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Wirtschaft   
G8-Staatschefs warben für sozial und ökologisch bedenklichen Kreuzfahrttourismus
von Norbert Suchanek

Der G8-Gipfel ist zu Ende. An positiven Ergebnissen für die Zukunft der "Dritten Welt" hat er praktisch nichts gebracht. "Während die G8 in Bezug auf die weltwirtschaftliche Entwicklung die Parole <Weiter so!> ausgeben, stehen sie gegenüber den Entwicklungsländern mit leeren Händen da", kritisiert beispielsweise die nord-süd-politische Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED). Die Tourismusindustrie und insbesondere die Kreuzfahrtbranche indes kann frohlocken. Ihr hat das G8-Treffen kostenlose Werbung gebracht. Die ganze Welt konnte sehen, wie es sich die Staatschefs der Industrieländer im Hafen von Genua auf einem nagelneuen Luxusliner gemütlich machten. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Kollegen warben damit für ein Tourismuskonzept, das wie kein anderes die Entwicklungsländer seit Jahren ausbeutet. Denn am Kreuzfahrttourismus verdienen in erster Linie die Reisekonzerne. Den angesteuerten Ländern und Inseln der "Dritten Welt" bleiben in der Regel nur "Almosen" und der ins Meer verklappte Abfall der Traumschiffe.

Transport, Übernachtung und Verpflegung machen den Löwenanteil der Ausgaben eines jeden Touristen aus. Bei Kreuzfahrten landet dieser Teil der Urlaubskasse praktisch zu 100 Prozent in den Taschen der Tourismusunternehmen. Ihre Schiffe laufen die Kreuzfahrthäfen - wie jetzt beim G8-Treffen wieder zu sehen - meist frühmorgens an und legen in der Nacht wieder ab. Im Gegensatz zu Hotel- oder gar Rucksacktouristen können die Kreuzfahrer so nur einen Bruchteil ihres Urlaubsgeldes in den bereisten Ländern selbst ausgeben. Einheimische Hotels, Pensionen und Restaurants der angesteuerten Reiseziele gehen leer aus. Die Trauminseln und Küstenregionen der Karibik, des Mittelmeers, der Südsee oder des Indischen Ozeans können höchstens noch am Geschäft mit Kurzausflügen, Imbiß, Reiseandenken und Prostitution mitverdienen. Doch die Kreuzfahrtlinien, die zum überwiegenden Teil Konzernen aus den G8-Staaten gehören, gönnen den Entwicklungsländern selbst diese Almosen nicht. Längst können sich die Urlauber auch bequem an Bord mit Urlaubsmitbringseln der "bereisten" Länder eindecken. Und Insider berichten, daß den Passagieren auf den Schiffen von der Nutzung lokaler Taxis und lokaler Reiseunternehmen abgeraten wird. Touristen würden dazu angehalten, Land- oder Tauchausflüge nur mit speziellen, nichteinheimischen Touristikfirmen zu unternehmen, zu denen die Kreuzfahrtlinien besondere Kontakte haben.

Paul Wilkinson von der kanadischen York University beobachtete 1999 folgerichtig den Trend, daß die Traumschiffpassagiere Jahr für Jahr weniger Geld in den angelaufenen Kreuzfahrthäfen ausgeben. Als Beispiel führt er die Bahamas an. Dort ließen die Passagiere 1980 im Schnitt noch rund 55 US-Dollar während ihres Landganges auf der Inselgruppe. 16 Jahre später, 1996, waren es 1996 - inflationsbereinigt - nur noch 31 US-Dollar pro Person. Hauptursache dieses Rückgangs seien nach Ansicht Wilkinsons die Luxusliner, die sich mit jeder neuen Schiffsgeneration zu regelrechte "Geldfallen" entwickelt haben. "Die Kreuzfahrtindustrie nutzt lokale Infrastrukturen, gibt aber nichts der lokalen Wirtschaft zurück. Tatsächlich entzieht sie den Gemeinwesen die finanziellen Ressourcen", bringt die Vorsitzende der britischen Association of Independent Tour Operators (AITO), Sue Ockwell, die Situation der bereisten Entwicklungsländer auf den Punkt. Die Ozeandampfer nutzen die Zielgebiete als lebendige Kulisse, nutzen die Häfen als billige Anlegestelle - und das Meer meist als kostenlose Abfalldeponie.

Einzige signifikante Einnahmequelle der angesteuerten Länder und Inseln ist die Eintrittsgebühr, die Hafen- oder "Kopfsteuer" für Kreuzfahrturlauber. Zum Vorteil für die Kreuzfahrtindustrie waren aber selbst die Karibikstaaten bisher unfähig, eine einheitliche Regelung festzulegen. Die Cruise Lines können so die einzelnen Länder untereinander ausspielen: Inseln, die keine Gebühr verlangen, werden bevorzugt, während Länder, die die "Kopfsteuer" erhöhen wollen, einfach nicht mehr angelaufen werden.

Um die eigenen Gewinne zu maximieren, spart die Traumschiffbranche auch bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen ihrer Crew-Mitglieder. Von den Kreuzfahrtkonzernen unabhängige Arbeitsvermittler besorgen das notwendige billige und willige Personal deshalb vor allem aus den verarmten Ländern des Südens und des Ostens. Untersuchungen der Arizona State University zufolge, sei es nicht ungewöhnlich, wenn die bis zu 1000-köpfige Besatzung eines Luxusliners aus mehr als 40 verschiedenen Nationen besteht. Weil aufgrund dieser "Völker- und Sprachenvielfalt" an Bord praktisch keine effektive gewerkschaftliche Arbeitnehmervertretung möglich sei, ließen sich sehr niedrige Löhne bei gleichzeitig sehr langen Arbeitszeiten und fragwürdigen Lebensbedingungen an Bord durchsetzen. Wie solche menschenunwürdige Zustände an Bord der Luxusliner aussehen, skizzierte 1996 der Fotograf Edward Sykes, der 18 Monate auf dem Touristendampfer Scandinavian Saga gearbeitet hatte: "Die Crew verbringt den ganzen Tag unter Deck, kocht und wäscht für Passagiere und Offiziere, säubert die Kabinen und Gänge, hält die Schiffsmaschinen in Gang. Ihre Kabinen, die sie sich zu viert teilen müssen, liegen im untersten Deck, wo es keine Bullaugen gibt. Die meisten der Crew sehen während einer Kreuzfahrt niemals das Tageslicht."

Die G8-Staatsgäste auf der European Vision von Festival Cruises waren von solchen Zuständen selbstverständlich verschont. Sie genossen allabendlich den Luxus des für rund 600 Millionen Mark gebauten, 251 Meter langen Traumschiffs, dessen 711-köpfige Besatzung aus über 30 Ländern zusammengewürfelt ist. Der Service an Bord liegt vor allem in den Händen von Südostasiaten. Unabhängig von den Präsidenten- und Kanzlerreden im Palazzo Ducale Genuas wurde aller Welt demonstriert, wie die Dinge tatsächlich global stehen. Die G8-Staaten schaffen an, die "Dritte Welt" hat mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen zu dienen.<


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Norbert Suchanek ist Journalist und Buchautor. Sein jüngstes Buch zum Thema Tourismus (Ausgebucht - Zivilisationsfluch Tourismus) erschien 2000 im Schmetterling Verlage. Es kritisiert ausführlich auch die schnell wachsende Kreuzfahrttourismusindustrie.

"Ausgebucht - Zivilisationsfluch Tourismus", Norbert Suchanek, Schmetterling Verlag, 2000, Stuttgart, 140 Seiten, 22.80 Mark, ISBN 3-89657-573-2. Bestelladresse: E-Mail SchmeVlg@aol.com, Tel. 0711- 6369698, Fax 0711-626992. <

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Autor:
Norbert Suchanek
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E-Mail: N.SUCHANEK@AMAZO
 
Quelle: Der Spatz - Alternativer Anzeiger für Bayern, D-80999 München
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