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Rubrik:Umwelt & Naturschutz    Datum: 04.10.2004
Präsidentschaftswahlen USA: Hoffen auf Kerrys kleine Energiewende
Bushs Rivale ist ein profilierter Umweltpolitiker. Doch die Wirtschaft wird auch er nicht herausfordern
Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA geht in die entscheidende Phase. Der offensiv umweltfeindliche Kurs George W. Bushs ist bekannt, doch was ist von seinem Herausforderer John Kerry zu erwarten? Marc Berthold sieht in ihm einen ernst zu nehmenden Partner für den transatlantischen Umweltdialog, der sich besonders für erneuerbare Energien und Energieeffizienz einsetzen wird. Unpopuläre Maßnahmen, die den privaten Konsum oder das Wirtschaftswachstum beeinflussen könnten, seien aber auch von Kerry nicht zu erwarten. Von Marc Berthold, Heinrich-Böll-Stiftung, Washington DC

"Energie-Unabhängigkeit" ist das große Schlagwort, unter dem spätestens seit dem 11. September 2001 die US-amerikanische Energiepolitik debattiert wird. Präsident George W. Bush und sein Herausforderer John Kerry haben die Unabhängigkeit vom Öl zum zentralen Wahlkampfthema gemacht. Bush ausschließlich als Teil des Anti-Terror-Krieges; Kerry verspricht sich davon zusätzlich mehr Klima- und Umweltschutz sowie Innovation und Arbeitsplätze. Während aber Bush arabisches Öl überwiegend durch amerikanisches Öl und emissionsarme Kohle, so genannte "clean coal" ersetzen will, setzt Kerry auch auf einen höheren Anteil erneuerbarer Energien und mehr Energieeffizienz. In seinem Anfang August vorgelegten Energieplan gibt er zu bedenken, die Vereinigten Staaten könnten sich ihre Unabhängigkeit vom arabischen Öl nicht "erbohren". Deshalb müsse der Anteil erneuerbarer Energien im Elektrizitäts- und Transportsektor bis 2020 auf 20 Prozent des Stromverbrauchs erhöht und die Energieeffizienz gefördert werden.

Umweltpolitische Pläne und...

Mit seiner "neuen Energiewirtschaft" will Kerry in den kommenden zehn Jahren bis zu 500.000 neue Arbeitsstellen schaffen und 30 Milliarden Dollar in Steuerbegünstigungen für Unternehmen und Verbraucher, in Forschung und Entwicklung sowie in öffentlich-private Partnerschaften investieren. Auch beim Verkehr soll sich einiges ändern: Mit zehn Milliarden Dollar sollen Anreize dafür geschaffen werden, sparsame Autos herzustellen und zu kaufen. Und bis 2020 will Kerry 2,5 Millionen Wasserstoff-Autos auf Amerikas Straßen sehen. Zudem ist ein Energiesparprogramm für Regierungsgebäude geplant, das den Energieverbrauch um 20 Prozent drosseln soll.
Auch beim Klimaschutz will Kerry die harte Linie Bushs verlassen. Die USA sollen wieder an den internationalen Klimaverhandlungen teilnehmen. Das Kyoto-Protokoll ist allerdings auch für Kerry kein Thema. Beim Emissionshandel setzt er auf eine nationale Lösung, wie sie die Senatoren Joe Lieberman und John McCain vorgeschlagen haben. Sie sieht den Handel mit Treibhausgasen im Elektrizitäts-, Verkehrs- und Industriesektor vor und umfasst bis zu 85 Prozent der amerikanischen Emissionen. Bis 2010 sollen die Werte damit auf den Stand von 2000 reduziert werden.

... umweltpolitische Realitäten

Kerry ist ein ernst zu nehmender Umweltpolitiker, wenn auch ein ausgesprochener Realist: Umweltschutzmaßnahmen haben bei ihm nur eine Chance, wenn sie die Wirtschaft fördern und nicht herausfordern. Staatliche Lenkungsinstrumente wie eine Ökosteuer oder ein staatlich verordneter Ausstieg aus der Atomenergie sind von einer Kerry-Regierung nicht zu erwarten. Eine radikale Energiewende ist schon aus pragmatischen Gründen nicht denkbar: Auch wenn Amerikaner die Umwelt schützen wollen, sind sie nicht bereit, den eigenen Konsum dafür einzuschränken oder gar Verzicht zu üben. Entsprechend unpopulär sind drastische Umweltschutzmaßnahmen bei Politikern, die ihre Wiederwahl nicht riskieren wollen. Bezeichnend ist, dass der US-Senat die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls unter Clinton einstimmig abgelehnt hat. Die Auswirkungen des Abkommens auf die Wirtschaft erschienen den Senatoren zu riskant. Lediglich eine Reihe von Senatoren und Repräsentanten aus überwiegend progressiven Bundesstaaten des Nordostens oder des Westens setzt sich offensiv für die Umwelt ein. Kerry arbeitet seit Jahren mit ihnen zusammen. Wichtige Partner findet Kerry auch in ehemaligen Regierungsmitarbeitern des Ex-Präsidenten Bill Clinton. Der Energie-Spezialist in Clintons früherem Innenministerium, David Hayes, ist Kerry-Berater und wird als potenzieller Kandidat für ein hochrangiges Regierungsamt gehandelt. Andere Clinton-Mitarbeiter, wie der ehemalige Untersekretär für internationale Umweltangelegenheiten im Außenministerium, Frank Loy, hat mit weiteren Umweltpolitikern die Organisation "Environment 2004" gegründet, die im derzeitigen Wahlkampf eine Aufklärungskampagne führt. Kerry hätte also kompetente Berater in seiner Regierung. Im Kongress wird es jedoch nicht einfach werden, für umweltpoltische Vorhaben Mehrheiten zu finden. Dabei wird es keine Rolle spielen, ob der Kongress von den Republikanern oder, was eher unwahrscheinlich ist, von den Demokraten geführt wird.

Hilfreiche Allianzen

Die Energiewirtschaft steht nahezu geschlossen hinter George W. Bush. Die Öl- und Kohleindustrie sieht zwar ihre Grenzen am Horizont, will jedoch, so lange es geht, ihr Geschäft fortsetzen. Die Atomindustrie hofft sogar auf ein Comeback: Die Zauberformel heißt Wasserstoff-Wirtschaft. Von Bush als Hoffnungsträger der Energie-Zukunft gepriesen, bietet sich die Nuklearbranche als zentraler Produzent des Wasserstoffs für Brennstoffzellen an. Erneuerbare Energien, wie Wind, Sonne oder Biomasse, finden sich nur sehr langsam auf dem Vormarsch. Von den großen Energieunternehmen sind es nur die britischen Firmen BP und Shell, die bislang eine vorsichtige Wende hin zu den Erneuerbaren einleiten. Allerdings sieht eine wachsende Zahl von Bundesstaaten eine Zukunft in den "Renewables": 16 Bundesstaaten, darunter Texas, New Mexico, Kalifornien und New York, haben bereits Mindestquoten für ihren Anteil, so genannte "Renewable Portfolio Standards", eingerichtet oder sind im Begriff solche einzuführen. Zwölf Bundesstaaten haben öffentliche Fonds zur Förderung der erneuerbaren Energien etabliert. Diese Fonds arbeiten in einer Allianz, der Clean Energy States Alliance (CESA), zusammen. Gemeinsam wollen sie weitere Bundesstaaten für entsprechende Maßnahmen gewinnen und den Druck auf Bundesebene für eine fortschrittliche Energiepolitik erhöhen. John Kerry könnte auf diesen Initiativen aufbauen und von den gemachten Erfahrungen profitieren.

Vorsichtige Hoffnungen

John Kerrys Energiepolitik wäre sicherlich zukunftsorientiert. Er beschränkt seine Pläne nicht darauf, den Status quo fortzusetzen. Dem offensiv umweltfeindlichen Kurs Bushs würde er eine umweltbewusste Politik im Stil Bill Clintons entgegensetzen. Wie bei Clinton wäre allerdings auch fraglich, ob den verheißungsvollen Worten Taten folgen würden. Eines ist jedoch vorherzusehen: Ein Präsident John Kerry wäre ein offener, respektvoller und seriöser Partner im transatlantischen Umweltdialog, der sich der Vorreiterrolle Europas bewusst ist. Ob er mit den USA nachziehen würde, ist aber fraglich.

Autor: Marc Berthold

Weitere Informationen: www.johnkerry.com, www.environment2004.org, www.lcv.org, www.apolloalliance.org, www.cleanenergystates.org, www.pewclimate.org

erschienen in punkt.um 10/04.
www.oekom.de/punktum



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