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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 04.04.2005
Rohstoff-Projekte: Pipelines für privaten Profit
Die Weltbank finanziert weiterhin Rohstoff-Projekte. Die Gewinne fließen ab - die Umweltprobleme bleiben
Mit der geplanten West-Afrika-Gaspipeline (WAGP) will die Weltbank das schädliche Abfackeln von Gas in Nigeria, Benin, Togo und Ghana beenden und die Bevölkerung mit sauberer Energie versorgen. Eine Reise ins Projektgebiet ergibt ein anderes Bild: Die Energie fließt ins Ausland, das Geld auch und die lokalen Umweltprobleme bleiben bestehen. Ein Prinzip, nach dem alle Rohstoff-Projekte der Weltbank funktionieren. Internationale NGOs stellen sich jetzt auf ein zähes Ringen ein. An der WAGP wird sich zeigen, wie ernst es die Weltbank mit Umwelt- und Sozialstandards und der Armutsbekämpfung wirklich meint.

Auf dem Papier liest sich die Beteiligung der Weltbank an der Westafrikagaspipeline (WAGP) wie ein Meilenstein für die Beseitigung eines der größten Umweltprobleme Westafrikas. Durch die WAGP soll die Bevölkerung von Nigeria, Benin, Togo und Ghana mit preiswerter und relativ sauberer Energie versorgt werden. Bislang wird das Gas, das bei der Erdölförderung austritt, in mehr als 150 "Flaring Sites" abgefackelt. Dabei wird Energie verschleudert, die über die Hälfte des Bedarfs in Afrika ausmacht. Außerdem führt das Abfackeln zu massiver Luftverschmutzung. In der Umgebung der Flaring Sites treten Lungenerkrankungen bis hin zum Lungenkrebs gehäuft auf und die Ölpalmen und Feldfrüchte sind geschädigt und bringen weniger Ertrag.

Falsche Versprechungen

Die WAGP galt als Hoffnungsschimmer für die betroffene Bevölkerung. Aktuelle
Vor-Ort-Recherchen der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation "urgewald" haben jedoch ergeben, dass bei diesem Projekt mit falschen Versprechen und Täuschung gearbeitet wird. So gibt es keine Anzeichen für den Bau oder die Planung von Anlagen, die nötig sind, um so genanntes "assoziiertes" Gas zu reinigen und in "normales" Erdgas zu verwandeln. Statt dessendeutet alles darauf hin, dass weiterhin abgefackelt und in der neuen Pipeline reines Gas aus anderen Feldern transportiert werden soll.
Auch die angebliche Versorgung der Bevölkerung dürfte wohl eher ein Feigenblatt sein. Der Bärenanteil der Energie wird in die Industrie fließen: Mit 85 Prozent des Gases sollen Kraftwerke in Ghana versorgt werden, die beispielsweise den Strom für die Aluminiumschmelzen liefern. Nur 15 Prozent des Flüssiggases wird der Bevölkerung der vier westafrikanischen Staaten zugute kommen. Hier wurde offensichtlich die Versorgung der Bevölkerung zum Hauptzweck der Pipeline hochstilisiert, um in den Weltbank-Gremien Zustimmung zu erhalten.

Konzerne profitieren

Damit lösen sich die offiziellen Hauptgründe der Weltbank -Umweltschutz und Entwicklung - in Wohlgefallen auf. Übrig bleibt die Finanzierung einer Pipeline, deren positive Auswirkungen für die Bevölkerung mehr als zweifelhaft sind. Dies passt in das Bild, das jedes Engagement der Weltbank im Rohstoffsektor, besonders jedoch bei Öl- und Gasprojekten, bietet. Der viel diskutierte Salim-Bericht kam 2004 zu dem Schluss, dass kein einziges Projekt auf dem Rohstoffsektor die Armut bekämpft und nachhaltige Entwicklung bewirkt. Auch ein aktueller Artikel im US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" bestätigt, dass vor allem Großkonzerne von Weltbankprojekten profitieren.

Gezielte Desinformation

Auch bei der konkreten Projektdurchführung gibt es viele Hinweise, dass die Vorgaben der Weltbank nicht eingehalten werden. So müssten Grundbesitzer, auf deren Land die Pipeline verläuft oder Pump- und Verdichtungsstationen gebaut werden sollen, ausreichend informiert werden. Ein Besuch in Badagry, wo eine große Verdichterstation errichtet werden soll, zeigt ein anderes Bild. Die EinwohnerInnen kritisieren, dass die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung nur auf Englisch und in drei weit entfernten Büros auslagen. Es gab keine Vor-Ort-Information der Bevölkerung und auch ein Notplan im Fall eines Lecks fehlte.
Ebenso entsprechen die Entschädigungen für betroffene Grundeigentümer nicht den Weltbank-Richtlinien. Diese fordern eine Land-für-Land-Kompensation, zumindest aber den vollen Ersatz des wirtschaftlichen Schadens. Im Falle der WAGP orientiert man sich dagegen am nigerianischen Gesetz, wonach der Staat Grundbesitzer gegen eine minimale finanzielle Entschädigung enteignen kann.

Kritik unerwünscht

Viele Gründe zur Unzufriedenheit vor Ort also - doch Kritik wird nicht gerne gesehen. Wer aufbegehrt, ist Repressalien ausgesetzt. So wurde Alhaji Alani zehn Monate unter dem Vorwurf des Mordversuchs inhaftiert und sein Haus niedergebrannt. Alani vermutet, dass Dorfbewohner, denen viel Geld versprochen wurde, falsche Beschuldigungen gegen ihn vorbrachten. Wenige Tage nach dem Besuch eines urgewald-Mitarbeiters tauchte die Polizei bei Alani auf und bedrohte ihn, weil er Europäer in die Gemeinde gebracht und Unruhe gestiftet habe.
Dieses Muster von Einschüchterung und Gewalt ist in Nigeria nichts Ungewöhnliches: Vor zehn Jahren wurde der Literatur-Nobelpreisträger Ken Saro-Wiwa wegen seines Engagements für die Rechte der Ogoni verhaftet und nach einem Schauprozess erhängt. Die jetzige demokratisch gewählte Regierung geht gegen KritikerInnen subtiler vor: Sie werden entweder gekauft oder massiv bedroht. Unter den AktivistInnen herrscht ein Klima der Resignation und Angst. Die Weltbank lobt unterdessen die Anstrengungen des Präsidenten Obasanjo für Transparenz und Korruptionsbekämpfung.

Lästige Umweltstandards

Nigeria exportiert offiziell mehr als zwei Millionen Barrel Öl am Tag. ExpertInnen gehen davon aus, dass darüber hinaus mindestens ein Drittel illegal verschoben wird und die Erträge private Bankkonten füllen. Trotz dieses Reichtums an Energie ist die Stromproduktion in den letzten Jahren um die Hälfte gesunken. In den großen Städten wie Lagos und Port Harcourt sind Stromausfälle die Regel. Jede Familie, die es sich leisten kann, hat einen Generator, für dessen Betrieb ein großer Teil des Einkommens aufgewendet werden muss. Das Kerosin für die Kocher ist teurer als Fahrzeugbenzin und Flüssiggas, das Nigeria in großem Stil exportiert, wird teuer reimportiert.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als unverständlich, dass die Weltbank einem Konsortium von Energiemultis Geld zur Verfügung stellt, das dem Export von Energie dient. Zudem scheinen der Bank ihre eigenen Umwelt- und Sozialstandards zunehmend lästig zu sein. Nur so können sich internationale NGOs erklären, warum die International Finance Corporation, die Privatsektorabteilung der Weltbank, ihre bestehenden bindenden Standards durch ein System äußerst flexibler Absichtserklärungen ersetzen will.
Die Westafrika-Gaspipeline ist ein Testfall, wie ernst es die Bank mit Umwelt- und Sozialstandards und der Armutsbekämpfung meint. Wie schon im Fall der Tschad-Kamerun-Pipeline wird es ein zähes Ringen zwischen den NGOs und den Betroffenen auf der einen und der Weltbank und der Industrie auf der anderen Seite geben.

Kontakt: urgewald e.V., Knud Vöcking, Fon +49/25 83/10 31, Fax -42 20, E-Mail knud@urgewald.de,
www.urgewald.de; www.bicusa.org; www.eireview.info; www.grrr-now.org

erschienen in punkt.um 04/05


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