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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 08.06.2005
OECD-Länder nehmen Ölkrise endlich ernst
Internationale Energie Agentur veröffentlicht Maßnahmenkatalog: Mitgliedsstaaten können ihren Ölverbrauch um mehr als ein Drittel senken
Dem Ölmarkt droht eine Krise, das ist seit längerem ersichtlich. Neu ist, dass die Situation nun auch von den OECD-Ländern ernst genommen wird.Die Internationale Energie Agentur (IEA) hat Mitte Mai ein Bündel von Sparmaßnahmen veröffentlicht, mit dem die Mitgliedstaaten im Notfall ihren Ölverbrauch kurzfristig um bis zu 36 Prozent senken können. Damit haben sich die IEA-Staaten als ernst zu nehmender Partner auf dem Ölmarkt aufgestellt. Gleichzeitig sinkt das Risiko,dass auf eine Ölkrise mit militärischen Mitteln reagiert wird. Von Hans-Jochen Luhmann

Das Ende des Ölzeitalters wird in aller Regel als der Zeitpunkt definiert, an dem das Öl ausgeht - dieser Definition folgen insbesondere die offiziellen staatlichen Stellen und insbesondere auch die OECD. Selbstverständlich aber gilt, dass die nächste Ölkrise sich bereits dann einstellen wird, wenn die Erdölförderung nicht weiter zu steigern ist. Dann tritt der Schnittpunkt mit der ungebrochen weiter steigenden Nachfrage ein. Dieser Augenblick scheint nahe - so pfeifen es zumindest die pensionierten Ölgeologen der Ölkonzerne von den Dächern, respektive ihren Webseiten. Vor diesem Hintergrund erhält Bedeutung, dass eine Autorengruppe der Internationalen Energie Agentur (IEA) einen Katalog von Maßnahmen entworfen hat, in dem zweierlei dargestellt wird: Die wesentlichen Maßnahmen, mit denen die IEA-Staaten ihre Nachfrage nach Ölprodukten einschränken können und in welchem Umfang dies möglich ist.Unabhängig von allen Inhalten ist damit kommuniziert: Auch wir, die IEA, halten die Krise für nahe.

Mit heißer Nadel

Die IEA wurde im Jahre 1974 als Antwort auf die Ölkrise gegründet; heute hat sie 26 Mitgliedsländer. Ihr Auftrag ist es, die Energieversorgung sicherzustellen und die effiziente Verwendung von Energie zu fördern. Auffällig ist angesichts dieses Auftrages, dass die nun vorgelegte Aufstellung mit heißer Nadel gestrickt ist. Ein Zeichen, dass es auch innerhalb der IEA keine langfristigen Planungen zur jetzt endlich wahrgenommenen Krise gab. Die Vorbereitung auf den Ernstfall lässt somit selbst bei der dafür zuständigen und eigens eingerichteten Institution zu wünschen übrig. Die Daten, die der IEA als Grundlage für die Analyse zur Verfügung standen, sind nach deren eigenem Urteil schwammig. Aber immerhin - die ExpertInnen haben aus unzureichenden Daten das Beste gemacht: Sie haben nicht versucht, die Reduktionsmöglichkeiten im gesamten Ölverbrauch abzuschätzen. Sie haben sich allein auf einen Teil, den Verkehrssektor, und darin wiederum auf den Pkw-Bereich beschränkt. Wobei sie dabei,wie es scheint, nur die privaten Nutzer berücksichtigt haben. Das wirkliche Reduktionspotenzial dürfte deshalb deutlich größer sein als ausgewiesen. Schon das Vorwort zur Untersuchung drückt die Atmosphäre von Dringlichkeit aus, die das Ölthema nun endlich umgibt. IEA-Exekutivdirektor Claude Mandil erinnert daran, dass der Gründungsakt der IEA von den Mitgliedstaaten nicht nur verlange, Ölvorräte für den Notfall vorzuhalten. Es fordere, freiwillige und verbindliche Maßnahmen, mit denen der Ölkonsum während einer Unterbrechung der Ölversorgung in sehr kurzer Zeit reduziert werden kann". Um das zu ermöglichen und die Regierungen der Mitgliedstaaten zu drängen, solche Maßnahmen vorzubereiten, legen die ExpertInnen der IEA ihre bemerkenswerte Aufstellung vor.

Europa und USA sind gefragt

Die IEA-Staaten zeichnen insgesamt für eine Nachfrage in Höhe von 29 Millionen Barrel pro Tag verantwortlich, rund die Hälfte der Weltproduktion. Davon entfallen auf den Transportbereich 20 Millionen Barrel. Schon durch eine veränderte Nutzung privater Pkw könnten kurzfristig bis zu gut sieben Millionen Barrel eingespart werden. Das entspricht 36 Prozent des Transportbedarfs und in etwa der täglichen Förderleistung von Saudi Aramco. Gruppiert man die IEA-Länder nach ihren vier Hauptregionen, so lässt die Studie erkennen, dass Ölverbrauch und Einsparpotenziale sich stark unterscheiden. Nordamerika (USA/Kanada) liegt beim Verbrauch mit 59 Prozent an der Spitze, mit nur 28 Prozent beim Einsparpotenzial aber ganz hinten. Das umgekehrte Extrem bieten die europäischen Länder. Hier werden 28 Prozent verbraucht, davon können 51 Prozent eingespart werden. Das Gesamtreduktionspotenzial von 36 Prozent ergibt sich im Wesentlichen bereits als Mittelwert aus den Potenzialen dieser beiden dominierenden Verbrauchsregionen. Die Region Japan/Südkorea kommt auf 41 Prozent Einsparpotenzial, Australien/Neuseeland auf 37 Prozent - zusammen tragen sie nur 13 Prozent zum IEA-Gesamtverbrauch zu Verkehrszwecken bei. Der Hauptteil des kurzfristig mobilisierbaren Einsparpotenzials liegt also nicht in den Flächenstaaten, sondern in den dicht besiedelten IEALändern. Wissenschaftler am Wuppertal Institut haben die Ergebnistabelle der IEA weiter verdichtet. Pro Region wurden vier kombinierbare Maßnahmen ausgewählt, mit denen am meisten eingespart werden kann. So kristallisierten sich fünf Top-Maßnahmen heraus, mit denen man insgesamt 7,3 Millionen Barrel Öl einsparen könnte.Absolut gesehen kann am meisten gespart werden, wenn auf Fahrten mit dem Pkw überhaupt verzichtet wird: Zweitägliche Fahrverbote, alternierend für Fahrzeuge mit geraden und ungeraden Kennzeichennummern, erbringen rund 55 Prozent der Einsparleistung. Programme und Anreize zur stärkeren gemeinsamen Nutzung von Pkw - also CarSharing oder Fahrgemeinschaften - schlagen mit 17 Prozent zu Buche. Kampagnen zu Eco-Driving (sparsames Fahren) tragen 13 Prozent bei. Freifahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Telecommuting (computergestützte Heimarbeit) bringen je sechs Prozent Sparpotenzial.

Kein Mut zu Tempolimits.

Interessant ist auch, warum das Einsparpotenzial in Europa so hoch ausfällt. Dort kann durch Eco-Driving, zu dem eine freiwillige Geschwindigkeitsbegrenzung gehört, ein viel größeres Potenzial erschlossen werden als in anderen Regionen. Vermutlich wirkt sich hier aus, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, in denen es bislang kein Tempolimit gibt. Noch genauer ersichtlich war dieser Effekt im letzten Entwurf der Studie, die ein Tempolimit von 90 Kilometern pro Stunde vorsah. Dieses wurde in letzter Minute durch die politisch wesentlich weniger anstößige freiwillige Geschwindigkeitsbegrenzung ersetzt. "Freie Fahrt"-Angebote mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind im Übrigen in Nordamerika und Australien nicht sonderlich effektiv. In allen Regionen ist es das alternierende Fahrverbot, das am meisten bringt - in Europa und Ostasien jedoch relativ gesehen wesentlich mehr als in Nordamerika. Dort dagegen ist viel zu holen durch Telecommuting und Fahrgemeinschaften. Mit dieser Untersuchung ist ein wesentlicher Schritt vorwärts gemacht worden: Die ölimportierenden Industriestaaten haben damit endlich den Mut gezeigt, sich mit ihrer Verletzlichkeit auseinanderzusetzen. Und sie haben sich besonnen zu klären, was sie im Ernstfall tun können. Damit haben sie sich als ernstzunehmende Akteure auf dem von mächtigen Global Playern beherrschten Ölmarkt aufgestellt. Und sie haben ihre Handlungsoptionen ausgelotet. Auf diese Weise sinkt auch die Gefahr, dass in einer Krise auf militärische Maßnahmen zurückgegriffen wird.

IEA: Saving Oil in a Hurry. Demand Restraint in the Transport
Sector.OECD, Paris 2005, 164 S., paper: 75,- €/pdf: 60,- €, ISBN 92-64-1 09 41-2,www.iea.

Erschienen in punkt.um 06/2005




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