Die Politik hat mittlerweile die ästhetischen Gesetze der Warenwelt übernommen. Weil sie in der Sache nur noch wenig zu bieten hat, geht es vor allem um das Auftreten und die Botschaft. Von daher verwundert es nicht, dass Karl-Theodor zu Guttenberg nicht über eine politische Entscheidung fällt - welche sollte es auch sein? Er fällt über sein eigenes kunstvoll aufgebautes Image, das ein Trugbild war: der neuartige, federnde und elegante Politiker, anders als die anderen, in Wahrheit aber nur kunstvoller. Dieses Auftreten reduziert die Politik auf das Verkaufen, auf das schillernde Symbol, auf den Anschein und auf die schnelle Botschaft. Guttenberg als Fred Astaire am Times Square, Guttenberg in der Talkshow am Hindukusch, Guttenberg als Showmaster, Guttenberg als Ranger, Guttenberg als Dressman. Und alles in Symbiose mit der BILD-Zeitung, die bis zuletzt für passende Bilder und Kommentare sorgt. Natürlich kann ein Politiker Fehler machen. Es ist sogar eine Unsitte geworden, dann jedes Mal sofort den Rücktritt zu verlangen. Auch schadet es nicht, wenn ein Politiker vornehm gekleidet ist. Aber gefährlich wird es, wenn aus Politik und Politiker eine einzige Show wird, die den Erfolg nur an der Person misst, nicht aber am Inhalt. Dann verkümmern selbst gravierende Fehler zu taktischen Fragen. Als Herr zu Guttenberg Wirtschaftsminister wurde, lautete sein erster Kommentar zur Finanzkrise 2008: "Wir erleben keine Krise des Systems, sondern nur eine Krise im System." Eine solch falsche Behauptung konnte nur jemand machen, der nicht begriffen hatte oder nicht begreifen wollte, um was es ging. Es ist einfach falsch, nur das Auftreten der Person zu sehen, aber die Inhalte zu übersehen. Dann nämlich wird Politik zur Kunstform. Dennoch: Guttenberg hat eigentlich nur perfektioniert, was seit einigen Jahren immer mehr zur Politik wurde. Eine Einordnung des Falls Guttenberg muss deshalb die Strukturen und Mechanismen der Entpolitisierung und Entleerung sehen. Das aber ist noch immer eher selten der Fall. Schwarz-Gelb wollte die Causa Guttenberg 'durchstehen', im politischen Werbegeschäft ist ein Rücktritt eine Niederlage. Diese wollten Merkel, Seehofer und Mappus vor den Landtagswahlen unbedingt verhindern. Doch sie haben sich getäuscht. Dem schnellen Aufstieg folgt ein ebenso schneller Fall. Denn so groß das Kunstwerk Guttenberg war, so anfällig wurde es auch, zumal im Zeitalter von Internet und allseitiger Transparenz. Da half auch die Mär nicht mehr, dass dieser Härtetest Herrn zu Guttenberg erst stärken werde. Der Schaden ist gewaltig, die Glaubwürdigkeit der Politik ist weiter gesunken. Deshalb geht es auch um weit mehr als nur um Herrn Guttenberg. Es geht um das Funktionieren der Demokratie. Kommentieren Sie diesen Standpunkt hier: www.blog.naturfreunde.de Rückfragen bitte an NaturFreunde Deutschlands Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur Michael Müller (0172) 246 21 25 mueller@naturfreunde.de www.presse.naturfreunde.de
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