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Die europäische Zuckermarktordung, die seit 1968 beinahe unverändert besteht, hat die EU nach Brasilien zum zweitgrößten Zucker-Exporteur weltweit gemacht. Und dies, obwohl die Erzeugung einer Tonne Zucker in Europa fast dreimal so teuer ist wie in anderen Regionen der Welt. Um den Zucker trotzdem zu kokurrenzfähigen Preisen auf dem Weltmarkt anbieten zu können, wird er von der EU subventioniert. Dieses Dumping zerstört vor allem die Märkte in den Entwicklungs- und Schwellenländern sowie Einkommensmöglichkeiten für Zuckerrohrbauern und ArbeiterInnen in Zuckerfabriken. Die EU-Zuckermarktordnung ist deshalb entwicklungspolitisch schon seit Jahrzehnten scharfer Kritik ausgesetzt. Bisher aber ohne nennenswerten Erfolg. Entwicklungshelfer WTO? Die Welthandelsorganisation (WTO) greift das bestehende System der EU gleich in zweifacher Hinsicht an. Erstens kritisiert sie die Subventionen für Exporte und die Zölle auf Importe, weil sie die uneingeschränkte Öffnung der Märkte behindern - das zentrale Anliegen der WTO. Das neue WTO-Rahmenabkommen vom 31. Juli legt fest, dass Exportsubventionen generell abgeschafft werden sollen. Auch wenn jegliche Zeitangabe für die Umsetzung fehlt, so ist die Richtung doch eindeutig vorgegeben. Zweitens mahnt die WTO an, dass die EU viel mehr Zucker subventioniert exportiert, als ihr laut aktuellem Welthandelsabkommen zusteht. Die WTO-Schiedsstelle hat Anfang August in einer noch vorläufigen Entscheidung einer entsprechenden gemeinsamen Klage von Brasilien, Australien und Thailand weitgehend stattgegeben. Bleibt die WTO bei ihrer Sicht, dann müsste die EU bis zu einem Viertel ihrer gegenwärtigen Zuckerproduktion einstellen oder auf dem Binnenmarkt anderweitig verwerten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein möglicher Widerspruch der EU gegen diese Entscheidung abgelehnt wird. Die Quote macht`s Eine deutliche Änderung der EU-Zuckermarktordung ist also schon "dank" WTO unausweichlich. Anfang Juli wurde die EU-Kommission - nicht zuletzt wegen des externen Drucks - aktiv und legte einen groben Vorschlag zur Reform der Zuckermarktordnung vor. Er zielt darauf ab, sowohl die produzierte Menge als auch die Binnenmarktpreise zu senken. Dies will die Kommission mit den bisher bewährten Mechanismen des Zuckermarktes erreichen: Quoten und Stützpreisen. Quoten werden von der EU an die Zuckerfabriken und von diesen weiter an die Zuckerrübenbauern vergeben. Entsprechend seiner Quote erhält der Bauer den garantierten Stützpreis für eine bestimmte Menge an Zucker. Die Quoten sind dabei so bemessen, dass sie auch in schlechten Erntejahren die Binnennachfrage der EU nach Zucker decken. Die EU-Kommission will nun die Zuckerquoten um 16 Prozent und die Stützpreise um rund 35 Prozent senken. Sie geht davon aus, dass die subventionierten Exporte dadurch um zwei Millionen Tonnen abnehmen. Das System des so genannten "C-Zuckers" hingegen soll nicht reformiert werden. Dieser Zucker wird über die Quote hinaus erzeugt und erhält deshalb keinen Stützpreis. In der EU werden davon jährlich bis zu drei Millionen Tonnen produziert. Die Zuckerfabriken lasten durch diese Mengen ihre Anlagen gut aus. Weil aber zu viel C-Zucker auf dem Binnenmarkt vorhanden ist, wird er auf Kosten der Zuckerbauern exportiert. Dadurch bricht Europa die WTO-Vereinbarung, weil die maximal erlaubte Exportmenge überschritten wird. Die Produktion dieses Exportzuckers ist den europäischen Rübenbauern nur möglich, weil sie einen hohen Binnenpreis für den Quotenzucker zugesichert bekommen. Somit fördern sie durch ihren Export das Dumping auf dem Weltmarkt. Diese Praktik erklärte der WTO-Schiedsspruch von August für nicht rechtmäßig. Die EU-Kommission wird ihre Reformüberlegungen schon allein deshalb ändern müssen. Handel statt Schecks Tatsache ist also, dass die EU-Kommission den Zuckermarkt reformieren, das Dumping dabei aber nicht völlig abschaffen will. NGOs fordern jedoch mehr: Zum einen soll die EU alle geförderten Exporte einstellen, zum anderen sollen Entwicklungsländer einen einfacheren Zugang zum europäischen Zuckermarkt haben. Bisher genießen nur die Staaten aus Afrika, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) einen Präferenzzugang. Die EU sichert den alten Kolonialstaaten eine bestimmte Menge an Zucker zu, die sie zollfrei in die EU liefern können - und zwar zu den attraktiven EU-Preisen. Das folgte dem Prinzip "Handel statt Schecks": Die Länder werden in den Handel einbezogen und sind somit weniger von Entwicklungshilfe abhängig. Einen ähnlichen Status wünschen sich auch die 49 ärmsten Länder (LDC). Sowohl einige AKP-Staaten als auch den LDC stößt die EU-Kommission mit der geplanten Preissenkung vor den Kopf. Wird sie realisiert, verdienen die AKP-Bauern weniger. Gleichzeitig könnte der Preisdruck dazu führen, dass nur hoch rationalisierte Betriebe übrig bleiben, die sich größtenteils in der Hand multinationaler Konzerne befinden. Quoten statt Preise senken Aus Sicht von Umwelt-, Entwicklungs- und Landwirtschaftsverbänden, wie dem NABU, dem Evangelischen Entwicklungsdienst und der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, sollte die Kommission deshalb nicht versuchen, die Probleme durch eine Preissenkung zu lösen. Die Folge davon wäre, dass in vielen ertragsschwachen Standorten, wie Österreich oder Spanien, der Anbau von Zuckerrüben eingestellt würde. Die Rübenproduktion würde sich demnach auf die ertragsreichen Standorte in Frankreich und Deutschland reduzieren, wo die Anbautechnik der wenigen großen Betriebe intensiv und rationalisiert ist. Sinnvoller wäre es demnach, die Produktion von Zuckerrüben stärker zu begrenzen. Da jeder Bauer gemäß der NGO-Forderungen eine ungekürzte Mindestquote behielte, würde die Betriebsgröße nicht über das Schicksal der Bauern entscheiden. Die Quote sollte deutlich unter den Selbstversorgungsgrad der EU gesenkt werden, damit der Rest des europäischen Bedarfs dann mit importiertem AKP- oder LDC-Zucker gedeckt werden könnte. Die bisherige Praxis, Zucker aus diesen Ländern zu importieren und mangels Bedarf später wieder zu exportieren, wäre dann hinfällig. Nachhaltige Kriterien fehlen Völlig außen vor lässt die Kommission bisher soziale und ökologische Mindeststandards für Zuckerimporte. Umwelt- und Entwicklungs-NGOs fordern diese seit langem, um eine umweltfreundliche und sozial verträgliche Produktion weltweit zu fördern. Diese Forderung durchzusetzen wird langen Atem brauchen. Die Lobby der europäischen Zuckerindustrie wehrt sich dagegen, die Quoten zu senken und mehr Zucker zu importieren, da dadurch mehr Konkurrenz auf dem Binnenmarkt entstünde. Eher ist man bereit, niedrigere Preise zu akzeptieren. Der verbrauchenden Industrie, wie beispielsweise dem Großverbraucher Coca Cola, kann der Zuckermarkt gar nicht liberalisiert genug sein. Die Bauernverbände wiederum, deren Klientel vom Intensivproduzenten bis zum Biobauern reicht, tun sich sehr schwer, eine einheitliche Position zu finden. Da der Druck für die Zuckermarktreform stark von Seiten der WTO mitbestimmt wird, ist das Medieninteresse für den relativ kleinen Zuckersektor groß. Die Kommission wollte die Reform ursprünglich 2005/06 in Kraft treten lassen. Die Mehrheit der AgrarministerInnen hat diesem Zeitplan allerdings eine Abfuhr erteilt. Damit ist das Zeitfenster für die Einflussnahme auf das vorläufige Dokument, insbesondere auch für NGOs, noch geöffnet. Autor: Ulrich Jasper, Stellv. Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. erschienen in: punkt.um 9/04 / oekom verlag
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