Insgesamt verbrauchten die Deutschen 400.000 Tonnen Röstkaffee und 16.600 Tonnen löslichen Kaffee. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich der Espresso, dessen Konsum sich seit dem Jahr 2000 verfünffachte. Auch der Anteil biologisch zertifizierter Bohnen nimmt stetig zu - allerdings immer noch nur bei einem sehr niedrigen Niveau von zwei bis drei Prozent des gesamten Kaffeeverbrauchs. "Kaffee aus nachhaltiger Produktion ist zwar noch ein Nischenprodukt, aber mit großem Wachstum", resümiert der Deutsche Kaffeeverband. Wie schon seit vielen Jahren ist und bleibt Brasilien eines der wichtigsten Arabica-Kaffee-Lieferanten der Bundesrepublik. Umgekehrt ist Deutschland für Brasilien der mit Abstand wichtigste Abnehmer. Laut aktuellen Zahlen exportierte das lateinamerikanische Land in den ersten zehn Monaten dieses Jahres über 5 Millionen Sack Rohkaffee oder umgerechnet 300.000 Tonnen nach Deutschland. Diese deutsch-brasilianische Kaffee-Beziehung ist ein lohnendes Geschäft nicht nur für die Röster in Norddeutschland. Auch die großen Pestizidfabrikanten wie Bayer und BASF verdienen kräftig dabei mit. Allein diese beiden deutschen Pharmakonzerne bieten speziell den brasilianischen Kaffeepflanzern rund 50 verschiedene Herbizide, Fungizide, Insektizide und andere Giftmischungen für ihre Plantagen an. Dazu gehört auch der Pestizidcocktail namens Baysiston, der in Deutschland bereits seit sage und schreibe rund 25 Jahren verboten ist. In Brasilien ist das Bayer-Gift bestehend aus dem Organophosphat Disulfoton und dem Fungizid Triadimenol bis heute eines der am häufigsten angewandten Pestizide. Der konventionelle Kaffee-Anbau ist neben dem ungebremsten Soja-Business eine der Ursachen, weshalb Brasilien Weltmeister im Verbrauch von Pestiziden ist. Im vergangenen Jahr verteilten brasilianisches Agro-Business und Kleinbauern zusammen 733,9 Millionen Tonnen Agrargifte über Äcker und Plantagen, fast 100 Millionen Tonnen mehr als die USA. Seit 2002 hat sich in dem größten lateinamerikanischen Land der Verbrauch von chemischen Pestiziden um 255 Prozent erhöht. Längst sind die Folgen des nun schon seit mehr als drei Jahrzehnten kontinuierlich und unaufhörlich eingesetzten Giftspritzen in den Kaffee-Anbaugebieten Südostbrasiliens zu spüren. So untersuchte die Medizinerin und Koordinatorin für Arbeitsmedizin in Minas Gerais, Jandira Maciel da Silva, die Krebsfälle im Kaffee-Anbaugebiet im Süden ihres Bundesstaates und kam zu einem erschreckenden Ergebnis: Gefährliche Krebsarten wie Blutkrebs treten bei Pestizid verwendenden Kaffeebauern und Arbeitern auf Kaffeeplantagen vier mal häufiger auf als bei Landarbeitern, die keinen Kontakt zu diesen Agrargiften haben. Neben Krebsverdachten und leider mangels Forschungsgeldern wenig untersuchten chronischen Erkrankungen kommen pro Jahr auch hunderte von Menschen direkt durch den Gifteinsatz. Traurige Berühmtheit dabei das im Kaffee-Anbau beliebte Bayer-Gift Baysiston erlangt. Weil sich in Minas Gerais laut Staatsanwaltschaft mehr als dreißig Kaffeebauern daran vergifteten und zwölf dabei starben wurde der Bayerkonzern erstmals verklagt. Der Konzern redete sich dabei heraus, dass die Arbeiter nicht die entsprechenden Schutzanzüge trugen. "Für die Leute, die das Mittel ohne Schutzkleidung ausbringen, besteht ein hohes gesundheitliches Risiko bis hin zur Lebensgefahr. Eine Vergiftung mit einem derartigen Stoff führt in der Regel zu Muskelkrämpfen, zu Muskelzittern, zu tiefen Bewusstseinstrübungen und zu Lähmungen der Muskeln bis hin zum Atemstillstand - dem Tod", kritisiert Rüdiger Hillmann, Toxikologe der Universitätsklinik Mainz."Mit einem solchen Stoff umzugehen heißt, man sollte einen chemischen Vollschutzanzug tragen, also einen Anzug, der diesen Stoff nicht bis zu der Haut durchlässt. Und man sollte auch ein Atemschutzgerät tragen, damit Stäube nicht in die Lunge gelangen können." Ich selbst kenne die hügeligen Kaffeeanbaugebiete in Minas Gerais und Espirito Santo seit 1994 sehr gut und habe noch niemals jemanden dort in einem solchen Schutzanzug gesehen. Und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass es viele Menschen gibt, die bei 30 bis über 40 Grad Hitze in einem luftdichten Gummianzug steckend, Hügel rauf und Hügel runter, mit einer mehrere Kilogramm schweren Giftspritze auf dem Rücken plus Atemschutzgerät tatsächlich solche tödlichen Pestizide "vorschriftsmäßig" verteilen können. Nichtsdestotrotz werden die Gifte der verschiedensten Konzerne weiterhin sogar großflächig per Flugzeug über die größeren Kaffeeplantagen gesprüht, oft ohne Rücksicht auf die Nachbarn, wie die Kleinbauernbewegung (MPA) Bundesstaat Espirito Santo im vergangenen Jahr beklagte. Kaffeeplantagen-Giftcocktails bestehend vor allem aus Fungiziden und Insektiziden wurden selbst über Schulen in den Gemeinden Jaguaré, Vila Valério und Linhares versprüht. Etliche Personen litten unter akuten Vergiftungserscheinungen. Die Kleinbauern forderten deshalb ein Verbot der Giftspritzen von oben. Doch die Folgen des Einsatzes dieser so genannten Pflanzenschutzmittel sind nicht nur gesundheitlicher Art. Vom Boden bis zum Wasser: Die gesamte Umwelt und Biodiversität sind Mitopfer der eingesetzten Produkte der zig Milliarden Euro umsetzenden, chemischen Industrie, während für die Forschung über deren Folgen allerdings kaum Gelder in Brasilien zur Verfügung stehen. Jandira Maciel da Silva: "Als Techniker der Pestizidindustrie bei einer Versammlung von Kaffeeanbauern und Landarbeitern in Minas Gerais erklärten, dass man sich durch den Einsatz entsprechender Schutzausrüstung gegen die eingesetzten Gifte schütze solle, fragte einer der älteren Kaffeebauern die Industrievertreter ob sie denn wüssten, weshalb seit dem Moment als die Pestizide in den 1970er Jahren in die Region kamen, die Vögel verschwanden?" Eine Antwort bekam er nicht. Die Verbraucher in Deutschland können zwei wichtige Dinge tun, damit die großflächigen Vergiftungen in Brasilien sowie in anderen tropischen Anbauländern ein Ende finden: Ausschließlich Bio-Kaffee kaufen und politischen Druck machen, dass deutsche Firmen in Deutschland verbotene Pestizide auch nicht im Ausland produzieren und verkaufen dürfen. Im 21. Jahrhundert sollten tödliche Gifte aus deutschen Landen oder aus deutschen Händen nicht mehr in alle Welt gelangen. Norbert Suchanek, Rio de Janeiro Coordination gegen BAYER-Gefahren www.cbgnetwork.org
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