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Rubrik:Energie & Technik    Datum: 23.04.2004
18 Jahre nach dem Tschernobyl-Unfall warnt die IPPNW:
Kostendruck macht deutsche Atomkraftwerke unsicher
Nach Informationen der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW werden sicherheitstechnisch relevante Entscheidungen in der deutschen Atomwirtschaft immer stärker von Betriebswirtschaftlern und weniger von Technikern getroffen. "Vertrauliche Gespräche der IPPNW mit Reaktorsicherheitsexperten des Atomkraftwerksherstellers Siemens und von Gutachterorganisationen und offizielle Verlautbarungen der Atomindustrie ergeben einhellig das Bild, dass heute die Betriebswirtschaftler das Heft in der Hand haben und das Maß an Sicherheit bestimmen", so die IPPNW. Warnungen, Prüf- und Verbesserungsvorschläge der Techniker werden zunehmend wegen der hohen Kosten in den Wind geschlagen. Die IPPNW weist darauf hin, dass auch in Tschernobyl viele Jahre vor der Reaktorkatastrophe russische Sicherheitsexperten technische Änderungen vorschlugen, die den Unfall eventuell verhindert hätten.

Der zunehmende Kostendruck aufgrund der Liberalisierung der Strommärkte führt zu einem gefährlichen Wandel beim Betrieb deutscher Atomkraftwerke. Der Atomkraftwerksbetreiber RWE ist - wie der IPPNW von Insidern zugetragen wurde - bekannt für sein "Druckmanagement": um kostspielige Anlagenstillstände zu begrenzen, müssen Reparaturarbeiten unter hohem Zeitdruck ausgeführt werden. In dieses Bild passt auch eine Veröffentlichung des Atomkonzerns Siemens, wonach Wartungsarbeiten an zentralen Sicherheitssystemen in deutschen Atomkraftwerken in 10-Stunden-Schichten durchgeführt werden müssen.

Mit der Einführung neuer "Instandhaltungskonzepte" werden zudem immer weniger Anlagenteile einer intensiven Prüfung unterzogen. Wie aus offiziellen Verlautbarungen der Atomwirtschaft hervorgeht, werden inzwischen sogar Reparaturen von sicherheitsrelevanten Systemen verschoben. Bei der Prüfung der rund 20.000 Armaturen eines Atomkraftwerks, von denen ein erheblicher Teil als "Sicherheitsventile" zu den zentralen Sicherheitseinrichtungen gehören, plädiert der Atomkonzern Siemens für den Ausbau bzw. die Einführung einer "zustandsorientierten Instandhaltung", um "längere Service-Intervalle" zu erreichen. Das bedeutet, dass Armaturen wesentlich seltener überprüft und "bis kurz vor die Abnutzungsgrenze" eingesetzt werden.

Bei Armaturen sowie Pumpen in den Not- und Nachkühlsystemen soll nach Angaben des Atomkraftwerks Grohnde nur noch der Zustand einzelner Komponenten überprüft werden. Die Ergebnisse werden dann auf die übrigen Komponenten übertragen ("Referenzmethode"). Hierbei sind aber "nur wahrscheinlichkeitsbehaftete Aussagen möglich", die eine "langjährige Erfahrung" erfordere, um die Messergebnisse "richtig interpretieren zu können".

Um die Kosten für den Reaktorbetrieb zu reduzieren, werden zudem die jährlichen "Revisionszeiten", bei denen einzelne Anlagenteile überprüft und repariert werden, immer stärker verkürzt. So wird von der Atomindustrie das Atomkraftwerk Neckarwestheim-2 gepriesen, weil die Revisionszeit innerhalb von fünf Jahren von 33 Tagen auf 17 Tage verkürzt wurde.
Die IPPNW hält den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken angesichts der heutigen Kostenorientierung in der Atomwirtschaft für nicht verantwortbar. Die Organisation fordert die sofortige Abschaltung der Anlagen.

Informieren Sie sich über den europäischen Kongress der IPPNW.
"Atomwaffen & Atomenergie in einer instabilen Welt, Analysen und Auswege"
vom 7. bis 9. Mai 2004 in der Urania Berlin
Das ausführliche Programm finden Sie unter www.atomkongress.de/start.html
Akkreditieren Sie sich über das Internet!

Siehe auch www.atomenergie-und-sicherheit.de
Kontakt: IPPNW, Henrik Paulitz, Tel. 06221-75 88 77

Berlin, 23.04.2004


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