Über die Pläne der US-Regierung zu einem Krieg gegen den Irak wird schon seit Monaten in der Öffentlichkeit spekuliert. In den USA hat sich vor dem Hintergrund der Kongresswahlen im November eine öffentliche Debatte über eine militärische Intervention gegen den Irak entwickelt. Nun hat das Thema nun auch den deutschen Wahlkampf erreicht. Wir begrüßen, dass sowohl Bundeskanzler Schröder als auch Außenminister Fischer mehrfach ihre Ablehnung gegenüber einer militärischen Intervention im Irak zum Ausdruck gebracht und zugleich den Irak zur Umsetzung der UN-Resolution zur Kontrolle der irakischen Waffenprogramme aufgefordert haben. Das "Ob" von umfassenden Kontrollen des Irak gemäß der UN-Sicherheitsratsresolution 1284 vom Dezember 1999 ist nicht verhandelbar, es kann bei Gesprächen nur um die Klärung technischer Details gehen. Saddam Hussein sind schließlich eindeutige Verstöße gegen internationale Übereinkommen und UN-Resolutionen nachgewiesen worden. Er muss sich endlich zur Kooperation mit den UN bereit erklären. Mit der im Juli 2002 in Kraft getretenen Neuregelung des UN-Sanktionsregimes gegen den Irak wurde den Einwänden gegen die Wirtschaftssanktionen und den Mängeln des "Oil for Food"-Programmes Rechnung getragen. Eine angemessenere Versorgung der irakischen Bevölkerung ist jetzt möglich. Die Forderung Saddam Husseins nach Aufhebung aller Sanktionen, bevor er bereit ist, mit der UN zu kooperieren, ist nicht akzeptabel. Der nachvollziehbare Wunsch nach einem Regimewechsel in Bagdad rechtfertigt keine Militäraktion. Für eine konkrete Zusammenarbeit Saddam Husseins mit internationalen Terroristen oder eine Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September gibt es keinerlei glaubwürdigen Belege, so dass militärische Schläge nicht als Teil des vom Sicherheitsrat völkerrechtlich legitimierten Kampfes gegen den internationalen Terrorismus betrachtet werden könnten. Außerdem bleiben in der aktuellen amerikanischen Debatte zentrale Fragen bislang unbeantwortet:
Angesichts der Differenzen im transatlantischen Verhältnis kommt der Europäischen Union hier eine entscheidende Bedeutung zu. Es ist jetzt an der Zeit, dass sich die Mitglieder der EU auf ein gemeinsames Vorgehen einigen und Entscheidungen über Reaktionen auf die irakische Bedrohung nicht allein der amerikanischen Regierung überlassen. Der Nahe und Mittlere Osten liegen in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas. Die EU hat somit politisch und wirtschaftlich ein vitales Interesse an Frieden und Stabilität in der Region, die durch den israelisch-palästinensischen Konflikt, den internationalen Terrorismus und soziale Konflikte ohnehin gefährdet sind. Priorität hat deshalb für die EU, sich für einen strukturellen Wandel in der Region einzusetzen, um langfristig einer friedlichen und demokratischen Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen. Auch auf der anderen Seite des Atlantiks gibt es gewichtige Stimmen, die vor der gefährlichen Eigendynamik militärischer Drohungen warnen und den UN-Generalsekretär Kofi Annan in seiner beharrlichen Suche nach zivilen Mitteln der Konfliktbearbeitung unterstützen. Der EU ist es erst nach Jahren gelungen, auf dem Balkan zu einer gemeinsamen Politik zu finden. Angesichts der uns alle betreffenden Bedrohung durch den internationalen Terrorismus kam es in Afghanistan viel rascher zu einer gemeinsamen Strategie. Nun sollte auch der Irak-Konflikt die EU veranlassen, alles zu versuchen, um eine gemeinsame Position zu entwickeln, die es auch ermöglicht, auf die amerikanische Regierung Einfluss zu nehmen. Eine wirklich gemeinsame Irak-Politik könnte sich bald als Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit und das Gewicht der von allen beschworenen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU erweisen.
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