Zehn Jahre Attac, herzlichen Glückwunsch! Aber was gibt es denn überhaupt zu feiern, zum Beispiel im Bereich Umweltschutz? Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Wir freuen uns über das große internationale Attac-Netzwerk und darüber, dass so viele Aktive kein bisschen müde sind. Attac hat etliche Erfolge vorzuweisen. Zum Beispiel die Aufdeckung der geheimen Verhandlungen über das WTO-Dienstleistungsabkommen, die Verhinderung des Verkaufs der Frankfurter U-Bahn oder der Leizpiger Stadtwerke. Vor allem aber haben wir viel zu der dringend notwendigen Globalisierungsdebatte beigetragen. Als es vor zehn Jahren losging, haben sich viele zum ersten Mal mit der Kritik an der Welthandelsorganisation WTO oder an den internationalen Finanzmärkten befasst. Heute ist viel mehr Menschen als 1998 klar, was die Vorfahrt für Konzerne in allen Bereichen wirklich bedeutet. Bei jedem dieser zentralen Themenfelder ist auch die Umwelt betroffen. Auch Attac kann nicht zaubern, aber ohne das Wissen um internationale Handelsregeln, die wichtige Erfolge der Umweltbewegung mit einem Wisch zunichtemachen, ist Umweltschutz in der globalisierten Welt gar nicht mehr möglich. Attac-Forderungen sind heute Mainstream: Horst Köhler will die Finanzmärkte zügeln, deutsche Kommunen kaufen ihre Stadtwerke zurück. Sollte sich da Attac nicht eigentlich auflösen? Wir haben ein ähnliches Problem wie einst die Umweltbewegung: Unser Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, geändert hat sich aber meist nur die Rhetorik. Attac bleibt also notwendig. Und es bleibt spannend, denn es knirscht längst im neoliberalen Gebälk. Zu viele Versprechen haben sich als Lügen erwiesen. Sie kommen aus der Umweltbewegung. Warum sind Sie heute bei Attac und nicht bei einer großen Umweltorganisation? Ich war in der Naturschutzjugend aktiv, in Hessen und bundesweit. Schon damals war mir der Blick über den Tellerrand sehr wichtig und der Verband zu eng. Ich mag "Bewegung" mehr als "Verband" und finde die Gratwanderung von Attac zwischen diesen Daseinsformen sehr spannend. In meiner Umweltarbeit bekam ich bei wichtigen Forderungen oft die Antwort: "Das geht nicht - schon wegen der Globalisierung." Deshalb glaube ich, im Umweltschutz lässt sich kein Thema bearbeiten, ohne nach dem Wirtschaftssystem, nach Machtverhältnissen und gesellschaftlichen Alternativen zu fragen. Ich befasse mich auch bei Attac mit Landwirtschaft und Gentechnik, mit Patenten auf Leben, mit den ökologischen und sozialen Auswirkungen der Discounter, mit Stromkonzernen und Energiewende. Der Umweltbewegung bin ich also gar nicht verloren gegangen. Wie haben sich die Attac-Umweltnetzwerke wie die Öko-AG oder das Agrarnetz entwickelt? Wie andere überregionale Arbeitszusammenhänge auch: Einige Leute wollten das aufbauen, haben Gleichgesinnte gefunden und losgelegt. Das Agrarnetz entstand zum Beispiel nach einem tollen Seminar auf einer Attac-Sommerakademie. Die AG Globalisierung und Ökologie ist immer dann besonders aktiv, wenn der große Umweltkongress McPlanet ins Haus steht, den wir unter anderem zusammen mit dem BUND und Greenpeace durchführen. Was wünschen sich Attac-Aktive von der Umweltbewegung? Wir dürfen uns was wünschen? Fein - dann hätte ich gern noch mehr lebendigen Austausch. Gemeinsame Projekte, wo es passt, gegenseitige Unterstützung und Information, wo es weiterhilft. Das gibt es auch schon oft und das ist prima! Ich freue mich über alle, die sich mutig einmischen. Da habe ich viel von der Bewegung gegen Atomkraft und gegen Gentechnik gelernt. Davon brauchen wir noch mehr. Meine Lieblings-Umweltbewegung bringt eine gesunde Portion zivilen Ungehorsam zusammen mit weiterhin hervorragender Expertise, die auch in die Breite vermittelt wird. Zuletzt hat Attac gegen die Bahnprivatisierung und für die Enteignung der Energiekonzerne mobilisiert. Protestaktionen sind ein Markenzeichen - aber wer soll die "andere Welt" aufbauen, die Attac ja für möglich hält? Wir sind davon überzeugt, dass es "Druck von unten" braucht, damit in diesem Land sich etwas regt. Das wäre noch ein Wunsch an die Umweltverbände: wieder auf mehr Druck von unten zu setzen. Die Klima-Allianz ist ein erster Schritt, aber da ist noch viel mehr drin. Wenn viele Menschen auf die Straße gehen, wenn spektakuläre Aktionen über die Medien verbreitet werden, dann entstehen oft erst wieder die Diskussionen über notwendige Veränderungen. Die Bahnkampagne ist ein schönes Beispiel. Sie wurde auch vom BUND und anderen Umweltverbänden mitgetragen. Gemeinsam haben wir klargemacht, dass eine Privatisierung der ökologisch notwendigen Erhaltung und Weiterentwicklung der Bahn genauso entgegensteht wie bezahlbaren Fahrpreisen oder fairen Löhnen. Obwohl diese Runde ärgerlich für uns ausging, ist die Botschaft angekommen. Und jetzt sind wir zuversichtlich, dass auch unsere Botschaft zum Thema Stromversorgung ankommt. Wer dem Klimawandel, dem unsozialen Gebaren der Stromkonzerne und dem krassen Demokratiedefizit der Branche wirklich etwas entgegensetzen will, muss die großen Energiekonzerne selbst infrage stellen. Die andere Welt entwickeln wir gemeinsam mit ganz vielen Menschen und bestimmt nicht am Reißbrett. Was wir zu bieten haben, sind Kontakte in alle Welt und viele konkrete Ideen, die übersetzt werden können für alternative Konzepte hier bei uns. [Interview: Juliane Grüning, Matthias Bauer] Die Journalistin und Umweltaktivistin Jutta Sundermann ist Mitbegründerin von Attac Deutschland und Mitglied im Koordinierungskreis, dem Strategiegremium von Attac. Kontakt: Jutta Sundermann E-Mail: jutta.s@jpberlin.de, www.attac.de Erschienen in umwelt aktuell 07/2008 www.oekom.de/zeitschriften/umwelt-aktuell.html
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