lebensmittel herkommen, bleibt für den Verbraucher meist ein Geheimnis: Auf der Verpackung oder am Ladenregal steht nicht oder nur unvollständig, wo Lebensmittel beziehungsweise deren Inhaltsstoffe erzeugt und verarbeitet wurden. Dabei entscheidet die Herkunft von Lebensmitteln über regionale Arbeitsplätze sowie über Wertschöpfungspotenziale im ländlichen Raum. Der Ort, an dem Lebensmittel erzeugt werden, beeinflusst oft entscheidend die Attraktivität und Funktionsfähigkeit der Landschaft und deren Reiz für Tourismus und Naherholung. Man denke etwa an die Weidelandschaften der Mittelgebirge und der Alpen oder die Streuobstwiesen, die jährlich viele Millionen von Erholungssuchenden anziehen, aber nur möglich sind durch eine Landbewirtschaftung vor Ort. Daneben entscheidet die Herkunft über die Länge der Transportwege. Lebensmittelhandel wandelt sich Der Transport von Lebens- und Futtermitteln macht in Deutschland am gesamten Güterverkehr ein knappes Viertel aus. Er ist gekennzeichnet durch ein sehr starkes Wachstum: Allein im kurzen Zeitraum zwischen 1995 und 2000 haben die Verkehrsleistung um 30 Prozent, der grenzüberschreitende Verkehr um mehr als 40 Prozent und der Transitgüterverkehr um mehr als 90 Prozent zugenommen. In dieser Zeit sind die externen Kosten der Lebens- und Futtermitteltransporte in Deutschland von 13 auf 21 Milliarden Euro angestiegen. Den Berechnungen liegen aktuelle Schätzungen des Gesamtverkehrs in einzelnen Ländern der Europäischen Union zugrunde. Die Werte liegen weit höher als bislang angenommen. Zunehmenden Anteil daran hat der internationale Lebensmitteltauschhandel. Große Mengen identischer Erzeugnisse werden auf der Suche nach dem billigsten Schlachthof, der preiswertesten Mühle oder dem besten Absatzmarkt sowohl im- als auch exportiert. Die Ausmaße, die solch ein Austausch annehmen kann, verdeutlicht ein Beispiel aus England. Im Jahr 2000 wurden dort 213.000 Tonnen Schweinefleisch exportiert und 272.000 Tonnen Schweinefleisch importiert - mit dem Ziel sich laufend verändernde Kostenvorteile europaweit nutzen zu können. Externe Kosten steigen drastisch Die gesamten externen Kosten von Lebensmitteltransporten in Deutschland lassen sich auf einen durchschnittlichen Lebensmittelwarenkorb umlegen, der dem Verzehr an Lebensmitteln eines Bürgers pro Jahr entspricht. Die externen Transportkosten belaufen sich pro Kopf für das Jahr 2000 auf rund 260 Euro. Fünf Jahre zuvor lagen sie noch bei rund 160 Euro, sind also um 50 Prozent gestiegen. Luftschadstoffe und Klimagase verursachen die höchsten Kostenpunkte. In dieser Kalkulation wurden beispielsweise die Kosten geschätzt, die nötig sind um Gebäudefassaden instand zu halten oder Gesundheitsbelastungen zu behandeln, die durch Luftverschmutzungen ausgelöst werden. Hinzu kommen auch Kosten durch Lärmbelastung, wenn dadurch die Natur und Landschaft beeinträchtigt werden. Regionale Handelsstrukturen werden aufgelöst und globale Handelsvernetzungen ausgebaut. Die Unternehmen zentralisieren Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung in Großbetrieben, um Größenvorteile auszunutzen, die es erlauben, kostengünstiger zu produzieren. Sinkende Transportkosten begünstigen diesen Entwicklungsprozess. Der Anstieg der externen Kosten ist vor allem durch längere Transportwege bedingt. Fanden früher Futtergewinnung, Aufzucht, Mast und Schlachtung von Tieren auf einem einzigen Bauernhof und im nahe gelegenen Schlachthof statt, liegen heute nicht selten hunderte bis tausende Transportkilometer zwischen diesen einzelnen Stationen. Regionale Potenziale Das Spektrum der Vermarktungswege für regionale Lebensmittel ist sehr groß und reicht vom direkten Verkauf auf dem Bauernhof über Wochenmarkt und Abo-Kisten bis hin zu großen Handelsunternehmen. Am Beispiel eines Handelsunternehmens wurde analysiert, in welchem Ausmaß eine effizient gestaltete regionale Lebensmittelversorgung externe Transportkosten einsparen kann. Untersucht wurde hierzu das Allgäuer Unternehmen Feneberg, das unter der Dachmarke "von Hier" ein breites Sortiment regionaler Bio-Produkte vermarktet. Die Region ist als ein Kreis mit einem Radius von einhundert Kilometern um den Firmensitz Kempten definiert. Die Lebensmittel werden in den über achtzig firmeneigenen Verkaufsstätten angeboten. Mehr als dreihundert Bio-Landwirte in der Region erzeugen die Lebensmittel. Der durchschnittliche deutsche Lebensmittelwarenkorb lässt sich bei konsequenter regionaler Wahl und der Sortimentsvielfalt des Unternehmens Feneberg zu rund achtzig Prozent mit Erzeugnissen aus der Region füllen. Der restliche Anteil wird durch überregionale Produkte ergänzt, etwa Reis oder Fischprodukte sowie außersaisonales und tropisches Obst und Gemüse. Auf der Grundlage einer Ökobilanz kann für die Transporte des regionalen Warenkorbs berechnet werden, wie hoch die externen Kosten ausfallen. Die externen Transportkosten belaufen sich für den effizienten regionalen Warenkorb auf rund 100 Euro. Bezogen auf das Jahr 2000 lassen sich also 160 Euro externer Umweltkosten pro Kopf einsparen, wenn regionale Lebensmittel gewählt werden. Externe Kosten durch Luftverschmutzung, den Ausstoß von Treibhausgasen und durch Lärmbelastung lassen sich beispielsweise um die Hälfte bis zu zwei Drittel verringern. Es zeigt sich, dass regionale Lebensmittel gerade dann in der Transport-Ökobilanz günstig abschneiden, wenn die Lebensmittel aus der Region verbrauchernah vermarktet werden und über effiziente Transportstrukturen verfügen. Bei Hofläden etwa wirkt sich in erster Linie die Einkaufsfahrt negativ aus. Allerdings dient die Fahrt zum Bauernhof in vielen Fällen nicht nur dem Einkauf. Oft wird sie mit Besuchen bei Freunden oder Verwandten oder dem Weg zur Arbeit verknüpft. Kooperation ist entscheidend Das größte Zukunftspotenzial zeigen Konzepte, bei denen der Lebensmitteleinzelhandel und regionale Initiativen miteinander kooperieren. Eine zu Feneberg vergleichbare Situation findet sich in Österreich und der Schweiz sowie in einigen anderen Regionen Deutschlands. Handelsunternehmen wie Tegut, Schmidt's Märkte in Deutschland, Billa und Spar in Österreich, Coop und Migros in der Schweiz sind Vorreiter mit regionalen Marken. Sie setzen bereits auf ein regionales Lebensmittelangebot und engagieren sich stark im Ausbau dieser Konzepte. Regionalen Konzepten kann im harten Verdrängungswettbewerb des Lebensmittelhandels, der nahezu ausschließlich über den Preis ausgetragen wird, eine besondere strategische Rolle zukommen. Zwar ist es aufwändig, regionale Marken aufzubauen, aufgrund von Mengenverfügbarkeit, Kommunikationsaufwand oder konstanten Qualitäten. Dann jedoch sind die Lebensmittel aus der Region ein wichtiges Element, um sich beim Verbraucher gegenüber anderen Handelsketten zu profilieren. Die Zeit ist reif: Faire Kostenverteilung Das Engagement des Unternehmens Feneberg hat Leuchtturmcharakter dafür, wie man Lebensmittel ökologisch vorteilhaft vermarktet und zugleich hilft, externe Kosten einzusparen. Zukünftig ist eine Politik gefordert, die gerechte Marktrahmenbedingungen schafft, wonach Schäden an der Umwelt oder auch Belastungen im sozialen Bereich unmittelbar vom Verursacher getragen werden. Bislang kommt für die Schadenswiedergutmachung überwiegend der Steuerzahler auf. Werden die Kosten für die Umweltbelastung in den Preis eines Lebensmittels eingerechnet, wird das umweltverträglichere Produkt im Verhältnis günstiger. Davon würden Lebensmittel aus effizienten regionalen Vermarktungsprojekten, die Umwelt, und auch der Steuerzahler profitieren. Weitere Informationen: www.wzw.tum.de/wdl/wirueberuns/personen/demmeler/gewisola_ressourceneffizienz.pdf Martin Demmeler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München-Weihenstephan und freiberuflich im Projektbüro mareg - Markt+Region tätig. Kontakt: Fon +49/821/4 48 15 67, E-Mail demmeler@markt-region.de Artikel erschienen in punkt.um November 2005 www.oekom.de/nc/zeitschriften/punktum/aktuelles-heft.html Probeabonnement erhältlich unter: www.oekom.de/zeitschriften/punktum/probeabo.html
| |||||||||||||||||||||
Lesen Sie weiter auf www.ECO-World.de, dem Portal für ein bewusst genussvolles Leben & ökologisch nachhaltiges Handeln. |