Nachdem sich die Energiekonzerne als Hauptverursacher der radioaktiven Abfälle von der Müllentsorgung freigekauft hatten, etablierte sich in den Geschäftsräumen der Gesellschaft für Nuklearservice mbH (GNS, Gesellschafter: PreussenElektra, RWE Nuclear, EnBW und Vattenfall Europe) die neue Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ). Von der GNS wurden ca. 150 Mitarbeiter, inklusive Teile der Geschäftsleitung übernommen und Herr Flasbarth fungierte selbst vorübergehend als Geschäftsführer der neu gegründeten BGZ. Mit Spannung erwartete die leidgeprüfte Bevölkerung an den Zwischenlagerstandorten die Antwort auf die Frage: Was ändert sich außer dem Namen? Beim Antrittsbesuch in Gorleben kam die spontane Antwort von Lars Köbler, Mitglied der Geschäftsleitung der BGZ (zuvor GNS): "Jetzt gibt es höhere Ansprüche an die Sicherheit" gefolgt von dem Satz "Früher stand die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund". Heute, knapp 4 Jahre später, kann man resümieren: Nein, man legt offenbar auch zukünftig keine höheren Ansprüche an die Sicherheit. Wie sonst sollte man die aktuelle Bagatellisierung des Bevölkerungs- und Strahlenschutzes, sowie die unzureichende Betrachtung der Transportsicherheit und deren Kosten beim angedachten ZBL/LoK erklären?! Zum Thema Wirtschaftlichkeit kann man feststellen, dass die Ausgaben offensichtlich keine Rolle spielen, es handelt sich perspektivisch ja "nur" um Steuergeld. Dass die Entscheidung für Würgassen als Standort für ein "Bereitstellungslager" nicht sachlich zu begründen ist, sondern auf einer politischen Entscheidung beruht, schwant den Bürgern nicht erst seit den Äußerungen des Niedersächsischen Umweltministers Lies (SPD) bezüglich seiner direkten Einflussnahme innerhalb der Koalitionsverhandlungen, in denen er sein Bundesland als möglichen Standort von vorneherein ausgeschlossen hatte. Bestätigt wird dieser Eindruck zudem durch die Aussagen von Jochen Flasbarth am 8. März 2018 in der BGE Zeitung "Einblicke". In Funktion des Geschäftsführers der BGZ tätig, sagte Flasbarth: "Es heißt Bereitstellungslager ´für´ Schacht Konrad und nicht ´an´ Schacht Konrad. Es wäre sehr schwierig, in Niedersachsen ein weiteres Lager zu errichten". Dass diese Aussage deutlich vor der Phase 3 der Standortfestlegung, welche die Mindestanforderungen an eine Liegenschaft beinhaltete, erfolgte, ist im höchsten Maße brisant. Unter diesen Umständen kann die getroffene Standortentscheidung seitens der BGZ nicht mehr als objektiv angesehen werden. Dass mit Würgassen entgegen vieler Mängel bei den Eigenschaften dann ausgerechnet auch noch der einzige Standort aus den berücksichtigten Flächen ausgewählt wurde, welcher sich nicht im Eigentum des Bundes befindet, sondern teuer vom alten Anteilseigner der GNS, dem Energiekonzern PreussenElektra gekauft werden muss, rundet den mehr als fragwürdigen Entscheidungsprozess ab. Im Anschluss seitens des BMU ein Gutachten beim Ökoinstitut in Darmstadt zu beauftragen, um die Entscheidung des Auswahlverfahrens ausschließlich auf Datenlage der BGZ selbst zu bestätigen, mutet wie eine weitere Farce an. Umso schlimmer ist es, dass sowohl Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) als auch ein Großteil der Mitglieder des Umweltausschusses des Bundestags sich nicht inhaltlich mit der Kritik aus den betroffenen Landkreisen beschäftigten, sondern diese mit Verweis auf das "Gutachten" des Ökoinstituts abwimmeln. Vorausschauend hat das nationale Begleitgremium (NBG) bereits 2019 verkündet: "Die BGZ plant die Errichtung, (...) eines zentralen Bereitstellungslagers (.) für das Endlager Konrad. Die damit verbundenen Fragen der Transportlogistik und Standortbestimmung werden ein weiteres prominentes Thema im gesamten kerntechnischen Entsorgungspfad sein. Das NBG wird darauf achten, dass die BGZ den Prozess offen und transparent gestaltet". Dass die BGZ statt einen "offenen Prozess" und "Transparenz" eine Übertölpelungsstrategie verfolgt und sich nicht an den Empfehlungen des NBG orientiert, ist allen Beteiligten offenkundig und lässt auch für die Zukunft beim Standortauswahlprozess für den hochradioaktiven Müll nichts Gutes erahnen. Schon im Juni 2020 hatten Mitglieder des 18- köpfigen NBG - Gremiums ihrer Empörung Luft gemacht. "Wir können so unsere Aufgabe nicht erfüllen", hieß es von manchen und es sei "nur noch die Frage, wie groß die Katze ist, die wir im Sack kaufen sollen". Dass zudem der Umweltausschuss im Bundestag am 11.5.2021 einen entsprechenden Antrag für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung mit den Stimmen der SPD, CDU/CSU und der AfD abgelehnt hat, unterstreicht die Bedenken in der Bevölkerung. Und damit nicht genug: In den letzten Tagen hat Frau Svenja Schulze die Änderung der 17. Atomgesetznovelle auf den Weg gebracht, welche bereits am 10.06.21 verabschiedet werden soll. Diese sieht vor, dass Entscheidungen von Genehmigungsbehörden nicht mehr von Gerichten überprüft werden können. Anwohner und Umweltverbände wären zukünftig nur noch unbeteiligte Zuschauer, sie könnten die Anlagensicherheit nicht mehr richterlich prüfen lassen. Bereits heute verweigert die BGZ im Fall Würgassen die Herausgabe einer radiologischen Ausbreitungsberechnung, mit welcher der Verbleib des Standorts in der Auswahl der BGZ entgegen der zu geringen Entfernung zur Wohnbebauung legitimiert wurde. Die Begründung: "Die Sicherheit der Bevölkerung gehe dem allgemeinen Interesse vor. Die Berechnung könnte durch Dritte zur Vorbereitung schadhafter Akte verwendet werden." Kommt die Änderung der Novelle, bestünde keine Möglichkeit die Berechnung, welche dem Bevölkerungs- und Strahlenschutz dient, durch ein Gericht prüfen zu lassen, da dem Richter der Zugriff auf die Unterlage verwehrt bliebe. Wir fordern alle demokratischen Parteien auf, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einzusetzen, dass unsägliche Treiben der BGZ im Auftrag des BMU sofort zu stoppen. Das Verfahren der Standortfindung ZBL/LoK gehört unter Einbezug der Bürgerbeteiligung und Wahrung der Transparenz, sowie unter der Berücksichtigung zuvor festgelegter, rein sachlicher Kriterien neu aufgerollt. Zudem muss die Änderung der 17. Atomgesetznovelle gestoppt werden. Sie ist ein tiefer Eingriff in die Grundrechte der Menschen im Land und ein Angriff auf die Souveränität der Judikative. Hintergrund: Die BGZ möchte ab 2023 durch den Bau einer 325mx125m großen Halle (das entspricht der Größe von drei Fußballstadien) die vorwiegend touristisch geprägte Weserberglandregion zur bundesweit einzigen Atommülldrehscheibe aller schwach- und mittelradioaktiven Abfälle Deutschlands machen. Ab 2027 sollen nach dem Willen des BMU und der BGZ über 300.000m³ Atomschrott für 30 Jahre zur Belieferung des Endlagers Konrad bei Salzgitter am Standort Würgassen, fernab überregionaler Verkehrsanbindungen, umgeschlagen werden. Die Standortentscheidung erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter vielfacher Missachtung der Vorgaben der Entsorgungskommission des Bundes. Sowohl die zu erwartenden Betriebskosten, als auch Kriterien der optimalen Transportsicherheit und des Strahlenschutzes fanden bei der Standortauswahl keinerlei Berücksichtigung. Die Bürgerinitiative Atomfreies 3-Ländereck e.V. stellt sich dem Vorhaben des BMU und der BGZ entgegen und setzt sich für eine bestmögliche, sichere, ökologisch verträgliche und zugleich kosteneffiziente Entsorgung der atomaren Hinterlassenschaften, vor allem der vier Energiekonzerne Deutschlands als Hauptverursacher, ein. Weitere Informationen unter: www.atomfreies-dle.de
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