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Energie & Technik   
Der Ausstieg aus der Atomenergie braucht klare Entscheidungen, doch das Interview von Bundesumweltminister Röttgen geht an den Fakten vorbei
Berlin, 8. Februar 2010 - Das Interview mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen zur Zukunft der Atomenergie genauer zu lesen, empfiehlt der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands Michael Müller. Denn zwar gibt es sprachliche Lernprozesse, aber keine inhaltlichen.

Seine Überlegungen zur Zukunft der Atomenergie hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschrieben. Diese titelte das Interview mit "Wir wollen die Kernkraft ablösen". Signalisiert werden damit eine Veränderung der CDU-Haltung und eine aktive Rolle beim Ausstieg. Union und FDP aber zeigen sich verärgert über das Interview. Insofern stellt sich die Frage, ob sie es nicht gelesen haben oder ob die Union den Neubau von Atomkraftwerken will - was bisher nur der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) fordert. Es ist also angebracht, das Interview genauer zu lesen.

Tatsächlich verändert Herr Röttgen die Position der CDU nicht, wohl aber - das ist der Trick - wird sie anders beschrieben. In der Sache jedoch ändert sich nichts. Nachdem die heutigen Regierungsparteien in der Vergangenheit die Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energien blockiert haben, bekennen sie sich jetzt dazu. Damit hört es aber schon auf. Es gibt zwar sprachliche Lernprozesse, aber keine inhaltlichen. Denn:

Herr Röttgen behauptet, die Atomkraft sei die Brückentechnologie, bis die Erneuerbaren bei 40 Prozent sind. Falsch! Die Brückentechnologie ist die Effizienzrevolution, also der Umbau in Richtung Energiedienstleistungen. Unbestritten ist die Verbundwirtschaft, deren Rückgrat die großen Atom- und Kohlekraftwerke sind, das größte Hindernis für eine effiziente und dezentrale Energieversorgung. Aber genau deren Laufzeiten sollen um mindestens acht Jahre verlängert werden. Die innere Logik der Kondensationskraftwerke ist der hohe Stromverbrauch. Hier hält Herr Röttgen an der alten Energiepolitik fest, die den Umbau erschwert.

Nicht ein Mal erwähnt Herr Röttgen die Effizienzstrategie. Offenkundig macht auch er den Fehler, dass Effizienz mit dem Bau neuer Kraftwerke verbunden wird. Doch die Effizienzstrategie erfordert den Umbau auf der Angebots- wie der Nachfrageseite. Dann sind schon heute selbst im Strombereich Einsparpotenziale bis zu 30 Prozent möglich. Aber eben nicht mit der Atomenergie, deren Wirkungsgrad in der Spitze gerade mal auf 35 Prozent kommt. Würden dagegen die Effizienzpotenziale genutzt, würde sich nicht nur der Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen, sondern auch das Ziel viel schneller erreicht. Der Bundesverband Erneuerbare Energien hat nachgewiesen, dass dann auch bis zu 47 Prozent bis zum Jahr 2020 möglich wären. Das würde ein Abschalten der Atomenergie in den nächsten acht Jahren ermöglichen.

Herr Röttgen nennt 40 Jahre Laufzeit für Atomkraftwerke. Auch das ist nicht neu. Die manchmal genannten 60 Jahre waren immer eine Fantasiezahl, denn sie ist in allen Ländern weit weg von der Realität. Aber selbst bei den 40 Jahren wird Herr Röttgen nicht konkret, denn für ihn "kommen ja noch andere Fragen hinzu", etwa "Nachrüstungen" und "die permanente Anpassung der Sicherheitsanforderungen". Was heißt das? Eine längere Laufzeit?

Da, wo konkrete Initiativen möglich sind, etwa bei einer Steuer auf Kernbrennstäbe, weicht Herr Röttgen aus, schiebt die Verantwortung auf das Bundesfinanzministerium.

Herr Röttgen fordert ein Gesamtkonzept, offenkundig um über die schwierige NRW-Wahl zu kommen, wo die Zustimmung zur Atomkraft ein Negativthema in der Bevölkerung ist. Das Konzept soll deshalb im Herbst vorgelegt werden. Doch alles ist bekannt, denn seit rund 20 Jahren liegen durchgerechnete Szenarien auf dem Tisch, die die Machbarkeit des Umbaus zeigen. Es ist keine Frage des Wissens, sondern der Durchsetzung.

Auf die Frage, ob in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstand, es würde bei der Kernkraft gekungelt, antwortet Herr Röttgen, das dies in der Vergangenheit so gewesen sei. Hoppla, deshalb hat Rot-Grün wohl ein Ausstiegsgesetz vorgelegt? Da stimmt die Logik nicht. Jetzt aber sollen Weichen gestellt werden, auf die sich die Wirtschaft verlassen kann. Welche Wirtschaft eigentlich außer den vier Atomkraftbetreibern? Die Branche der erneuerbaren Energien, die auch von der Union als Zukunftsindustrie gefeiert wird, will dagegen nicht, dass es zu mehr, sondern zu weniger Atomkraft kommt.


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