Eine Analyse der gegenwärtigen Situation zeigt, dass Wärme liebende Krankheitsüberträger und -erreger bereits nach Deutschland oder in unsere Nachbarstaaten eingeschleppt worden sind. So wurde die ursprünglich in Asien beheimatete Tigermücke (Aedes albopictus), ein Überträger des Dengue-Fiebers, bereits in Frankreich und Italien entdeckt. In Deutschland wurde eine hier bisher unbekannte Sandmückenart Phlebotomus mascittii gefunden, aktuell zusätzlich Phlebotomus perniciosus, ein aus Süd- und Südwesteuropa bekannter Überträger der Leishmaniose. In der Tat sind in Deutschland einzelne Leishmaniose-Infektionen bei Mensch und Tier aufgetreten, die nicht als "Reiseandenken" von Fernreisen mitgebracht worden sind. Die Malaria gilt heute bei uns als bedeutendste "Importinfektion" (das heißt, sie wird im Ausland erworben), wie jährlich etwa 1.000 durch das Robert Koch-Institut (RKI) registrierte Erkrankungsfälle zeigen. Teile Deutschlands waren bis Mitte der 50er-Jahre Malaria-Gebiete, in denen einheimische Anopheles-Mücken die Krankheit an Menschen übertrugen. Sollten sich in Zukunft klimabedingt die Entwicklungs- und Ausbreitungsmöglichkeiten bestimmter Anopheles-Arten in Deutschland verbessern, entsteht mit zunehmender Zahl infizierter Personen auch ein steigendes Risiko, sich in Deutschland durch Stiche von Malaria-Mücken mit dem Erreger zu infizieren. Wesentliche Ursachen für die Verbreitung der Infektionen über tierische Überträger sind - neben der Klimaveränderung - der intensive Reiseverkehr und Tiertransporte, Nutzungsänderungen von Brut- und Rastgebieten (zum Beispiel Hineinsiedeln in offene Landschaften, Renaturierungen) und die Ausbreitung tierischer Überträger und Reservoirtiere in bisher von ihnen nicht besetzte Regionen und Nischen. Das Risiko, an einer Vielzahl neuer oder in Deutschland als ausgerottet geltender Infektionen zu erkranken, besteht bereits jetzt. Dieses Risiko wird durch die Klimaerwärmung und die damit einhergehende Ausdehnung der Verbreitungsgebiete tierischer Überträger verstärkt. Vorbeugungs- und Bekämpfungsstrategien müssen regionalspezifisch gestaltet werden, können jedoch derzeit nicht erarbeitet werden, weil repräsentative Untersuchungen von Überträgern, Reservoirtieren sowie der epidemiologischen Situation weitgehend fehlen. Um einen wirksamen Schutz aufzubauen, sollte die Situation der möglichen Überträger von Krankheitserregern des Menschen und der Tiere in Deutschland fortlaufend dokumentiert und unter Mithilfe der Länder überwacht werden. Erst auf Basis dieser Daten können rechtzeitig Empfehlungen zum Infektionsschutz erarbeitet sowie Abwehrmaßnahmen konzipiert und koordiniert werden, die den Infektionsschutz gewährleisten und zudem die Belange des nachhaltigen Umweltschutzes berücksichtigen. Die Studie "Mögliche Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Ausbreitung von primär humanmedizinisch relevanten Krankheitserregern über tierische Vektoren sowie auf die wichtigen Humanparasiten in Deutschland" ist als Nr. 05/03 in der Reihe CLIMATE CHANGE des Umweltbundesamtes erschienen. Sie umfasst 341 Seiten und kostet 10 Euro. Bestellungen bei der Firma "Werbung und Vertrieb", Ahornstr. 1-2, 10787 Berlin, Telefon: 030/211 60 61, Fax: 030/218 13 79. Berlin, den 14.01.04
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