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Ein Beitrag aus dem ECO-News Presseverteiler, der Ihnen von ECO-World.de zur Verfügung gestellt wird. In der Rubrik: Umwelt & Naturschutz |
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biodivers und stark |
Mit einer kleinen Schule versuchen die indigenen Shuar und Achuar im Südosten Ecuadors ihre biodiverse Enklave zu erhalten |
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2010 wurde von den Vereinten Nationen zum "Internationalen Jahr der Biodiversität" erklärt. Außerdem wird jedes Jahr Ende Mai weltweit der Internationale Tag der Biologischen Vielfalt begangen. Die Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) laden in Kooperation mit dem Wissenschaftsmagazin GEO auf allen Kontinenten zur Mitwirkung an diesem globalen Projekt ein. |
Ecuador zählt zu den 17 artenreichsten Ländern der Welt. Das Umweltministerium des kleinen Andenstaates hat etliche Naturschutzprogramme auf den Weg gebracht, um diesen Status zu halten. Doch die große Artenvielfalt ist durch andere nationale, wirtschaftliche und private Interessen bedroht. Mit einer kleinen Schule versuchen daher die indigenen Shuar und Achuar im Südosten Ecuadors ihre biodiverse Enklave zu erhalten.
Am Himmel über Bomboiza schwebt der Rabengeier. Langsam zieht er seine Kreise am knallbunten Regenbogen vorbei, der sich vom Rio Pumpus hoch, über den in allen Variationen von Grün eingepackten Berg hinein in die flauschige Wolkenformation biegt. Ein schier unendlicher Teppich aus Sträuchern, Farnen, Bäumen und Büschen bedeckt die Hügel und Berge.
In der El Cóndor-Kordillere wachsen unter anderem die weltweit letzten Bestände an feuchten, niedrigen Bergwald. Hier wurden 38,5% der Säugetierarten, 13% der Amphibien, 38% der Vogelarten und etwa 10% der Pflanzenarten in Ecuador registriert. Dabei umfasst die El Cóndor-Kordillere nur 2,6% der gesamten Landesfläche. Wissenschaftler haben hier 2.030 Pflanzenarten, 142 Säugetierarten, 613 Vogelarten, neun Reptilien- und 56 Arten von Fröschen und Kröten entdeckt. Botaniker und Zoologen gehen davon aus, daß das Ende der Liste noch nicht erreicht ist. |
Die kleine Ansiedlung Bomboiza liegt an den östlichen Ausläufern der Andenkordillere, die sich bis auf 2.900 Meter erhebt und die natürliche Grenze Ecuadors zu Peru bildet. Diese El Cóndor-Kordillere besteht aus einer immensen ökologischen Vielfalt (siehe Kasten).
Aber alle diese Schönheit der Natur, diese Vielfalt des Lebens ist bedroht. Die nachgewiesenen großen Kupfer- und Goldvorkommen in der El Cóndor-Kordillere haben internationale Bergbauunternehmen auf den Plan gerufen, die inzwischen im Besitz von Abbaulizenzen für einen großen Teil der Gebirgskette sind. Hinzu kommt, daß der ecuadorianische Staat den Zuzug von Siedlern in diesen Landstrich erleichterte. Diese Siedler roden den Urwald, um meist unangepassten Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Für sie hat die Artenvielfalt keinen erkennbaren Mehrwert.
In dieser einmaligen Region leben rund 160.000 Shuar, das zweitgrößte indigene Volk in Ecuador und 5.000 Achuar. Ein Großteil hat sich im Laufe der Jahre mit der westlichen Zivilisationsgesellschaft arrangiert, es gibt aber dennoch eine starke Fraktion, die intensiv und voller Stolz ihre traditionelle Lebensweise fortführt.
Besonderen Rückhalt dafür finden sie in der Missionarstation des katholischen Salesianer Ordens in Bomboiza. In der zweisprachigen Internatsschule "Instituto Superior Pedagógico Intercultural Bilingüe Shuar - Achuar" (ISPEDIBSHA) werden 328 Kinder und Jugendliche Shuar und Achuar zwischen 11 und 18 Jahren ausgebildet, um die Biodiversität zu schützen und ihre eigene Kultur zu retten. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) berät im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Institution ISPEDIBSHA und damit auch die Shuar und Achuar.
Auf dem Lehrplan steht neben Spanisch auch das Lesen und Schreiben in Shuar. Außerdem lernen die 180 Jungen und 148 Mädchen u.a. in den Unterrichtsfächern Agro-Forstwirtschaft, Mathematik, traditionellen Tanz und Musik bis hin zu Biodiversität. Praktisch gelehrt wird vor allen Dingen im 6 ha großen ethnobotanischen Garten, der mit GTZ-Beratung von den Schülern angelegt wurde und nun auch gepflegt und bewirtschaft wird. In dem Garten, der erst vor fünf Jahren eingerichtet wurde, befinden sich heute bereits 361 Arten von Nutz, Heil- und spirituellen Pflanzen. Alle Pflanzen, egal ob Früchte, Gemüse oder Gewürze stammen aus der unmittelbaren Gegend. In Theorie und Praxis lernen die Schüler den kulturellen, medizinischen und ökonomischen Nutzwert dieser Pflanzen.
Der 18jährige Guillermo Petsain ist "Interno", d.h. er gehört zu den 84 Schülern, die auf dem Gelände leben, lernen und arbeiten. Guillermos Tag beginnt um 4Uhr30 mit Wecken. Nach einer kurzen Andacht geht's zum Kühemelken oder zum Eier einsammeln in den Hühnerstall oder zum Fegen auf den Hof. Nach dem Frühstück werden die Jungen und Mädchen aufs Feld gefahren, um Reis, Yukka (Maniok) oder Mais zu bewirtschaften. Das ist Teil des Unterrichts, trägt aber natürlich auch zur Verpflegung aller bei. Die Schüler ernähren sich zu rund 80% selber vom Feld und vom Vieh, das auf dem Internatsgelände gehalten wird. Nur Salz, Getränke und andere Nahrungsprodukte werden in der nahegelegenen Gemeinde Gualaquiza dazu gekauft. Bis zum Nachmittag findet der theoretische Unterricht in den Klassen statt. Später, kurz bevor die Sonne untergeht, spielt er noch mit seinen Schulfreunden Fußball auf dem Sandplatz. Für zehn Monate Unterkunft, Unterricht und Verpflegung zahlen seine Eltern 50 US-Dollar.
Guillermo wohnt nicht weit von Bomboiza, nur etwas mehr als eine Busstunde. Es gibt Familien von "Internos", die bis zu fünf Tagesmärsche entfernt, tief im Regenwald leben. Nur in den zweimonatigen Schulferien kann er seine Eltern besuchen. Dann bringt er Pflanzen aus dem ethnobotanischem Garten mit, die in seiner Heimatgemeinde in Vergessenheit geraten sind. Das ist eine der grundlegenden Prinzipien der Schule und Teil der Ausbildung. Er pflanzt die mitgebrachten Setzlinge auf den Feldern (Aja) oder im Medizingarten aus und erklärt den Gemeindemitgliedern auch gleichzeitig deren Nutzen, Wirkung und Anbaumethoden. Bei seiner Rückkehr bringt er Pflanzen mit, die vielleicht in anderen Gemeinden in Vergessenheit geraten sind. Mittlerweile haben bereits 90 Gemeinden an diesem Austausch von Saatgut und der Verbreitung von Wissen über die vielfältige Nutzung der Tropenwaldpflanzen teilgenommen. Jährlicher Höhepunkt dabei ist ein indigener Markt, der dieses Jahr zum vierten Mal während des Biodiversitätstages stattfand, und auf dem circa 600 Indigene Kunsthandwerk sowie ihre biodiversen Agrarprodukte ausstellten, deren Samen austauschten und teilweise auch verkauften.
Diese Anreicherung der Agrobiodiversität erhöht die Artenvielfalt, macht die Indigenen unabhängiger von pharmazeutischen Produkten und trägt zur Nahrungssicherung, zur abwechslungsreicheren Ernährung sowie zur kulturellen Vielfalt bei. Dieses System dient auch dazu, den dort lebenden Shuar und Achuar eine nachhaltige Alternative aufzuzeigen, um auf lange Sicht nicht von extraktiven Unternehmen (Holzkonzessionen, Gold- und Kupfergesellschaften) abhängig zu sein.
Ein Teil des Projekts, das von der GTZ unterstützt wird, bemüht sich, die Bedeutung gerade dieser traditionellen Anbaufelder (Ajas) innerhalb der Shuar-Gemeinden noch mehr zu stärken. Mit den Ajas, die sowohl an Steilhängen, an Flüssen oder in der Ebene liegen können, führen die Shuar die natürliche Biodiversität ihres Landes fort. Scheinbar wild durcheinander wachsen auf relativ kleinen Anbauflächen bis zu 130 verschiedene Pflanzenarten, darunter Banane, Papaya, rote und weiße Wurzeln, Spinat, sieben verschiedene Kartoffelarten, Erdnüsse oder Yukka. Der Boden bleibt durch diese Kombination für viele Jahre fruchtbar, ein künstliches Bewässerungssystem ist wegen konstanten Regenfalls nicht nötig und die Pflanzen bleiben widerstandsfähig gegenüber Schädlingen. Besonders die Shuar-Frauen haben sich für dieses System stark gemacht, und führen es weiter, in dem sie mit anderen indigenen Kleinbauern ihr Wissen und auch die Pflanzensamen untereinander austauschen.
Mit den Ajas beweisen die Shuar, daß eine Landwirtschaft, auch ohne Monokultur, Abholzung, Begradigung oder chemische Keulen, nachhaltig hunderte Familien satt macht. Hier funktioniert die Nahrungssicherung auch biodivers.
Doch auch wenn die Arbeit der Schule und die Erhaltung der Ajas auf den ersten Blick die Zukunft der Shuar sichert, bleibt die Frage, ob die Jugendlichen Shuar eher einem "coolem Lifestyle", den sie durch das Internet oder Fernsehen kennen gelernt haben nacheifern oder weiterhin das traditionelle Leben vorziehen. Derweil dreht der Rabengeier weiterhin seine Kreise über Bomboiza.
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