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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 09.03.2005
Weltbank - Verdammt nachhaltige Entwicklung
Der Größenwahn schien besiegt. Doch jetzt erleben Staudammprojekte eine Renaissance
Ende März wird der Exekutivrat der Weltbank über einen Kredit für das Staudammprojekt Nam Theun 2 in Laos entscheiden. Unter Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen gilt diese Entscheidung als richtungsweisend für die zukünftige Politik der Weltbank. Seit den großen Protesten der 90er Jahren hat die Entwicklungsbank keine großen Staudämme mehr finanziert; die sozialen und ökologischen Risiken galten als zu hoch. Doch nun drohen Mammutprojekte wieder hof- und förderfähig zu werden. Zeit für die deutsche Regierung, ihre Stimme im Exekutivrat für eine nachhaltige Entwicklungspolitik in die Waagschale zu werfen.
Vor zehn Jahren haben die Proteste gegen Autobahnen durch den Amazonas und gegen große Staudammprojekte, für die Hunderttausende von Menschen umgesiedelt werden mussten, die Weltbank zum Umdenken bewegt. Weg von der Finanzierung großer Projekte, hin zu der Förderung angepasster Entwicklungsvorhaben. Gleichzeitig verstärkte die Weltbank damals ihre ökologischen und sozialen Standards. Die Überlegung der Weltbank, Nam Theun 2 zu finanzieren, spiegelt einen neuen Trend in der größten Entwicklungsorganisation der Welt wider: Ökologische und soziale Fragen treten in den Hintergrund. Jetzt heißt es wieder: Big is beautiful! Um große Projekte schneller und einfacher durch den Instanzenweg in der Weltbank zu bringen, werden verbindliche Öko-und Sozialstandards auf unterschiedlichen Ebenen innerhalb der Bank abgeschwächt. Verantwortlich dafür ist vor allem der Machtgewinn der aufstrebenden Entwicklungsländer Indien, China und Brasilien in der Weltbank. Sie fordern eine Schwächung der Umweltstandards, um so leichteren Zugang zu Krediten zu bekommen. Für die Weltbank sind sie wichtige Kunden, da sie die teuren Kredite der Weltbank aufnehmen und durch ihre Zinszahlungen die Geschäftstätigkeit der Weltbank mitfinanzieren. Eine Folge des Trends: Internationale Standards, wie zum Beispiel die Richtlinien der Weltstaudammkommission, werden regelmäßig verletzt. So verstößt auch Nam Theun 2 gegen die wichtigsten ökologischen und sozialen Richtlinien. Die Weltbank hat diese Standards nie verbindlich übernommen, obwohl unzählige Studien beweisen, dass Staudämme, bei deren Planung und Bau ökologische und soziale Aspekte sowie gute Regierungsführung vernachlässigt werden, keine positiven Entwicklungswirkungen haben können.

Bevölkerung ohne Perspektive

Auch nach zehn Jahren Planung für Nam Theun 2 bleiben zentrale ökologische und soziale Fragen ungeklärt. Aufgrund des repressiven Regimes in Laos ist es der Bevölkerung nicht möglich, Widerspruch gegen das Projekt einzulegen. Die Umsiedlungspläne sind vage, und das als Ersatz vorgesehene Ackerland ist unfruchtbar; das Grundnahrungsmittel Reis kann dort nicht angebaut werden. Es ist ungewiss, wie die Bevölkerung flussabwärts des Staudamms für den Verlust ihrer Lebensgrundlage entschädigt werden soll. Bisher lebt sie vom Fischfang, doch nach dem Bau des Staudamms wird der Fluss 80 Prozent weniger Fische führen.

Geringe Entwicklungswirkung

Zweifelhaft ist auch die geplante Nutzung des zusätzlich produzierten Stroms: Obwohl nur 20 Prozent der Bevölkerung von Laos Zugang zu Elektrizität haben, sollen 90 Prozent des Stroms nach Thailand exportiert werden. Die Einnahmen sollen von der laotischen Regierung in Entwicklung und Armutsbekämpfung gesteckt werden. Es ist jedoch mehr als unwahrscheinlich, dass die zusätzlichen Einnahmen tatsächlich in Armutsbekämpfung fließen werden. Laos hat eine korrupte und repressive Regierung, keine freie Presse, keine unabhängigen Gerichte und keine Zivilgesellschaft. Die Regierung hat in den letzten Jahren trotz Wirtschaftswachstums keinerlei Motivation gezeigt, Armutsbekämpfung zur Priorität zu machen. So wurden zum Beispiel in den letzten zehn Jahren die Ausgaben für Bildung, die schon Mitte der neunziger Jahre äußerst gering waren, noch halbiert. Auch die Erfahrungen mit früheren Staudammprojekten in Laos bestärken diese Zweifel. Obwohl sie meistens mit Geldern aus der Entwicklungszusammenarbeit finanziert wurden, hat die Regierung die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen für Mensch und Natur nicht umgesetzt. Besonders problematisch dabei ist, dass die Entwicklungsbanken diese nicht vehement einfordern. Ebensowenig wird kontrolliert, ob die Einnahmen zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden.

Erfahrung macht skeptisch

Vor vier Jahren wurde der Nam Leuk Staudamm in Laos fertig gestellt. Auch hier behauptete der Projektsponsor, die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) anfänglich, die negativen sozialen Konsequenzen des Projekts würden durch flankierende Maßnahmen gemildert. Laut einem gerade veröffentlichten Bericht der ADB führte der Staudamm jedoch tatsächlich zur Verarmung der betroffenen Bevölkerung. Seit seiner Fertigstellung ist das Flusswasser nicht mehr trinkbar und die Anzahl der Fische ist so stark zurückgegangen, dass die Bevölkerung ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann. Die ADB schreibt: "Die Kapazität der Regierung, große und komplexe Staudammprojekte umzusetzen, ist nach wie vor äußerst fragwürdig."
Schon jetzt ist klar, dass Nam Theun 2 die Richtlinien der Weltstaudammkommission verletzt. Diese fordert, soziale und ökologische Probleme bereits existierender Staudämme erst zu lösen, bevor neue Projekte angegangen werden. Außerdem verlangt sie ein Mindestmaß an öffentlicher Akzeptanz für derartige Großprojekte und die Prüfung möglicher Alternativen. Weiter müssen Staudämme größenmäßig so bemessen sein, dass sie den betroffenen Fluss ökologisch nicht zerstören.

Deutschlands Stimme zählt

Noch ist die Entscheidung für Nam Theun 2 nicht gefallen. Der Präsident der Weltbank, James Wolfensohn, und sein Management haben sich klar für das Projekt ausgesprochen. Das letzte Wort haben jedoch die Mitgliedsländer der Weltbank, die Ende März im Exekutivrat über das Projekt entscheiden werden.
In einem im Juni 2004 veröffentlichten Bericht fordert die Bundesregierung, dass "Staudammprojekte zukünftig den Kriterien der Weltstaudammkommission genügen und einen entwicklungspolitischen Nutzen insbesondere für die unmittelbar betroffene Bevölkerung aufweisen." Die Bundesregierung hat jetzt die Möglichkeit ihrer eigenen Forderung Nachdruck zu verleihen. Deutschlands Stimme hat im Exekutivrat großes Gewicht. Die Bundesregierung kann sich nun dafür einsetzen, dass aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Lehren für die Zukunft gezogen werden, und ein klares Zeichen für eine progressive Entwicklungspolitik setzen.


Autor / Kontakt:
Ann Kathrin Schneider ist Projektreferentin im deutschen Büro des International Rivers Network, Fon +49/1 51 08 48 -11 55, E-Mail akschneider@irn.org, www.irn.org

Erschienen in punkt.um 3/05. Weitere TopThemen:

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