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Still war es nachts im alten Plenarsaal. Die mehr als 3.000 Delegierten aus 154 Staaten hatten reichlich Zeit, den Abend bei Kölsch und Sauerbraten am Rheinufer zu verbringen. Wer Anfang Juni in Bonn mit dabei war , der spricht von einer gelösten, fast familiären Atmosphäre. Kein Vergleich zum Megagipfel von Johannesburg, auf dem Zehntausende Vermittler in ungezählten Arbeitsgruppen alle Umweltprobleme parallel lösen sollten. Dort war die Nacht allein zum Nachverhandeln da, und manch knappe Entscheidung fiel zu nachtschlafender Zeit, wenn irgendwer erschöpft zu widersprechen vergaß. Die Konferenz der Willigen Von solchen Auswüchsen blieben die Bonner Delegierten verschont. Nicht zuletzt deshalb, weil es kaum etwas zu entscheiden gab. Die politische Deklaration im Umfang von zwei Seiten war sehr allgemein und unter Ausschluss rechtsverbindlicher Ziele verfasst worden. So gab es wenig, um das gefochten werden konnte. Das Aktionsprogramm, mit seinen 165 konkreten Projekten zum Ausbau von Erneuerbaren - wohl das Hauptergebnis von renewables, hatten die Delegationen selbst gefüllt. Und die Politikempfehlungen zum Ausbau von Erneuerbaren, fertig formuliert vom deutschen Gastgeber, wurden "würdigend zur Kenntnis genommen" - der Text selbst stand nicht zur Debatte. renewables war von vornherein als Konferenz der Willigen konzipiert. Im Großen und Ganzen war man sich einig, bevor man sich getroffen hatte. Im Detail war man uneins, aber das machte nichts: Denn im Gegensatz zu UN-Konferenzen musste kaum nach Konsens gesucht werden - im Allgemeinen der kleinste gemeinsame Nenner. Diese Achillesferse der UN hatten in Johannesburg die USA und ihre Verbündeten genutzt, um jeden noch so kleinen Fortschritt in den Verhandlungen zu blockieren. Das Einstimmigkeitsprinzip, so befürchteten damals viele, drohe jeden Fortschritt in der Umweltpolitik zu ersticken. Einen nötigen "By-Pass für Kyoto" nannte Christoph Bals von Germanwatch denn auch die renewables-Konferenz. Freiwilligkeit als Trumpf Doch die Struktur von renewables war Vor- und Nachteil zugleich. Das Prinzip freiwilliger Verpflichtungen für den Klimaschutz war in Johannesburg von vielen Umweltverbänden noch heftig kritisiert worden. Die Typ-2-Partnerschaften genannten Vereinbarungen zwischen Staaten, Industrie und anderen unterschieden sich vor allem dadurch von "normalen" UN-Beschlüssen (Typ 1), dass sie völkerrechtlich unverbindlich waren. Und oft nur das wiederholten, was schon zuvor versprochen worden war. "Von den 970 Millionen Dollar, die die US-Regierung angeblich in Typ-2-Partnerschaften investiert, sind nur 20 Millionen für neue Projekte - und die werden den Empfängerländern bei der Entwicklungshilfe gleich doppelt wieder weggekürzt", beschwerte sich im Herbst 2002 Leslie Fields, Handels-Campaignerin bei Friends of the Earth US. Da klang die Bilanz der NGOs zu den 165 Projekten des Aktionsprogramms von Bonn vertraut. Nur rund 20 davon, so die Einschätzung der Verbände, seien wirklich neu und sinnvoll. Von denen allerdings sind einige sogar schlichtweg sensationell: Die Zusage Chinas, den Anteil der Erneuerbaren bis 2010 auf zehn Prozent des Gesamtenergieverbrauchs zu erhöhen; die Ankündigung der philippinischen Regierung, den Anteil regenerativer Energien bis 2013 auf 40 Prozent zu verdoppeln; Großbritanniens Versprechen, den Kohlendioxidausstoß bis 2050 um 60 Prozent zu senken. Solche Zusagen, meinen viele, hätte es bei einer UN-Konferenz nicht gegeben. Genau darauf hatten die Gastgeber gesetzt: Welcher Politiker könnte der Versuchung widerstehen, sich mit einem zukunftsweisenden Versprechen in hellstem Glanz zu präsentieren? Der Folgeprozess Der Pferdefuß: Im Gegensatz zur UN gibt es für die Zusagen bei renewables keine Sanktionsmechanismen. Deshalb steht und fällt die Hoffnung, durch freiwillige Zusagen weitergehende Ziele zu erreichen mit einem effektiven Nachfolgeprozess, der zumindest den moralischen Druck aufrechterhält und die Ergebnisse prüft. Welche Rolle das laut Deklaration "informelle", also letztlich machtlose "Global Policy Network" haben kann, bleibt abzuwarten. Auch andere Elemente des Folgeprozesses bleiben unklar. Nach der politischen Deklaration sollen messbare Ergebnisse dem Büro der UN-Commission on Sustainable Development (CSD) gemeldet werden. Aber was genau soll mit ihnen geschehen? Ein Datum für eine Folgekonferenz wurde nicht vereinbart. Selbst der mögliche Ort ist derzeit noch geheim. Ein Entwicklungsland soll es wohl sein, der UNEP-Standort Nairobi ist im Gespräch. Es wird sich erst erweisen müssen, ob dies der glaubwürdige und belastbare Nachfolgeprozess ist, den die im CURES-Netzwerk zusammengeschlossenen Gruppen vor renewables gefordert hatten. Erneuerbare und mehr Für Umwelt- und KlimaschützerInnen gibt es dennoch genug Grund zur Freude. Denn die Ergebnisse sind für ihre Arbeit eine gute Basis - zumal in Deutschland. Als Gastgeber muss sich Bundeskanzler Schröder besonders verpflichtet fühlen, seine Versprechen umzusetzen. Und wo das institutionelle Korrektiv fehlt, können die Nichtregierungs-Organisationen eigene Maßstäbe anlegen. Besonders wichtig scheint es dabei, den engen Fokus der Konferenz wieder zu erweitern. Es kann nicht sein, dass über Erneuerbare verhandelt wird und Fragen zur Klimapolitik, zu Abgasemissionen oder kontraproduktiven Subventionen außen vor gelassen werden. Ein Beispiel für diese Doppelzüngigkeit bot die Weltbank, die entgegen der Empfehlung aus dem eigenen Haus den Abbau fossiler Energien weiter unterstützen will und eine lächerliche Aufstockung der Erneuerbaren-Förderung (bis 2009 auf das Niveau von 1990) als Erfolg verkaufte. Ein Beispiel für diese Strategie ist Kern der Klage gegen das Bundeswirtschaftsministerium, die BUND und Germanwatch zwei Wochen nach renewables vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht haben. Die Bundesregierung wird nun schwerlich gegen das Ziel der Verbände argumentieren können, Informationen über die Klimarelevanz der von deutschen Exportkrediten geförderten Projekte zu bekommen. Auch auf internationaler Ebene wird es darum gehen, die Versprechen von Bonn in UN-Prozesse zu importieren. Genau das hatten Länder wie Indien von renewables befürchtet - sie waren in einer diplomatischen Meisterleistung davon überzeugt worden, dass etwa das Kyoto-Protokoll in Bonn keine Rolle spielen würde. Weitere Chance für die NGOs Die Verankerung freiwilliger Zusagen in einen durch Völkerrecht garantierten UN-Rahmen würde den Ergebnissen von Bonn mehr Geltung verschaffen und zugleich ein scheinbares Dilemma lösen: Welches Ziel soll bei internationalen Verhandlungen zukünftig verfolgt werden? Freiwillige Vereinbarungen, in denen weit gehende, aber unverbindliche Ziele festgeschrieben werden? Oder verbindliche UN-Verhandlungen, die von einzelnen effektiv blockiert werden können? Nach Bonn sollte die Antwort lauten: Es gibt kein Entweder-oder. Nur das Zusammenspiel beider Strategien kann den globalen Klima- und Umweltschutz voranbringen. Marc Engelhardt lebt als freier Journalist in Nairobi und Hamburg. Seit Jahren engagiert er sich für globale Umweltpolitik, zuletzt als internationaler Sprecher des BUND. Kontakt: Fon +254/734/67 52 74, E-Mail m.engelhardt@oneplanetmedia.de, www.oneplanetmedia.de erschienen in punkt.um Juli 2004
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