An der schlechten Bilanz trägt die Politik eine erhebliche Mitschuld. Auf fahrlässige Weise hat sich der Bund im Zuge der Bahnreform aus seiner politischen Verantwortung gestohlen. Jahrelang haben Verkehrsminister von Union und SPD zugesehen, wie ein auf maximale Rendite und Aktienkurse schielendes Spardiktat der Bahn erheblichen Schaden zugefügt hat. Dass Bahnchef Grube gegenüber Bahnkunden und Steuerzahlern heute einen Sanierungsstau von 30 Milliarden Euro eingestehen muss, der die Sicherheit des Zugverkehrs in Deutschland gefährdet, ist ein peinlicher und dennoch kaum überraschender Offenbarungseid. Die DB AG durfte auf weltweiter Einkaufstour Milliarden ausgeben und gleichzeitig das heimische Schienennetz auf Verschleiß fahren. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit liefert der Bahnkonzern nur bei den alljährlichen Fahrpreiserhöhungen. Wenig rentable Neubaustrecken und politische Prestigeprojekte werden den Kapitalbedarf auf Dauer hochhalten und notwendige Investitionen in die Qualität des Bahnfahrens absehbar erschweren. 20 Jahre Bahnreform muss für die Politik Anlass sein, eine ehrliche Bilanz der Bahnpolitik seit 1994 zu ziehen. Wir fordern die neue schwarz-rote Bundesregierung auf, sich einer neuen breiten Debatte über die Zukunft des Schienenverkehrs in Deutschland zu stellen. Die Ziele der Bahnreform sind heute aktueller denn je. Wer die großen Potentiale der umweltfreundlichen Schiene im Personen- und Güterverkehr ausschöpfen will, muss auf eine neue Netzkonzeption Wert legen und bislang ungelöste Struktur- und Wettbewerbsfragen klären. Dazu gehört auch, die bis heute widersprüchliche Rolle der Deutschen Bahn AG neu zu definieren und ihre Unternehmensstrategie konsequent auf das Kerngeschäft - umweltfreundliche und zuverlässige Mobilitätsangebote in Deutschland - auszurichten.
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