Warum wird ESG für Unternehmen immer wichtiger? Peter Löscher: ESG ist inzwischen keine Kür, sondern ein Pflichtprogramm für alle Unternehmen. Wer sich heute nicht um Nachhaltigkeit kümmert, wird es in der Zukunft schwer haben erfolgreich zu wirtschaften. Internationale Finanzkonzerne wie HSBC und Nordea gehen mit Verweis auf mangelnde Nachhaltigkeit auf Abstand zur Öl- und Gasindustrie. Die weltgrößten Versicherungskonzerne wollen Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Kohlegewinnung basiert, nicht mehr länger zu ihren Kunden zählen. Der weltweit größte Staatsfonds aus Norwegen hat Nachhaltigkeit in das Zentrum seiner Anlagestrategie gestellt. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock fordert von seinen Beteiligungsunternehmen nachdrücklich nachhaltiges Handeln ein. Allein die zwei letztgenannten verwalten zusammen ein Vermögen von rund 10 Billionen US-Dollar. Das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt der dritt- und viertgrößten Wirtschaftsnationen Deutschland und Japan zusammen. Beide gehören übrigens auch zu den Top-10-Anteilseignern von Telefonica Deutschland. Das "Buy-in" von Investoren bei ESG ist enorm. Und das ist auch gut so.
Worauf basiert das große auch persönliche Engagement für ESG? Markus Haas: Ich bin mit Klimafragen aufgewachsen, mit dem Waldsterben in den 80er-Jahren und der Etablierung der Grünen in der Politik. In jüngster Zeit hat mich die Fridays for Future Bewegung beeindruckt. Als Vater ist es großartig zu sehen, wie junge Menschen den Klimaschutz auf der Agenda unseres Landes etabliert haben. Außerdem beschäftigt mich die soziale Ungleichheit, die durch die Pandemie noch verstärkt wird und sich auch an der Digitalisierung festmacht. Wer vor Corona digital schlecht aufgestellt war, der hat es in diesen Tagen besonders schwer. Das zeigt sich bei Unternehmen, bei den Freiberuflern und geht bis zu den Familien. Kinder aus finanzschwachen oder bildungsfernen Familien verlieren mangels digitaler Befähigung den Anschluss. Dabei müssen wir gerade bei den Kindern ansetzen und ihnen einen fairen Start in das Leben und in den Beruf ermöglichen. Wenn meine Töchter mich in 20 Jahren fragen: "Was hast Du denn gegen den Klimawandel und die Spaltung unserer Gesellschaft getan", dann will ich sagen können: "Ich habe für ein Unternehmen gearbeitet, das den Zugang zu einer nachhaltigen digitalen Zukunft demokratisiert hat und so den Alltag für alle Menschen besser gemacht hat". Das ist unser Purpose!
Welche persönlichen Erfahrungen verknüpfen Sie mit dem Umwelt- und Klimaschutz? Peter Löscher: Ich möchte gerne beim vorigen Beispiel bleiben. Bei Siemens haben wir schon 2008 unseren Fokus auf grüne Technologien gelegt und ein Umweltportfolio definiert. Hier haben wir gezeigt, dass energieeffiziente Technologien sich auch wirtschaftlich auszahlen und entsprechende Investitionen attraktive Renditen bringen. Als eines der ersten global tätigen Unternehmen überhaupt haben wir damit ökonomische Prinzipien mit ökologischer Vernunft zusammengebracht. In gewisser Weise waren wir damit grüne Pioniere in einer damals noch längst nicht so grünen Unternehmenswelt.
Leistet die ESG-Orientierung auch einen Beitrag zum Unternehmenserfolg? Markus Haas: ESG stärkt unser Geschäftsmodell und schafft Wettbewerbsvorteile. Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen sind fester Bestandteil des Lebensstils unserer Kunden. Für 92 Prozent aller Nutzer sind Nachhaltigkeitsaspekte beim Handy-Kauf wichtig. Dem werden wir gerecht. Wir bieten bereits nachhaltige Smartphones und Zubehör an. Mit dem EcoIndex bekommen unsere Kunden eine sichtbare Bewertung von Smartphones unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten. Und wir unterstützen den NABU mit unserem Handyrecycling-Programm. Ankauf und Wiedervermarktung gebrauchter Smartphones kommen im Rahmen der neuen Nachhaltigkeitsinitiative "Keep the Planet Blue" in Kürze hinzu. Das sollte die Zufriedenheit unserer Kunden weiter steigern und ist gut für die Umwelt. Außerdem ist es für mehr als drei Viertel der Arbeitnehmer wichtig, dass Nachhaltigkeit bei ihrem Arbeitgeber einen hohen Stellenwert hat. Wir sorgen dafür, dass Mitarbeitende auch in dieser Hinsicht mit uns zufrieden sind. Und für Investoren sind die ESG-Kriterien ein wichtiger Bestandteil der Investitionsentscheidungen. Deshalb ist "Tue Gutes und sprich darüber" im Falle von ESG notwendig. "Transparenz & Dialog" ist wichtig im Rahmen der guten Unternehmensführung. Deshalb geben wir in dieser Woche mit unserer ersten virtuellen ESG-Roadshow den Startschuss für einen regelmäßigen Dialog mit nachhaltig orientierten Investoren. Was ist die Rolle des Aufsichtsrats bei der Verfolgung von ESG-Zielen?
Wie sehen die ESG-Ratings von Telefonica Deutschland bisher aus? Markus Haas: In den wichtigsten Nachhaltigkeitsrankings - sustainalytics, MSCI, ISS oekom und FTSE Russell - erreichen wir zunehmend gute bis sehr gute Bewertungen. Auch die wiederholte Aufnahme in relevanten Indices, wie den Bloomberg Gender-Equality Index, die CDP-Klima-A-Liste und in den DAX50-ESG spiegeln unsere starke Leistung wider. Das alles zusammen gibt uns Zugang zu einer neuen Qualität von Finanzierungsmöglichkeiten. Denn die an ESG-Performance gebundenen Finanzierungen führen beispielsweise zu Zinsersparnissen bei der Fremdkapitalbeschaffung. Wir waren Ende 2019 das erste deutsche Telekommunikationsunternehmen, das einen sogenannten Sustainability-Linked-Loan abgeschlossen hat. Auch das Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von 450 Millionen Euro für den Aufbau des 5G-Netzes haben wir erhalten, weil die EIB in dem Ausbau als ein Finanzierungsprojekt einstuft, welches die Energieeffizienz unseres Mobilfunknetzes signifikant erhöht. Und wir prüfen derzeit weitere nachhaltige Finanzierungsinstrumente, wie beispielsweise ESG-gebundene Anleihen, ESG-gebundene Schuldscheine, und klimaneutrales Leasing. Die Nutzung dieser Instrumente wird uns auch aus finanzieller, unternehmerischer Sicht nachhaltig helfen!
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