Denn vor seiner Wahl hatte der heutige Papst sowohl Präsident Trump wie auch seinen Stellvertreter Vance wegen ihrer ausländerfeindlichen Politik scharf kritisiert. Schon Papst Franziskus hatte zu Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko gesagt: "Wer Mauern baut anstatt Brücken, ist kein Christ." Ähnlich forderte jetzt bei seiner Antrittsrede auch Papst Leo XIV. Christen als "Brückenbauer". Das gilt auch in Deutschland für die meisten Parteien heute, auch für die mit dem "C" im Namen. Leo XIV. scheint ein Papst in der Tradition seines Vorgängers werden zu wollen. Mit seinem neuen Namen knüpft er an die Zeitenwende der katholischen Kirche an als Papst Leo XIII. im Jahr 1891 die erste Sozialenzyklika "Rerum novarum" ("Über die neuen Dinge") schrieb, das erste offizielle katholische Dokument zur Arbeiterfrage, es wurde die Magna Charta der katholischen Soziallehre vor dem Hintergrund der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Und war zugleich die fällige Auseinandersetzung mit den sozialen Verwerfungen des Sozialismus und des Liberalismus. Zuvor schon, im Jahr 1848 als Karl Marx sein Kommunistisches Manifest publiziert hatte, hatte der "Bauernpastor" Wilhelm Ferdinand von Ketteler beim ersten Deutschen Katholikentag und als Abgeordneter in der Frankfurter Pauskirche auf die soziale Frage aufmerksam gemacht. Damit suchte die katholische Kirche die Versöhnung mit der modernen Welt. Bismarck hat später auf Drängen der neu entstandenen Gewerkschaften und der SPD seine Sozialgesetzgebung verabschiedet: finanzielle Vorsorge im Alter, bei Arbeitslosigkeit und bei Krankheit. Das war die Basis der sozialen Marktwirtschaft. Später erst kam in Deutschland durch Norbert Blüm, sehr inspiriert von der katholischen Soziallehre, die Pflegeversicherung dazu. In "Rerum novarum" hatte Leo XIII. noch zurecht über die oft sklavenähnliche Lage der Arbeiterschaft geklagt, aber sich zugleich gegen "Klassenkampf" ausgesprochen, jedoch eine Sozialverpflichtung des Kapitals gefordert und gerechte Löhne und staatlichen Schutz für Arbeitnehmer. Grundlage der katholischen Soziallehre waren jetzt: Personalität, Solidarität, Subsidiarität (Politik von unten nach oben, also umgekehrt wie zuvor), Gerechtigkeit und (später) Demokratie. "Rerum novarum" ist die Mutter aller katholischen Sozialenzykliken und die Mutter der katholischen Soziallehre. Papst Pius XI. hat 40 Jahre später mit seiner Enzyklika "Quadragesimo anno" im Jahr 1931 - kurz vor der Nazi-Zeit - diese Lehre erweitert und vertieft. Es ist für die Politisierung der katholischen Kirche im Geist der Bergpredigt Jesu bemerkenswert, dass sowohl Papst Franziskus wie auch sein jetziger Nachfolger sich schon in ihrer Namenswahl als politische Päpste verstanden. Franziskus nannte sich nach Franz von Assisi und bekannte sich damit zum Heiligen der Armen und der Naturschützer und Papst Leo XIV. verpflichtet sich mit seinem neuen Namen der Tradition der katholischen Soziallehre. Vor allem in seiner Umwelt-Enzyklika "Laudato si" hat Papst Franziskus die Klima- und Umweltpolitik im Geiste Jesu und der Bewahrung der Schöpfung betont und viele Regierungen dazu ermuntert, dem Pariser Klimaabkommen 2015 zu zustimmen. Es ist gut und wichtig, dass der neue Papst diese Politik weiter verfolgt. Papst Franziskus zur aktuellen ungerechten kapitalistischen Weltpolitik: "Diese Wirtschaft tötet." In der katholischen Soziallehre gehören Gottesliebe, Nächstenliebe, Fernstenliebe und Feindesliebe immer zusammen. Das ist ihr Wesenskern. Das schrieb auch der heutige Papst vor einiger Zeit an den US-Vizepräsidenten Vance. Papst Franziskus und Papst Leo XIV. waren zur gleichen Zeit in Argentinien und in Peru für die Armen und in der Armen-Seelsorge tätig. Sie bewiesen ganz konkret und praktisch wie hilfreich eine Theologie der Befreiung für die Ausgegrenzten und Entrechteten sein kann. Schon deshalb will der neue Papst die Theologie der Befreiung und die katholische Soziallehre weiter vorantreiben und Friedensarbeit leisten. So hat er es jetzt gleich nach seiner Wahl unter großer Zustimmung der 150.000 auf dem Petersplatz angekündigt. Die Zeit der italienischen Päpste ist wohl vorbei. Zumindest vorrübergehend. Sowohl Franziskus wie auch Leo XIV. sind globale Päpste, die unsere politisch verrückte Zeit gut gebrauchen wird. Dabei wird die emanzipierte und gleichberechtigte Stellung der Frau in der Kirche die Voraussetzung für den Erfolg sein. Die Zukunft der Kirche ist weiblich. Die bisherige Männerkirche wird - zumindest in Europa und in den USA - immer unglaubwürdiger. Nur über eine geschwisterliche Kirche könnte der neue Papst so etwas wie die Stimme des Weltgewissens werden.
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