Preis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Weimar an Bionik-Professor Barthlott und Textilunternehmer Steilmann verliehenDer mit einer Millionen Mark höchstdotierte Umweltpreis Europas istzum siebtenmal vergeben. Bundespräsident Johannes Rau überreichte heute in Weimar dem Bonner Bionik-Professor Dr. Wilhelm Barthlott (53) und dem Wattenscheider Textil-Unternehmer Dr.-Ing. h.c. Klaus Steilmann (70) den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück). Damit würdigt die größte Umweltstiftung Europas das Lebenswerk des Umweltpioniers Steilmann und die Forschungsergebnisse Barthlotts. Seine junge Wissenschaft Bionik schaut der Natur Problemlösungen ab, setzt sie in Technikentwicklung um und schont damit die Umwelt. So konnte Barthlott nachweisen, dass sich Pflanzenblätter wie die der Lotus-Blume selbst reinigen. Ein Effekt, der inzwischen auf Industrieprodukte wie Farben oder Dachziegel übertragen werden konnte. Bundesbankpräsident i.R. Professor Dr. Hans Tietmeyer, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, betonte vor rund 1.300 Gästen in der neuen weimarhalle, dass die Auswahl der Preisträger 1999 die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit widerspiegele. Die lägen zum einen in der Förderung von Umweltpionieren, die durch vorausschauende, ganzheitliche Lösungsansätze neuen Wegen im Umweltschutz zum Durchbruch verhelfen. Dafür stehe Klaus Steilmann. Als Unternehmer habe er praktisch bewiesen, dass sich ökologische und soziale Weiterentwicklungen mit ökonomischen Zielen verbinden lassen. Er habe damit einen vorbildlichen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung geleistet. Zum anderen sei es aber auch Ziel der Stiftung, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu verstärken, um theoretische Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Hier sei Preisträger Barthlott ein Paradebeispiel dafür, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse - in diesem Fall aus der Beobachtung der Natur - in technische Innovationen übersetzen lassen. Dabei habe er Weitsichtigkeit, Kreativität und Beharrlichkeit an den Tag legen müssen, weil seine Forschungsergebnisse gängiger Lehrbuchmeinung widersprochen hätten. Nachdem Thüringens Ministerpräsidenten Dr. Bernhard Vogel die Festgäste in Weimar begrüßt hatte, würdigte in ihrer Laudatio Jurymitglied Prof. Dr.-Ing. Uta Hassler, Lehrstuhl für Denkmalpflege und Bauforschung an der Universität Dortmund, den Grundlagenforscher Barthlott. Er habe mit analytischer Arbeit und interdisziplinärer Vorgehensweise zur Lösung anwendungsorientierter Fragestellungen beigetragen. Eher beiläufig habe er den Selbstreinigungseffekt von Pflanzen am Beispiel der Lotusblume und seine Übertragbarkeit auf technische Anwendungen entdeckt. Damit habe er einen bisher ganz übersehenen Zusammenhang hergestellt zwischen Chemie, Benetzbarkeit und Verschmutzbarkeit von Oberflächen. Dieser Technologietransfer aus der Natur - der das Wesen der jungen Wissenschaft Bionik im Grenzbereich zwischen Biologie und Technik ausmache - werde gewiss überlegene Ökobilanzen produzieren: ob man sich selbstreinigende Flugzeugtragflächen vorstelle oder Autos, die nie mehr gewaschen werden müssen. Die Frage allerdings sei, ob die Chance nicht noch viel zu selten genutzt werde, durch die Versöhnung technisch-naturwissen-schaftlicher Lösungen mit der erprobten Funktionsweise der Natur unsere komplexe Welt besser zu steuern und zu verstehen. Die Laudatio auf Klaus Steilmann hielt Prof. Jan-Olaf Willums, Präsident der Foundation for Business and Sustainable Development, Genf, und ebenfalls Jurymitglied. Er bezeichnete Steilmann als einen Unternehmer, der über seine Branche hinaus ökologische und soziale Trends gesetzt habe, bevor die in Mode gekommen seien. Schon sehr früh habe er den Mut gehabt, sich mit dem Thema Ökologie zu befassen. Visionär habe er als einer der ersten Unternehmer Deutschlands die tiefere Bedeutung der Umweltherausforderungen erkannt und danach gehandelt - und das in einer hart bedrängten Branche. Sein Einfluss habe schließlich auch in der Chemie- und Konfektionsindustrie, beim Groß- und Fachhandel und in der Landwirtschaft ein außerordentliches Umdenken bewirkt. Doch allein erfolgreicher Pionier und visionärer Unternehmer zu sein, reiche Klaus Steilmann nicht aus. Um sein Engagement auch wissenschaftlich zu untermauern, habe er das "Klaus-Steilmann-Institut für Innovation und Umwelt" gegründet. Als wichtiger Impulsgeber zum Neudenken in seiner Branche sei es heute weltweit anerkannt. Auch durch andere Forschungsförderung habe er seinen Gedanken Kraft gegeben, dass Innovation und sozial-ökologisches Denken Hand in Hand gehen. Diese Vision sei ihm mit Blick auf die Zukunft Osteuropas besonders wichtig. Folgerichtig engagiere er sich deshalb für ein Ausbildungsprogramm russischer Unternehmer an der Moskauer Lomonosov Universität, das deren sozialpsychologischen, ökologischen und organisatorischen Problemen entgegenwirken will. Bundespräsident Johannes Rau betonte, dass sich manchmal der Eindruck aufdränge, Umweltschutz in Deutschland sei nur eine Mode gewesen, sei weg, sei vergangen. Rau: "Seit die Last der Arbeitslosigkeit auf Deutschland liegt, gerät das Thema Umweltschutz in die Fußnote. Das halte ich für lebensgefährlich. Was die jetzige Generation zu tun versäumt, zahlen die Kinder und Enkel, denen wir eine verbrauchte Welt überlassen." Arbeit und Umwelt jedoch gehörten zusammen. Umweltpolitik sei nicht Mode, sondern modern. Und was ökologisch unverantwortbar sei, sei auf Dauer auch ökonomisch falsch. Der Bundespräsident forderte ein Umdenken. Er forderte, alte Schablonen hinter sich zu lassen, das eigene Denken in Frage zu stellen und in Frage stellen zu lassen. Zwar betonte Rau, dass es mehr Unternehmer wie Klaus Steilmann geben müsse. Doch stellte er auch heraus, dass es viele Unternehmer gebe, die nicht nur an eigenen Gewinnen interessiert seien. Rau: "Viele haben begriffen, was soziale Bindung des Eigentums bedeutet." In seiner Dankesrede kritisierte Unternehmensgründer Klaus Steilmann, dass sich "viele lieber in die zeitlose Mode des Schweigens hüllen, als dringliche Probleme anzusprechen". Im globalen Wettbewerb sei die Umwelt nicht irgendein Faktor, sondern die Basis, von der unsere gesamte Existenz abhänge. Der internationale Wettbewerb erfordere eine Ethik, die Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit unseres Handelns einschließe. Sich freiwillig für eine nachhaltige Zukunftsfähigkeit, für Rohstoff- und Transportersparnisse einzusetzen, sei besser, als es später tun zu müssen. Steilmann: "Freiwilliges Handeln motiviert und macht Lust auf neue visionäre Ziele. Erzwungenes stößt immer auf Widerstand." Andere Formen des Widerstandes skizzierte der Direktor am Botanischen Institut und des Botanischen Gartens der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Wilhelm Barthlott, in seiner Dankesrede. Als er Anfang der 90er Jahre den Lotus-Effekt in Industrie-Labors vorgestellt habe, hätten die nach der Maxime glatt ist gleich sauber ausgerichteten Techniker über ihn nachsichtig gelächelt. Einzig die Umweltstiftung habe die technische und umweltentlastende Bedeutung erkannt und die weitere Forschung gefördert. Nachdem dann die ersten Prototypen künstlicher Oberflächen entstanden seien, seien einige mittelständische Unternehmer von den Möglichkeiten begeistert gewesen. Und hätten gehandelt. Immerhin seien zum Beispiel seit der Markteinführung einer Fassadenfarbe nach dem Lotus-Effekt im März dieses Jahres über 20.000 Gebäude damit gestrichen worden. Barthlott: "Wir hatten das Glück, etwas vollkommen Neues zu finden. Was ich mir allerdings wünsche, wäre sowohl auf der Seite der Grundlagenforschung als auch der Wirtschaft der Mut zur Überschreitung der Grenzen des eigenen Spezialgebietes. Und den Mut, manchmal grundlegend umzudenken." Für Rückfragen: Tel. 05 41/96 33-521 Fax 05 41/96 33-198 Franz-Georg Elpers E-Mail: fg.elpers@dbu.de Hausanschrift: An der Bornau 2 49090 Osnabrück Postanschrift: Postfach 17 05 49007 Osnabrück
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