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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 22.01.2005
Tsunami verebbt. Was bleibt?
Natürlicher Küstenschutz durch Mangrove.
Kaum vier Wochen nach der Tsunami-Katastrophe um den Indischen Ozean drängen sich wieder andere Themen in den Vordergrund. Was an Nachrichten noch nachtröpfelt, befasst sich mit den Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen sowie der Einrichtung eines weltweiten Warnsystems. Offen bleibt, wie und wo aufgebaut werden soll. Offen bleibt auch, wie das wieder Aufgebaute und die Menschen dort in Zukunft geschützt werden sollen.
Was die gesamte Tagespresse - bei aller Gründlichkeit - unterbelichtet, ist der ökologische Blickwinkel. So ist zu fragen, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass an manchen Orten zahlreiche Todesfälle und schwere Schäden zu verzeichnen sind, während an anderen Stellen sehr geringe bis gar keine Verluste eintraten. Dass hierbei der natürliche Schutz durch Mangroven eine vielfach unterschätzte Rolle spielt, belegen die nachfolgenden Berichte und Informationen.
Banda Aceh am 2. Januar 2005
Luftaufnahme aus der Internetseite von www.riverbasin.org
Banda Aceh: Spuren der Zerstörung.
(Ausschnitt aus Luftbild)
Faizal Parish, Direktor des Global Environment Centre www.riverbasin.org in Malaysia, erläutert: "Banda Aceh, die Hauptstadt der Provinz Aceh im Norden von Sumatra, ist von den Auswirkungen des Tsunami besonders stark betroffen. Die Stadt ist zum Teil auf einer Reihe niedriger Inseln im Mündungsdelta des Krueng Aceh errichtet. Dieser Bereich war ursprünglich ein ausgedehnter Mangrovenwald, der sich auf 25 Kilometer Länge und 1,5 bis 2 Kilometer Breite über zahlreiche Lagunen erstreckte. Wäre die Stadt im Schutz dieser Mangrove weiter landeinwärts errichtet worden, hätte die Mangrove die Gewalt der Wassermassen abpuffern können. Statt dessen wurde die Mangrove auf den flachen Inseln im Rahmen der Stadtentwicklung weitgehend abgeholzt. Was von der Lagune übrig blieb, ging fast vollständig in der Anlage von Fisch- und Garnelenzuchtbecken auf.
Als der Tsunami Banda Aceh traf, zerstörte er sämtliche Gebäude auf den Inseln und sämtliche Fisch- und Garnelenteiche sowie die Häuser an Land, die früher durch die Mangrove geschützt waren. Wo vorher Zuchtteich an Zuchtteich lag, ist jetzt offenes Meer. Einzelne Mangrovenflecken haben überlebt, waren jedoch zu klein, um landeinwärts liegende Gebäude und Menschen zu schützen." Parish und seine Organisation empfehlen, den Neuaufbau weiter landeinwärts vorzunehmen und durch Wiederaufforstung des Küstensaums mit Mangrove einen Schutzgürtel anzulegen.

In Malaysia hat sich nach P. Balan, Berater der Penang Inshore Fishermen's Welfare Association (Pifwa, Wohlfahrtsverband der Küstenfischer von Penang), die Anpflanzung von 25.000 Mangroven-Setzlingen im Raum Penang bezahlt gemacht. Heimkehrende Fischer suchten sofort den Schutz der Bäume auf. Viele überlebten, indem sie sich an die Stämme klammerten, und selbst ihre Häuser nahmen kaum Schaden.

Was ist Mangrove ?
Mangrove ist ein Küsten- und Uferwald mit weltweit 50 bis 75 Baumarten, die im Wasser wurzeln. Mangrove verträgt Salzwasser und wechselnde Wasserstände gut, niedrige Temperaturen schlecht. Daher wächst sie nur an den Küsten tropischer Länder und Inseln.
Mangrove im Sumpf von Graeme Hall, Barbados
Foto: Wolfgang Gerster
Wie wird Mangrove genutzt?
Die Mangrove und das damit verbundene Ökosystem bietet vielfältigen Nutzen für die Fischerei (Seetange, Seegras und Algen; Fische, Krabben, Garnelen und Weichtiere) und die Forstwirtschaft (Feuer-, Bau- und Farbholz, Fasern, Honig, Getränke und Heilmittel).

Wie schützt Mangrove ?
Die Stelzwurzeln der Bäume halten den Untergrund fest und entziehen ihm Nährstoffe, die sonst das Meerwasser überdüngen würden.
Gemeinsam mit Stämmen, Ästen und Blattwerk dämpfen sie die Gewalt hoher Wellen und starker Strömungen.

Skizzen aus Yoshihiro Mazda, Michimasa Magi, Motohiko Kogo,
Phan Nguyen Hong: Mangroves as a coastal protection from waves
in the Tong King delta, Vietnam. Mangroves and Salt Marshes I:
127 - 135, 1997. © Kluver Academic Publishers


Rousli Ibrahim, 57, aus Sungai Chenaam: "Gott sei Dank waren sie durch die Bäume geschützt." Die Mangrove werde seit den frühen siebziger Jahren gepflegt. Saidin Hussein, Vorsitzender der Pifwa, ist überzeugt, dass noch mehr Schäden hätten vermieden werden können, wenn es mehr intakte Mangrovensümpfe in der Region gegeben hätte.
"Jedesmal, wenn ich die Bemerkung machte, dass es immer noch zu wenig Mangrove in unserem Gebiet gäbe, wurde ich als "Orang tua bodoh" (dämlicher Alter) kritisiert", bemerkt der 73-jährige, der noch täglich ausfährt. Er meint, dass sich diese Einstellung jetzt ändert.
Die indonesische Insel Pulau Seumpulu in der Nähe des Epizentrums des Seebebens ist von rund 60.000 Menschen bewohnt, von denen lediglich etwa 100 umkamen, während anderswo bei gleicher Lage zehntausende zu beklagen waren. Die Insulaner führen dies auf zwei Umstände zurück: auf Grund früherer Erfahrung erkannten sie die Zeichen so rechtzeitig, dass den meisten die Flucht in höher gelegene Bereiche gelang, und zweitens verdankten sie es einem gut ausgeprägten breiten Mangrovengürtel, dass die Auswirkungen stark abgemildert wurden.

Zusammenfassung
Aus den vorliegenden Berichten und Beobachtungen ergibt sich:
Eine gut gestaffelte Mangrove nimmt dem Seegang bis zu 95% seiner Gewalt. Eine Welle, die einen Meter hoch gegen die äußeren Bäume brandet, erreicht das Ufer als ein Plätschern von fünf Zentimetern. Auch die Zucht von Garnelen und Krabben ist in ihrem Schutz sicher. Die zurückflutenden Wassermengen reißen weder Sand noch Schlamm mit, die sonst die weiter draußen liegenden Korallenriffe schädigen.
Ohne den Schutz einer Mangrove trifft der Seegang unmittelbar auf Küste und Strand, wo er kaum gebremst Bauwerke beschädigt und zerstört. Die ganze Energie der zurückflutenden Wassermengen wirkt ausschließlich auf den Untergrund und reißt mit großer Gewalt Schlick und Sand mit (siehe Luftbild von Banda Aceh), der sich weiter draußen über die Korallenriffe legt und sie so erstickt. Damit kann auch das den Küstensaum schützende Riff nicht mehr weiter wachsen. Das wirkt sich bei steigendem Meeresspiegel fatal aus.
Von Schutz, Neuanpflanzung und Wiederanlage von Mangrove durch gezielte und ökologisch abgestimmte Maßnahmen profitieren nicht nur menschliche Ansiedlungen und Betriebe. Auch die zunehmend gefährdeten Korallenriffe können sich wieder erholen. Diese sind für die Meeresökologie besonders wertvoll und stellen die erste Verteidigungslinie gegen Flutereignisse dar.
Ein natürlicher Schutzgürtel aus Mangrove ist im Gegensatz zu Ingenieursbauten selbstheilend. Mangrove ist nicht nur geeignet, Schäden und Verluste durch Flutwellen nachhaltig zu verringern oder ganz zu vermeiden, sondern auch die Folgen ohne hohe Kosten auszugleichen.

20. 1. 2005 Wolfgang Gerster, Kirschenhohl 5, 35619 Braunfels
wolfgerster@t-online.de

Geschichtliches :
Manila, die Hauptstadt der Philippinen, verdankt ihren Namen "Maynila" der Mangrovenart Scyphiphora hydrophyllacea, in der Sprache der Einheimischen "nilad". Diese Art wuchs vor der Entdeckung durch die Spanier in dichten Beständen in der Bucht von Manila und am Pasig-Fluss.
Zahlreiche weitere Städte und Dörfer des Inselreichs sind nach Mangrovenarten und -Standorten benannt, was die Verbreitung und Vielfalt dieser Pflanzen und Ökosysteme belegt.




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