![]() Foto: MSCBerlin, den 08. August 2011 - Kleine Schwarmfische wie Sardinen und Sardellen nehmen eine wichtige Rolle in unseren Meeren ein, da sie eine zentrale Stelle im Nahrungsnetz besetzen. Gleichzeitig sind sie eine bedeutende Ressource für den Fischereisektor: Über 30 Prozent der weltweiten Fischereiproduktion besteht aus solchen kleinen Fischen. Doch wie viele von ihnen kann der Mensch fangen, bevor andere Arten beeinträchtigt werden? Eine wissenschaftliche Studie, die vom MSC (Marine Stewardship Council) in Auftrag gegeben und zum großen Teil finanziert wurde, beleuchtet diese Frage und kommt zu einer wegweisenden Erkenntnis: Um andere Arten zu schonen müssen kleine Schwarmfischbestände wie Sardinen und Sardellen noch viel vorsichtiger bewirtschaftet werden, als es nach dem Konzept des "maximalen nachhaltigen Dauerertrags" der Fall wäre - ein Managementansatz, der allgemein als besonders verantwortungsbewusst anerkannt ist.Die Studie zeigt, dass das gängige Management bei Arten wie der Sardelle, die am unteren Ende des Nahrungsnetzes stehen und Schlüsselpositionen im Ökosystem einnehmen, in manchen Meeresregionen starke negative Auswirkungen auf andere Lebewesen und das weitere Ökosystem haben kann. Dieses Risiko kann deutlich reduziert werden, indem der maximale Fischereidruck auf diese Arten halbiert wird, die Fischerei also einen deutlich größeren Anteil der Biomasse im Meer belässt. Das Ergebnis der Studie, das auch im Online-Bereich des Wissenschaftsmagazins "Science" behandelt wurde, nimmt der MSC heute für relevante Fischereien in sein Beurteilungssystem auf und demonstriert so einmal mehr die führende Position des MSC-Programms bei der Bewertung und Kennzeichnung nachhaltig arbeitender Fischereien. Ökologisch verträgliche Fangmengen von Ökosystem und Nahrungsnetz abhängig Im Rahmen der Studie untersuchte das Forscherteam mithilfe von drei Computermodellen die Auswirkungen unterschiedlicher Fangmengen auf einen Fischbestand in verschiedenen Ökosystemen. Die Untersuchung zeigte, dass die ökologisch verträgliche Fangmenge eines Bestandes vom Ökosystem und vom Nahrungsnetz beeinflusst wird, in das die jeweilige Fischart verwoben ist. Eine zentrale Art in einem Ökosystem zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie Bestandteil von mindestens vier Prozent aller Verbindungen im Nahrungsnetz ist. In der Nordsee identifizierten die Forscher etwa den Sandaal und die Leuchtgarnele als zentrale Arten. "Dies ist überraschend, da Hering oder Sprotte dort fast genauso häufig vorkommen", erklärt Christopher Zimmermann, stellvertretender Direktor des von Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock und deutscher Vertreter im Beratungsausschuss des Internationalen Rates für Meeresforschung. Die Forscher konnten zudem zeigen: Reduziert man den Fischereiaufwand bei solchen kleinen Schwarmfischen um die Hälfte, können die Auswirkungen auf das Ökosystem enorm verringert und dennoch 80 Prozent des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrages erzielt werden. Zimmermann begrüsst die Investitonen des MSC in solcherlei Forschungsarbeiten: "Wissenschaftliche Forschung ist eine grundlegende Voraussetzung für eine nachhaltige Nutzung der Fischbestände in unseren Meeren. Die Studienergebnisse können das Management von Fischereien auf Arten am unteren Ende der Nahrungskette maßgeblich beeinflussen." David Agnew, beim MSC für die Weiterentwicklung der Standards verantwortlich, kommentiert: "Wir vom MSC sind sehr stolz darauf, einen Beitrag zu diesen bahnbrechenden Erkentnissen geleistet zu haben. Wir haben uns dazu verpflichtet, die technischen Grundlagen unseres Standards auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. Die Forschungsarbeiten helfen uns dabei, diesem Anspruch gerecht zu werden. Ich möchte allen Experten, die zu dieser Studie beigetragen haben, herzlich danken." Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Gerlinde Geltinger, MSC Deutschland, Tel. 030 609 8552-0, Email: gerlinde.geltinger@msc.org Anmerkungen: Der MSC ist eine unabhängige und gemeinnützige Organisation, die weltweit tätig ist. Der MSC wurde 1997 gemeinsam von der Umweltorganisation WWF und dem Lebensmittelkonzern Unilever gegründet, um Lösungen für das globale Problem der Überfischung zu entwickeln. Gemeinsam mit Wissenschaftlern, Umweltorganisationen und Fischereiexperten hat der MSC einen Umweltstandard entwickelt, der die Prinzipien für eine nachhaltige Fischerei definiert und als Grundlage für die Bewertung von Fischereien dient. Der MSC hat heute weltweit rund 80 Mitarbeiter, die am Hauptsitz in London und in weiteren Niederlassungen rund um den Globus tätig sind. Das MSC-Büro für den deutschsprachigen Raum ist in Berlin ansässig. Weitere Informationen unter www.msc.org. Die Studie "Impacts of Fishing Low-Trophic Level Species on Marine Ecosystems" wurde erstellt von Anthony D.M. Smith (1), Christopher J. Brown (2,3), Catherine M. Bulman (1), Elizabeth A. Fulton (1), Penny Johnson (1), Isaac C. Kaplan (4), Hector Lozano-Montes (5), Steven Mackinson (6), Martin Marzloff (1,7), Lynne J. Shannon (8), Yunne-Jai Shin (8,9), Jorge Tam (10). 1 Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization, Wealth from Oceans Flagship, Hobart, TAS 7001, Australia. 2 School of Biological Sciences, The Ecology Centre, University of Queensland, St Lucia, QLD 4072, Australia. 3 Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation, Climate Adaptations Flagship, Cleveland, QLD 4163, Australia. 4 National Oceanographic and Atmospheric Administration, Northwest Fisheries Science Center, Seattle, WA 98112, USA. 5 Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization, Wealth from Oceans Flagship, Floreat, WA 6014, Australia. 6 Centre for Environment, Fisheries and Aquaculture Science, Lowestoft NR33 0HT, UK. 7 Institute for Marine and Antarctic Studies, University of Tasmania, Sandy Bay, TAS 7005, Australia. 8 University of Cape Town, Marine Research (MARE) Institute and Department of Zoology, Rondebosch 7701, South Africa. 9 Institut de Recherche pour le Développement, UMR EME 212 Ecosystèmes Marins Exploités, 34203 Sète, France. 10 Instituto del Mar del Perú, Esquina Gamarra y General Valle s/n, Callao, Perú. Die Ergebnisse der Analyse wurden am 21. Juli in der Onlineausgabe des internationalen, wöchentlich erscheinenden Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht. Die Zusammenfassung des Artikels kann auf "Science Express" eingesehen werden: www.sciencemag.org/content/early/2011/07/20/science.1209395. Abbonenten können den gesamten Artikel einsehen, Nicht-Abonnenten den Artikel erwerben. Der Artikel wird zu einem späteren Zeitpunkt in der Druckversion von Science erscheinen. Das Konzept des höchstmöglichen nachhaltigen Dauerertrags (MSY) sieht vor, dass die Bewirtschaftung lebender Meeressschätze so erfolgt, dass der Ertrag (hier also die Fangmenge) langfristig optimiert wird. Hierfür werden Ziel- oder Grenzwerte für Biomasse (Bmsy) und fischereiliche Sterblichkeit (Fmsy) entwickelt; die aktuellen Werte sollen in begrenztem Umfang um diese Referenzpunkte schwanken. Die Referenzpunkte schließen den Bedarf anderer Nutzer der Ressource wie Seevögel und -säuger ein, betrachten also in gewissem Umfang auch die Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt: Nur eine gesunde Umwelt kann den MSY liefern. Die meisten europäischen Bestände werden derzeit deutlich unterhalb des MSY bewirtschaftet, sie könnten also einen viel höheren Ertrag liefern, wenn sie in besserem Zustand wären . Interaktionen zwischen den Arten werden eine Anpassung der sich zunehmend erholenden Bestände erforderlich machen.
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